Morgenpost

Schwappt der Agrarprotest nach Österreich?

Die FPÖ wagt heute das Experiment, die Berliner Bauernproteste in Wien zu kopieren. Mit einer großen Teilnahmebereitschaft ist eher nicht zu rechnen.

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Die deutschen Bauern streiken. Auf dem ersten Blick hat das wenig mit Österreich zu tun. Doch die FPÖ versucht offenbar jede Möglichkeit zu nutzen, um gegen die türkis-grüne Regierung zu opponieren. 

Um gegen das geplante Ende von Diesel-Steuervergünstigungen zu protestieren, gingen Landwirte in Deutschland in Scharen auf die Straßen. Zuletzt ruderte die deutsche Regierung leicht zurück und stellte Erleichterungen für Bauern in Aussicht. Bürokratie-Abbau und die Finanzierung von Stallumbauten sollen wohl die Gemüter besänftigen – doch so leicht lassen sich die aufgebrachten Landwirte nicht besänftigen. 

Mit Protestpotenzialen kennen sich die FPÖ-Strategen aus. Nun hoffen sie, das der deutsche Bauernfrust nach Österreich überschwappt.

Lässt sich der Protest importieren?

FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst und FPÖ-Landwirtschaftssprecher Peter Schmiedlechner kommunizierten am Montag in einer Presseaussendung ihre „volle Unterstützung“ für die Anliegen der deutschen Bauern. Diese zeigten sie auch vor Ort und nahmen "an der Seite zahlreicher AfD-Politiker rund um die Bundessprecherin und Fraktionsvorsitzende Alice Weidel an der Kundgebung teil."

Die Traktorkolonnen haben die Partei wohl inspiriert, so meldete sie auch am Wiener Ballhausplatz eine Kundgebung an. Heute um 13 Uhr ruft die FPÖ auf Facebook im Namen der „österreichischen Bäuerinnen und Bauern“ zum Protest auf. Das Motto lautet „Zukunft unserer Landwirtschaft“. In der dazugehörigen WhatsApp-Gruppe haben sich zum Redaktionsschluss 150 Mitglieder vernetzt, die FPÖ geht von 200 bis 300 Teilnehmer aus – besonders viele Anhänger findet dieses blaue Anliegen also noch nicht. Im Vergleich dazu zählten die deutschen Behörden zuletzt 30.000 Demonstrierende in Berlin.

Anders als in Deutschland werden die Interessen der Bauern in Österreich traditionell gut vertreten. Der ÖVP-Bauernbund dominiert das Landwirtschaftsministerium, mit einer kurzen Unterbrechnung der Expertenregierung, seit Jahrzehnten. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner war zuvor neun Jahre lang Direktorin des Niederösterreichischer Bauernbunds. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig war bis zu seinem Amtsantritt Direkor des Österreichischen Bauernbundes. Und 22,5 Prozent der ÖVP-Abgeordneten im Nationalrat sind Bauernbündler.

Entsprechendes Gehör finden die Anliegen der Landwirte auch in der Bundesregierung.

„Die FPÖ instrumentalisiert die Bauern für ihre Parteizwecke“, beklagen die schwarzen Bauern und distanzieren sich von „Wahlkampfspielchen der Freiheitlichen auf Kosten der Bäuerinnen und Bauern.“

Es sei besser, seine Meinung in den zuständigen Gremien zu vertreten, als auf der Straße zu diskutieren, führt der Bauernbund weiter aus. Gemeint ist die Landwirtschaftskammer.

Wie viele Frustrierte die Freiheitlichen heute mobilisieren können, muss sich erst zeigen.

Parallelen zu Klimaklebern

Die FPÖ könnte aus anderen Gründen in Erklärungsnot kommen, denn die Polizei erwartet bei den An- und Abreise der Traktoren zum Ballhausplatz durchaus Verkehrsbehinderungen. Die Klimakleber hatte FPÖ-Verkehrssprecher Christian Hafenecker kürzlich für das “Verursachen von Verkehrschaos und der Inkaufnahme der Gefährdung von Menschenleben” verantwortlich gemacht.

Ob das auch für die Traktorfahrer gilt?

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.