Morgenpost

Judenhass an Österreichs Schulen: Wir müssen reden

Islamismus und Antisemitismus ist in österreichischen Schulen längst zum Problem geworden. Es ist eine Geschichte des Versagens – und die Linke hat lange weggeschaut.

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Erinnern Sie sich an das Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer: Wie der Islam die Schulen verändert. Bericht einer Lehrerin“ von Susanne Wiesinger? Darin beschreibt die Pädagogin durchaus polemisch die Probleme, die entstehen, wenn streng muslimische Schüler auf ein überfordertes Bildungssystem treffen. Das Buch sorgte bei seiner Erscheinung im Jahr 2019 für Zustimmung und Empörung. Die einen, vor allem rechts der Mitte, lobten Wiesinger dafür, die Wahrheit an die Öffentlichkeit getragen zu haben. Die anderen, vor allem Linke, sahen in ihrem Buch den überzogenen, nicht faktenbasierten Erfahrungsbericht einer Lehrerin mit rassistischem Gedankengut.

Der Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober und die darauffolgenden Bombardements auf Gaza geben nun wieder Anlass für Erfahrungsberichte aus Österreichs Klassenzimmern. Im aktuellen profil beschreibt Clemens Neuhold den in Brennpunktschulen grassierenden Antisemitismus. Lehrer werden damit allein gelassen und müssen sich entscheiden, ob sie gegenhalten wollen oder aus Angst vor Angriffen besser schweigen. Der jüngste Mord an einem Pädagogen in Nordfrankreich dürfte das zweite Lager gestärkt haben.

Gefährliche Parallel-Welt

„Herr Lehrer, sind Sie Jude?“, hat ein Schüler einen Lehrer, mit dem Neuhold gesprochen hat, unlängst gefragt. Der Terrorangriff auf Israel hat den Antisemitismus an Schulen mit hohem Anteil muslimischer Schüler wieder einmal besonders virulent gemacht. Viele Schüler sind für die Pädagogen kaum erreichbar. Sie kommen aus streng muslimischen Communities und beziehen ihre Informationen hauptsächlich über Soziale Medien. Es ist eine gefährliche Parallel-Welt, dominiert von Gewaltvideos, Geschichtsrevisionismus und antisemitischen Parolen.

Österreichs Linke hat das Problem lange nicht erkannt oder wollte es nicht sehen. Das Feld der Migration blieb den Rechten überlassen. Rechte und rechtsextreme Politiker nutzten es geschickt, um Migration zu problematisieren und rassistische Stereotypen zu schaffen. Dabei sollte es gerade ein Anliegen der Linken sein, auf gefährliche Entwicklungen hinzuweisen, wenn es um Themen wie die Gleichstellung der Geschlechter geht, um Rassismus oder Antisemitismus.

Vorbilder gegen Radikalisierung

Die Linke sollte auf Schwierigkeiten hinweisen und Lösungsansätze anbieten. Initiativen für Aufklärung an Brennpunktschulen gibt es bereits. So schickt etwa die private Bildungsinitiative „Teach for Austria“ Experten wie den Geschichtslehrer Nikos Hamah-Said in Schulen. Als Muslim mit irakischen Wurzeln wird er von den Schülern ernst genommen und kann er eine gewisse Vorbild-Funktion erfüllen. Der 29-Jährige klärt die jungen Leute über historische Hintergründe auf und versucht, das Opfer-Narrativ der arabischen, türkischen und tschetschenischen Schüler zurecht zu rücken. Im Klassenzimmer erzählt er von seiner Zeit in Israel und seinen jüdischen und arabischen Freunden.

Die „Fellowships“ der „Teach for Austria“-Lehrer dauern zwei Jahre, danach ziehen die meisten beruflich weiter. Doch das Problem in den Klassenzimmern bleibt. Deswegen braucht es mehr Leute wie Hamah-Said im allgemeinen Schulbetrieb. Damit sie dem Druck standhalten, ist volle Rückendeckung von oben nötig: Bildungspolitische Einrichtungen wie die Bildungsdirektion müssen auf Lehrpersonal eingehen, damit es problematische Entwicklungen aufzeigen und angehen kann.

Nur so kann verhindert werden, dass sich die Fehlerspirale weiterdreht – bis zum nächsten Aufschrei.  

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.