Morgenpost

In die Arbeit kommt man nun zu spät

Mit der Arbeit - und dem Tag der Arbeit - war immer auch die Hoffnung auf ein besseres Leben verbunden. Ein bröckelndes Bild.

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Keine Sorge, wir wollen weder zum Streik, noch zu Fehlstunden, noch zum Klassenkampf aufrufen. “Die Arbeit nieder!” heißt es diese Woche am Cover, und das ist gar nicht so programmatisch gedacht. Die profil-Redakteurinnen Marina Delcheva und Christina Hiptmayr gehen in ihrer Cover-Geschichte (hier im E-Paper zu lesen) der Frage nach, wie es um das Versprechen steht, dass man sich durch Arbeit etwas aufbauen kann, nämlich Eigentum, Vermögen und soziales Ansehen. Kurz gesagt: Eher schlecht. Und das hat gesellschaftliche Auswirkungen.

Die Arbeit war früher mal etwas Heiliges. “Weu in die Orbeit, in die Orbeit kummt ma net zu spät”, sang der vor einem Jahr verstorbene Willi Resetarits als Ostbahn Kurti über einen pflichtbewussten Hackler, der sich aber selbst ruinierte. Und im “Lied der Arbeit” der SPÖ heißt es “Die Arbeit hoch!”.

Bei der ÖVP würde man wohl von Leistung sprechen. Die “Leistungsträger” sollen mehr von ihrem Geld haben. Arbeit oder Leistung - beide Konzepte fußten auf Hoffnungsbildern, die sich nun nicht mehr ausgehen. Die vielleicht schon länger nicht mehr der Realität entsprechen.

Warum Vollzeit arbeiten, wenn am Ende nichts zum Aufbauen bleibt? 

Um die Arbeit geht es auch in der Debatte um den SPÖ-Vorsitz, Teilzeitfrage und Mindestlohn sind nur zwei zentrale Themen der Debatte.

Dieser 1. Mai steht unter besonderer Beobachtung. Es geht bei diesem “sozialistischen Weihnachten” heuer auch um Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler. Schon einmal wurde der Wiener Rathausplatz zum Kristallisationspunkt innerparteilicher Unzufriedenheit. Werner Faymann musste dies bei seinem letzten Auftritt  im Jahr 2016 dort schmerzhaft erleben. Einige trugen Schilder mit “Werner, der Kurs stimmt”, andere pfiffen den Parteichef aus. Desaströse Bilder für einen Bundeskanzler, der denn auch wenige Tage später zurücktrat. Christian Kern übernahm, verlor seine erste Wahl, und die SPÖ ist seitdem eher glücklos in Opposition. Heute unterstützt Kern nicht seine Nachfolgerin Rendi-Wagner, sondern Hans Peter Doskozil. 

Wie auch immer die SPÖ sich über diesen Tag der Arbeit rettet - profil wird berichten - der SPÖ droht eine dauerhafte Beschädigung, zumindest dem Spitzenpersonal. Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass man da aber auch wieder herauskommen kann. Olaf Scholz unterlag im Kampf um den SPD-Vorsitz und sah sich mit einer deutlich linkeren Parteispitze mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans konfrontiert. Kevin Kühnert wurde Generalsekretär - und dennoch: Man legte einen breiten, geschlossenen Wahlkampf hin und eroberte das Bundeskanzleramt in Berlin wieder für die Sozialdemokraten zurück. Diese Zweiteilung hat auch weiter einen massiven Vorteil, weil Partei- und Staatsamt in der politischen Debatte getrennt agieren können. 

In jedem Fall: Ein geruhsames Wochenende!

Sebastian Pumberger

Sebastian Pumberger

Sebastian Pumberger

war von Jänner 2022 bis Juni 2023 bei profil. Davor war er bei der Tageszeitung "Der Standard".