Arbeitsrecht

GPA will All-in-Verträge für Nicht-Führungskräfte verbieten

Quer durch alle Branchen setzen Arbeitgeber vermehrt auf All-in-Verträge. Für Angestellte birgt das Gefahren, etwa die Nichtbezahlung geleisteter Stunden, bemängelt GPA-Chefin Teiber. Sie drängt erneut auf eine Gesetzesverschärfung.

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Ein häufiges Szenario bei Neueinstellungen sieht so aus: Angestellte bekommen einen All-in-Vertrag angeboten, die Entlohnung sieht aut auf den ersten Blick um einige hundert Euro besser aus, als es nach dem Kollektivvertrag branchenüblich wäre – die Unterschrift folgt rasch. Später müssen die Angestellten aber feststellen: Dividieren sie ihr Jahresgehalt durch alle geleisteten Stunden inklusive Überstunden, verdienen sie pro Stunde sogar weniger als im Kollektivvertrag festgelegt.

Aus Sicht der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) nehme die Vergabe von All-in-Verträgen mittlerweile “überhand”. Früher habe man nur Führungskräften und hochqualifiziertem Personal einen solchen Vertrag angeboten, heute sei das die Regel, auch im niedrigeren Einkommenssegment. Betroffene gebe es quer durch die Branchen, wobei in der Industrie, im IT-Sektor und im Handel „extrem viele All-in-Verträge vergeben“ würden, beobachtet die GPA.

GPA fordert Einschränkungen

GPA-Chefin Barbara Teiber fordert gegenüber profil, dass All-in-Verträge nur noch mit Führungskräften vereinbart werden dürfen, die mehr als 6060 Euro brutto im Monat verdienen. Menschen in Führungspositionen hätten „andere Möglichkeiten, für ihre Rechte einzutreten“, erklärt Andrea Komar, Leiterin der GPA-Bundesrechtsabteilung. Die All-in-Grenze soll an der Höchstbemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge gekoppelt sein. „Uns geht es um den Schutz vieler Beschäftigter, denen suggeriert wird: Du hast jetzt einen All-in-Vertrag und musst bis zum Umfallen arbeiten“, sagt Teiber.

Weiters fordert die GPA, dass Angestellte die freie Wahl zwischen All-in-Vertrag und Entlohnung auf Einzelstundenbasis haben sollen. Das bedeute, „dass sie auch aus einem bestehenden All-in-Vertrag jederzeit aussteigen können müssen”. Bis dahin rät Komar den Beschäftigten, Verträge mit einer All-in-Klausel vor der Unterzeichnung in jedem Fall von der Gewerkschaft prüfen zu lassen. Oftmals könne eine höhere Überzahlung verhandelt werden.

Wer einen All-in-Vertrag hat, dem werden die Überstunden pauschal abgegolten. Zusätzlich kann aber auch vereinbart werden, dass etwaige Spesen für Dienstreisen in der Pauschale inkludiert sind. Beschäftigte, die in der Firmenhierarchie weiter unten stehen, würden ihre Ansprüche „aus Unwissenheit oder Furcht vor Konsequenzen nicht einfordern“, so Teiber. Das sei problematisch, denn: „Im schlimmsten Fall werden Stunden gearbeitet, die nicht bezahlt werden.“

Nachträgliche Auszahlung möglich

Damit sich Arbeitnehmer im Klaren darüber sind, ob sie mehr Überstunden geleistet haben, als ihnen pauschal abgegolten wurde, muss der Arbeitgeber jährlich eine sogenannte Deckungsprüfung vornehmen. Stellt sich dabei heraus, dass mehr als die abgegoltenen Überstunden geleistet worden sind, ist die Differenz nachzuzahlen. 

Umgekehrt schulden Arbeitnehmer dem Unternehmen nichts, wenn weniger Überstunden geleistet werden, als im All-in-Vertrag vorgesehen. Wichtig sei hierbei darauf zu achten, so Juristin Komar, dass alle abgedeckten Leistungen genau im Vertrag angeführt werden.

Die jährliche Deckungsprüfung muss im Handel laut Kollektivvertrag in jedem Fall vom Arbeitgeber vorgelegt werden, unabhängig vom Ergebnis – das fordert die GPA nun für alle Branchen.

Arbeitsaufzeichnungen selbst führen

Die Wirtschaftskammer (WKO) sieht das Thema naturgemäß weniger problematisch und argumentiert mit einem höheren Durchschnittsverdienst. All-in-Verträge seien “viel besser als ihr Ruf”, schreibt die WKO auf ihrer Webseite. Der Grund für die Kritik an All-in-Verträgen liege „oft in der subjektiven Wahrnehmung“. Überstunden, die durch das All-in-Entgelt bereits abgegolten wurden, würden dann fälschlicherweise als „unbezahlt“ bezeichnet. Übersehen werde, dass in auftragsschwachen Monaten keine oder nur vereinzelt Überstunden anfallen und die Überzahlung trotzdem überwiesen wird.

Diese Fälle gibt es. Über jene Arbeitnehmer, die mit All-in-Klauseln um einen Teil ihres Lohnes geprellt werden, redet die WKO freilich nicht so gerne.

Das Arbeitsministerium unter dem von der ÖVP nominierten Martin Kocher sieht derzeit keinen Änderungsbedarf: „Es sind uns keine Probleme mit den derzeit geltenden Regelungen bekannt“, heißt es auf profil-Anfrage.

Für eine Überarbeitung des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVVRAG), welcher die Vorschriften über das Entgelt bei All-in-Verträgen regelt, hat die Gewerkschaft also noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. 

Die Gewerkschaft rät bei allfälligen Problemen, zuerst einen Beratungstermin zu vereinbaren, bevor Beschäftigte ihren Chef selbstständig konfrontieren. Und verweist für einen ersten Überblick auf den überarbeiteten All-in-Rechner.

Ein letzter Tipp: Arbeitsrechtsexperten empfehlen allen Angestellten, eine Arbeitsaufzeichnung zu führen, auch und gerade jenen mit All-in-Vereinbarung. Damit haben Betroffene vor dem Arbeitsgericht selbst dann noch ein Ass im Ärmel, wenn sie „all in“ gegangen sind. Denn die Stundenlisten können als Beweismittel gewürdigt werden.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.