Morgenpost

Herbert Kickl und das Kurz-Kurzzeitgedächtnis der ÖVP

Die ÖVP warnt vor FPÖ-Chef Herbert Kickl, er habe im Innenressort Chaos angerichtet. Nur: damals übte man keine Kritik, sondern unterstützte ihn. Wer A sagt und B tut, wird unglaubwürdig.

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Es ist ein Wunder, dass Herbert Kickl noch keine Hörner gewachsen sind, so oft wie er verteufelt wird. Wie das Amen im Gebet kommen die Warnungen vor der FPÖ vor jeder Wahl – und dass die ÖVP nun wieder einmal gegen ihn ausrückt, zeigt nur, dass der nächste Wahlkampf begonnen hat. Oder dass den Parteien im Sommerloch gerade ein wenig langweilig ist.

Da bezeichnete Bundeskanzler Karl Nehammer Kickl als „Sicherheitsrisiko“. Mit ihm sei „kein Staat zu machen“. Er begründet das mit Kickls Ablehnung von Österreichs Beteiligung an dem europäischen Raketenabwehrsystem Sky Shield. Nehammer hält ihm außerdem vor, den Verfassungsschutz instrumentalisiert und ruiniert zu haben.

Dabei springen ihm gleich Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Innenminister Gerhard Karner bei. In einer Aussendung schreibt Karner: „Die umstrittene Hausdurchsuchung beim damaligen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung unter Innenminister Herbert Kickl im Februar 2018 hat den Verfassungsschutz in Österreich in Trümmer gelegt. Innenminister Gerhard Karner: „Nicht nur diese Aktion beweist: Kickl ist ein Sicherheitsrisiko für Österreich.“ Die Trümmer der Kickl‘schen Zerstörung mussten erst vom damaligen Innenminister Karl Nehammer und in Folge von Innenminister Gerhard Karner beseitigt und sowohl der Verfassungsschutz als auch das Vertrauen in diesen wieder aufgebaut werden.“

Die Rache des Archivs

Manchmal muss man sich schon fragen, wie kurz das Kurzzeitgedächtnis mancher Politiker eigentlich ist. Oder ob man noch immer nicht gelernt hat, dass sich ein Blick in das Archiv auszahlt, bevor man ausrückt. Hätte sich Nehammer an seine eigene Aussendung vom 29. Mai 2018 erinnert, hätte er sich die jüngsten Aussagen vielleicht gespart. Sie trägt den Titel: „Nehammer: Klarstellung zu Aussagen der ÖVP zum BVT – Vorgehen war abgestimmt“. Weiters: „VP-Generalsekretär Karl Nehammer stellt nach den Aussagen von Werner Amon in Zusammenhang mit dem BVT klar: ,Das Vorgehen von Innenminister Herbert Kickl war selbstverständlich mit der neuen Volkspartei abgestimmt und akkordiert. Die Volkspartei übt daher hier keine Kritik am Innenminister.“

Auch wenn der Minister diese Aussendung vergessen hat: Die Beamten des Innenministeriums haben es nicht. Nicht wenige haben sie sich ausgedruckt, als Erinnerung daran, wie wenig man hinter ihnen stand. Man fühlte sich verraten – denn die Razzia im Verfassungsschutz hat ein Amt, aber auch Leben und Freundschaften zerstört. Übriggeblieben ist bis heute davon: nichts. Tatsächlich war es wahnwitzig, was Kickl als Innenminister mit Hilfe einer willfährigen Staatsanwältin (die gerade befördert wurde) rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) aufgeführt hat. Auch sonst waren manche seiner Aktionen wenig staatstragend: Man erinnere sich an den blauen Teppich, der im gesamten Innenministerium ausgerollt wurde. Oder an die geplante Pferdepolizei.

Unglaubwürdigkeitsproblem

Wie und was Kickl ist, ist das Eine: Da gibt es durchaus Dinge, die man kritisieren soll und kann. Das Andere: Im Gegensatz zur ÖVP hat er aber kein Glaubwürdigkeitsproblem. Kickl liegt derzeit in den Umfragen weit vorne, es ist nicht unwahrscheinlich, dass er die nächste Wahl gewinnt. Viele verstehen das noch immer nicht, was ihn so erfolgreich macht. Vielleicht, dass er eben keinen Schlingerkurs fährt, sondern geradeaus marschiert. Wer die Blauen wählt, weiß, was er kriegt. Die ÖVP sollte sich fragen, ob man als Wähler wirklich noch das Gefühl haben kann, sich auf ihr Wort verlassen zu können.

Denn was hat das Volk bisher gelernt? Die ÖVP koalierte mehrfach mit den Blauen auf Bundesebene. Und damit auch das nicht in Vergessenheit gerät: Das war alles andere, als eine Zwangsehe, sondern lange angebahnt und erwünscht.

Zuletzt wurden zwei Koalitionen auf Länderebene mit der FPÖ geschlossen. In der Erzählung der ÖVP hat das freilich nichts mit der ÖVP zu tun – sondern nur mit der SPÖ, die sie angeblich in diese Zwangslage gebracht hat. Auch wenn man das noch so oft wiederholt: Es stimmt einfach nicht. Jeder ist für seine Entscheidungen selbst verantwortlich – und nicht jemand anderer.

Das gilt übrigens für alle Lebenslagen.

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Wir versprechen Ihnen, das ist ein guter Deal – und wir halten unsere Versprechen. Denn Glaubwürdigkeit ist auch unser höchstes Gut.

Ihre

Anna Thalhammer

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.