Ferkel in einem Stall mit Spaltenboden
Morgenpost

Schnitzel-Teuerung und der Kulturkampf am Fleischregal

Ein Urteil des Verfassungsgerichts könnte das Schnitzel teurer machen. Eine Chance für Fleischersatz oder lachende Dritte?

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An den Supermarktkassen, beim Fleischhauer und im Wirtshaus droht der Kundschaft ein erneuter Griff ins Geldbörserl. Das Verfassungsgericht urteilte Anfang der Woche, dass 17 Jahre Übergangsfrist bis zur Abschaffung sogenannter Vollspaltenbuchten in der Tierhaltung unzulässig seien. Damit dürfte das Kulturgut Schnitzel teurer werden, manche sehen es gar in Gefahr. 

Die als Vollspaltenböden bekannten Installationen sind durchlässige Böden in Ställen. Dadurch werden die Tierfäkalien direkt in darunterliegende Jauchegruben eingeleitet. Die Reinigung ist damit ebenfalls schnell zu bewerkstelligen.

Verbraucher tragen Mehrkosten

Lästiger Nebeneffekt ist einzig, dass wissenschaftlichen Studien zufolge vor allem bei Schweinen dadurch schneller Gelenkentzündungen auftreten. Bis zur Schlachtung leben die Tiere deswegen oft krank und gestresst. Zusätzlich klemmen sich die Tiere regelmäßig ihre Gliedmaßen in den Spalten ein, wodurch es zu Verletzungen und Knochenbrüchen kommen kann. Nun muss der Gesetzgeber neue Regeln auf den Weg bringen, um für das Tierwohl zu sorgen, ansonsten drohen Bauern ab Juni 2025 Strafen. Doch Umrüstungen kosten Geld. Ebenso müssen mit Stroh ausgelegte Ställe öfter gereinigt werden. Die Mehrkosten werden dann wohl die Verbraucher tragen, heißt es vom österreichischen Bauernbund. „Wer Tierwohl fordert, muss auch bereit sein, das zu bezahlen.“ Das Filet vom Schweinderl kostet dann aller EU-Subventionen zum Trotz mehr, zumindest wenn es in Österreich produziert wurde. Auch mit großem Tamtam verabschiedete Förderungen, wie die Wirtshausprämie, dürften daran wenig ändern.

Ungleicher Wettbewerb

Problematisch für die heimischen Bauern könnte sich zudem die Konkurrenz aus dem Ausland erweisen. In anderen EU- und Nicht-EU-Ländern gelten teils deutlich niedrigere Standards für den Tierschutz. Da bislang einheitliche Regeln fehlen, ist der Konkurrenzkampf ungleich. Die Auflagen sorgen allerdings auch innerhalb Österreichs für eine mangelhafte Balance. Für Großbetriebe mit hohen Umsätzen ist die Investition leichter zu stemmen als für Kleinbauern, die es am Markt schwerer haben. Bauernbund und Landwirtschaftskammern analysieren nun, wie die Interessen der Landwirte gewahrt und „die Versorgungssicherheit der Bevölkerung“ garantiert werden können. Ob das Schnitzel als für die Versorgungssicherheit wesentliches und unabdingbares Nahrungsmittel gilt, ist indes fraglich. Anders als bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts stehen den Verbrauchern heute vielerlei Möglichkeiten zur Verfügung, um nicht selbst vom Fleisch zu fallen.

Veränderung oder Umwege

Vielleicht würde die Verteuerung des Schnitzels Ersatzprodukte attraktiver machen, die echte Fleisch-Fans bislang eher meiden. Abgesehen vom Preis, stehen dem veganen Schnitzel vielmehr politische Diskurse im Weg. In fleischfreien Schnitzeln wittern manche den Untergang des Abendlandes und sehen sich in ihrer Entscheidungsfreiheit bevormundet. Dabei kommen Geschmack, Textur und Nährwerte dem „Original“ meist schon sehr nah.

Gleichwohl wirkt es naiv, die Konsumenten für den Schutz der heimischen Landwirtschaft und des Tierwohls in die Pflicht zu nehmen. Gerade auch in Zeiten von Inflation und Teuerung richtet sich die Nachfrage nach dem Angebot. Bei einem Blick ins Fleischregal schauen die meisten als Erstes auf den Preis und nicht, ob das nun tote Lebewesen vorher sein Dasein in einem polnischen, serbischen oder österreichischen Stall fristete. An den veganen Schnitzeln wird man wohl auch künftig, wie gewohnt, vorbeigehen können.

Moritz Gross

schreibt im Rahmen des 360° JournalistInnen-Traineeship für profil.