IBIZA-U-AUSSCHUSS: KURZ
Morgenpost

Sebastian Kurz und sein schwieriges Verhältnis zum Parlament

Heute, Mittwoch, beginnt der Prozess gegen Ex-Kanzler Kurz wegen mutmaßlicher Falschaussage vor dem U-Ausschuss. Auch ohne Anklage war sein Verhältnis zum Parlament schon immer ein schwieriges.

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Es gibt zwei Tage und eine Seite, die das Verhältnis von Sebastian Kurz zum österreichischen Parlament am deutlichsten aufzeigen. Der erste Tag ist der 27. Mai 2019, als der Nationalrat das erste Mal in der Zweiten Republik einer Regierung sein Misstrauen aussprach. Kurz saß mit steinerner Miene auf der Regierungsbank und hätte später auf einen Abgeordnetensitz wechseln können. Er aber fuhr zur Politischen Akademie der ÖVP, wo schon jubelnde Funktionäre auf ihn warteten. Die Partei hatte sie zum Teil mit Bussen nach Wien gebracht, um einen ersten Wahlkampfauftakt zu feiern. Das inoffizielle Motto postete Kurz auch auf Facebook: Das Parlament hat bestimmt. Das Volk wird im September entscheiden.“ Sein Mandat im Parlament nahm er nicht an, er wollte „bei den Menschen“ sein. Die Botschaft: Die Volksvertreterinnen und Volksvertreter sitzen nicht im Nationalrat.

Kurz wurde mit den parlamentarischen Gepflogenheiten nie wirklich warm. Seine Welt war die internationale Bühne, das Kanzleramt am Ballhausplatz. Allein ein Blick auf seinen Lebenslauf zeigt, dass der Nationalrat immer nur ein Zwischenschritt war: meistens in die Regierung, zum Schluss in die Politik-Pension. Länger als drei Monate blieb er nie im ÖVP-Klub.

Auch als die ÖVP stärkste Kraft im Nationalrat wurde, blieb die Skepsis. Das Parlament ist die wichtigste Bühne der Opposition, und sie nützte sie auch. Am 24. Juni 2020 lud sie Kurz in den Ibiza-Untersuchungsausschuss. Das ist der zweite Tag, der sinnbildlich für sein Verhältnis zum Parlament steht: Die Stimmung war angespannt, nicht nur bei Kurz, aber eben auch. Man wurde patzig, Kurz wurde grantig, er antwortete kaum, ausweichend, mutmaßlich vorsätzlich falsch oder unvollständig - dieser Vorwurf wird am heutigen Mittwoch im Landesgericht Wien behandelt. Dort startet das Gerichtsverfahren gegen Kurz (und andere) zur mutmaßlichen Falschaussage im Parlament. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat in ihrem schriftlichen, über 100 Seiten umfassenden Strafantrag die Befragung von 18 Zeuginnen und Zeugen im Rahmen der Hauptverhandlung beantragt. Am Freitag findet der zweite Prozesstag statt, wie viele es insgesamt werden, ist noch offen. Kurz hat seine Verteidigungslinie schon vorab dargelegt.

Investigativ-Chefreporter Stefan Melichar wird aus dem Gerichtssaal berichten, und für alle, die den Überblick verloren haben: Max Miller skizziert hier die Zeitleiste vor und nach Ibiza. Chefredakteurin Anna Thalhammer gibt mit Melichar hier einen Überblick über die Ermittlungen abseits der Falschaussage.

Die Seite, die Kurz' Verhältnis zum Parlament aufzeigt, stammt übrigens aus dem Buch von Krone-Journalistin Conny Bischofberger und Kurz selbst: Dort schreibt er: Ich habe das Parlament als einen Ort mit sehr viel negativer Energie erlebt.

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.