Konsum

Greenwashing-Urteil: Gösser muss alle Etiketten umdrucken

Urteil rechtskräftig: Konsumentenschützer gewannen gegen die Brau Union die erste Klage wegen irreführender Werbebotschaften im Zusammenhang mit Klimaschutz. Weitere Unternehmen könnten folgen.

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Es war die erste erfolgreiche Klage gegen Greenwashing in Österreich. Greenwashing ist das Verbreiten von falschen Claims, die ein Produkt klimafreundlich wirken lassen. Die Brau Union, zu der auch Gösser gehört, hatte das Bier auf seinen Etiketten mit der Behauptung „CO2-neutral gebraut“ vermarktet. Zu Unrecht, befand das Landesgericht Linz nach einer Klage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI). Seit Anfang September ist das Urteil rechtskräftig.

Gösser muss nun alle Etiketten neu aufdrucken, mit CO2-neutral gebrautem Bier darf der Bierhersteller nicht mehr werben. Besonders prominent zeigt sich die Konsequenz auf der Gösser-Website. Dort steht nun das Urteil auf weißem Hintergrund in einem rechteckigen Fenster:

„Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, ein Produkt (insbesondere Gösser-Bier) mit der Behauptung „CO2 neutral gebraut“, „100% des Energiebedarfs für den Brauprozess kommen aus erneuerbaren Energien“, „Deshalb brauen wir nicht nur mit regionalen Rohstoffen, sondern seit 2015 auch zu 100% CO2 neutral“ oder sinngleich zu bewerben, ohne ausreichend deutlich darauf hinzuweisen, dass nicht der gesamte Herstellungsprozess ab Ernte CO2 neutral erfolgt, sondern nach der Ernte insbesondere zur Bearbeitung der Gerste noch Methangas (Erdgas) eingesetzt wird, ein fossiler Energieträger der nicht CO2-neutral ist.“

Gösser darf auch in den sozialen Medien nicht mehr behaupten, dass sein Bier „CO2-neutral gebraut“ sei. Auf Instagram kann sich die steirische Großbrauerei jedoch nicht ganz von grünen Claims verabschieden und wirbt weiterhin mit dem Hashtag #NatürlichNachhaltigGebraut. „Wir saufen in der Natur“ lautet ein User-Kommentar darunter. Nun, einen selbst verpassten Nachhaltigkeitsstempel braucht es dafür nicht.

Grundsätzlich anzumerken ist, dass die Produktion, die unmittelbar unter dem Dach der Brauerei Göss stattfindet, CO2-neutral ist. Bis 2030 will das die Brau Union an allen Standorten umsetzen – zum Beispiel auch in Schwechat und Wieselburg. Allerdings erfasste Gösser in seiner Werbung nicht den besonders energieaufwendigen Mälzvorgang als Produktionsschritt. Beim Mälzen wird Braugetreide zu Malz. Die Brau Union erzeugt das Malz nicht selbst, sondern kauft es bei Mälzereien an. Die dafür erforderliche Wärme wird überwiegend aus Erdgas gewonnen, somit nicht CO2-neutral.

Das Mälzen verursacht laut VKI jedoch einen ganz erheblichen Teil des Co2-Ausstoßes im Bier-Herstellungsprozesses, nämlich gut 30 Prozent. Außerdem: Der Großteil des CO2-Fußabdrucks entfällt gar nicht auf die Bierherstellung, sondern auf Ernte, Transport und Verpackung.

Richtungsweisende Urteile

Der VKI beließ es nicht bei seiner Klage gegen Gösser, er nahm auch weitere Unternehmen ins Visier. Die Klagen, die der Verein einbringt, erfolgen im Auftrag des Sozialministeriums.

Vergangenen Sonntag wurde bekannt, dass die österreichische Luftfahrgesellschaft Austrian Airlines (AUA) rechtskräftig verurteilt wurde. Das Landesgericht Korneuburg hatte entschieden, dass AUA den „unrichtigen Eindruck“ erweckt hatte, sie biete CO2-neutrale Flüge und den Einsatz von 100 Prozent nachhaltigen Flugkraftstoffen. In der Werbung suggerierte AUA, dass es für sie „keine Kunst“ sei, Flüge „CO2-neutral zur Biennale“ nach Venedig anzubieten. Laut VKI-Juristin Barbara Bauer sind CO2-neutrale Flüge technisch nicht möglich.

Die AUA will in Zukunft klarer informieren. Die Veröffentlichung des Urteils ist ebenfalls auf der Startseite sichtbar – wenn auch etwas weniger prominent als bei Gösser.

Abgesehen davon, dass Gösser und AUA die Prozesskosten tragen müssen, war es das auch schon mit den Konsequenzen. Für den Leiter des VKI-Greenwashingchecks Raphael Fink sind die Urteile dennoch ein wichtiges Signal, dass falsche und irreführende Behauptungen Unternehmen in Verruf bringen können: Die Klagserfolge würden den rechtlichen Rahmen verdeutlichen, in dem sich Werbebotschaften bewegen dürfen. Dass der VKI „nicht bloß zuschaut“, könne einen Einfluss auf andere Marktteilnehmer haben. Der Verein für Konsumenteninformation ist ambitioniert, „mehr Greenwashing-Rechtsprechung“ in Gang zu setzen.

Verpflichtende Kontrolle vorab

Fink und sein Team haben auch in Brüssel Verbündete. Die EU will Greenwashing den Kampf ansagen. Ein Gesetzesvorschlag sieht vor, dass Green Claims vorab belegt und durch eine externe Verifizierungsstelle geprüft werden müssen. Beispiele für Green Claims sind vage Slogans wie „klimapositiv“, „nachhaltig“ oder „grün“.

Diese Richtlinie betrifft Unternehmen mit über zehn Beschäftigten und ab einem Jahresumsatz von zwei Millionen Euro, voraussichtlich ab 2026. Das würde das Aus für selbstgebastelte Gütesiegel bedeuten. Derzeit ist Greenwashing höchstens wegen unlauterem Wettbewerb einklagbar.

Das Verführerische bei Greenwashing: Die Kundschaft schätzt Klimafreundlichkeit. Irreführende Behauptungen sind derzeit für die Marketingabteilungen also durchaus attraktiv.

Übrigens ist Gösser nicht die einzige Biermarke, die sich klimafreundlich präsentiert. Auch auf Bierflaschen von Ottakringer ist ein „CO2-neutral gebraut“-Stempel angebracht.

Elena Crisan

Anmerkung um 15 Uhr: Nach der Berichterstattung ist eine Stellungnahme von Ottakringer eingetroffen. Die Klage des VKI gegen den Mitbewerber Gösser haben wir sehr genau verfolgt und selbst bereits den Entschluss gefasst, auf diese Form der Kennzeichnung in Zukunft zu verzichten, und zwar lückenlos bei allen Produkten. Das Unternehmen hält fest, seit 2022 den Beisatz Emissionen reduziert & kompensiert zu verwenden und die CO2-Emissionen, die während Produktion und Abfüllung anfallen, seit 2005 um 42 Prozent reduziert zu haben.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.