Morgenpost

Soll man die AfD verbieten?

Was dagegen spricht? Eigentlich so gut wie alles.

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Die Aufregung ist groß: In diesem Jahr wird in Deutschland, der größten Volkswirtschaft Europas, bei drei Landtagswahlen eine Partei kandidieren, die entweder vom dortigen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird (Sachsen, Thüringen) oder wegen dieses Verdachts beobachtet wird (Brandenburg): die AfD. Mehr noch, in allen drei Bundesländern liegt die Partei von Alice Weidel und Tino Chrupalla in Umfragen auf Platz Eins. Es ist nicht verwunderlich, dass viele in unserem Nachbarland beunruhigt sind. Auch in gesamtdeutschen Umfragen liegt die AfD hinter der CDU/CSU stabil auf Platz Zwei.

Kann eine – zumindest in Teilen – rechtsextreme Partei ungehindert bei Wahlen kandidieren und in weiterer Folge vielleicht sogar Regierungsämter bekleiden? Wie passt das zur Maxime der „wehrhaften Demokratie“, die vor ihren Feinden nicht klein beigibt? Um es deutlicher zu formulieren: Warum verbietet man die AfD nicht einfach?

Nicht nur in Deutschland, auch in Frankreich ist diese Idee schon mehrfach aufgetaucht (dort geht es um die Partei Rassemblement National von Marine Le Pen), und in den USA laufen Verfahren, um Donald Trump von den Stimmzetteln der Vorwahlen zu streichen (Mehr dazu hier).

Drei Fragen drängen sich auf: Geht das? Wäre das nicht undemokratisch? Und: Was bringt es?

Die Antwort auf die erste Frage lautet: Ja, aber die rechtlichen Hürden sind enorm. Es genügt nicht zu beweisen, dass eine Partei verfassungsfeindliche Inhalte in ihrer Agenda hat, sie muss auch laut Bundesinnenministerium erwiesenermaßen versuchen, diese „in aktiv-kämpferischer, aggressiver Weise“ umzusetzen.

Ob ein Verbot der AfD undemokratisch wäre, ist naturgemäß strittig. Die Entscheidung ist der Sphäre der Politik entzogen, sie wird vom Bundesverfassungsgericht gefällt. Doch der Antrag auf ein Verfahren wird von Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung gestellt. In jedem Fall stellt ein Verbot einen drastischen Eingriff in die politische Landschaft dar, gerade wenn es sich um eine so erfolgreiche Partei wie die AfD handelt.

Was also bringt ein Verbot? Im schlimmsten Fall den gegenteiligen Effekt. Ein Verbotsverfahren kann zunächst Funktionäre und Anhänger motivieren, sich erst recht für ihre Partei einzusetzen. Die Opferrolle macht sie zudem sympathisch. Die AfD kann argumentieren, dass ein solches Verfahren ein Anschlag auf das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit sei.

Weil der Prozess sehr lange dauern kann, wären die kommenden Wahlen nicht davon betroffen, die AfD könnte ungehindert antreten. Schließlich ist ein komplettes Verbot der gesamten Bundespartei einigermaßen unwahrscheinlich, und einen Freispruch würde die AfD wie ein Gütesiegel vor sich hertragen.

Der wichtigste Einwand kommt zum Schluss: Selbst, wenn man eine Partei verbieten kann, hat man damit noch längst nicht deren Ideen beseitigt. Diese scheinen im Fall der AfD derzeit von rund einem Viertel der Wähler für gut befunden zu werden, und wenn das so bleibt, wird eine andere Partei sie vertreten. Das zu ändern, ist eine politische Aufgabe, keine der Justiz.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur