CYCLING-TDF-2025-STAGE 15

Stark im Anstieg

Wie halten Sie es mit dem Doping bei der Tour de France?

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Heute Nachmittag steht der „Riese der Provence“ auf dem Programm, und er ist gewiss kein freundlicher Gigant. In ihrer 16. Etappe sieht die Tour de France eine Fahrt von Montpellier bis zum Mont Ventoux vor, das heißt: Nach mehr als 150 Kilometern Radrennen im Affentempo müssen die Fahrer bis zur Bergankunft auf 1900 Metern Seehöhe noch einmal knapp 16 Kilometer lang bergauf radeln - bei einer durchschnittlichen Steigung von 8,8 Prozent. Höhenmeter insgesamt an diesem Tag: 2950.

Streckenprofil der 16. Etappe

Man könnte da schon ins Schnaufen kommen, selbst wenn man nicht aufs Tempo schauen müsste, was den Fahrern heute Nachmittag allerdings nicht vergönnt sein wird. Sie werden also ihr Affentempo auch im Anstieg nach Möglichkeit beibehalten. Allein, es wird nichts nützen: Dass der Führende in der Gesamtwertung, der slowenische Weltmeister Tadej Pogacar, auf dieser Königsetappe sehr viel Zeit verliert, darf als ausgeschlossen gelten. Pogacar überragt die Konkurrenz in diesem (wie schon im letzten) Jahr dermaßen, dass schon lange niemand mehr an seinem Tour-Sieg zweifelt, und dass, zweitens, die einschlägigen Spekulationen gerade wieder einmal ziemlich stark im Anstieg sind. 

Übernatürliche Kräfte?

Kann die Dominanz des 26-jährigen mit natürlichen Mitteln – Trainingsplan, Topform, Spitzenteam – erklärt werden? Oder muss man sich fragen, warum die aktuelle Radrennfahrergeneration die Rekorde der Doping-Ära bricht, als wäre gar nichts dabei? Sicher: Sowohl bei der Rad-Technik, als auch in der Trainings- und Ernährungswissenschaft wurden seither erhebliche Fortschritte gemacht. Trotzdem zeigen sich nicht nur die üblichen Social-Media-Skeptiker skeptisch. Der CEO des Lotto Cycling Teams, Stephane Heulot, erklärte dem französischen Fachblatt „L’Equipe“ schon bei der letztjährigen Tour: „Man muss immer zweifeln.“ Die Zweifel sind seither nicht kleiner geworden. Die Tageszeitung „Le Télégramme“ zitierte einen anonymen Fahrer, der die Stimmung auf den hinteren Rängen zusammenfasste: „Natürlich hegen die Fahrer Verdacht.“ Nicht einmal Lance Armstrong, der seine sieben Tour-Titel wegen nachgewiesener Doping-Vergehen zurückgeben musste, konnte die fabelhafte Dominanz des Tadej Pogacar (der Armstrongs persönlichen Rekord im Anstieg auf das Plateau de Beille vor einem Jahr um sage und schreibe sechs Minuten unterboten hatte) in seinem Podcast besser erklären als mit einer zugegeben schönen Tautologie: „Tadej macht Tadej-Dinge“. Persönlicher Nachsatz mit Blick auf die eigene Performance: „Das gibt dir ein beschissenes Gefühl.“

Mit welchem Gefühl Sie sich die 16. Etappe der diesjährigen Tour de France ansehen, wollen wir Ihnen gar nicht vorschreiben. Aber wir haben einen Vorschlag: Genießen Sie die Landschaft, und dass Sie da selber nicht hinaufmüssen.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur. Ist seit 2020 Textchef und seit 2025 stellvertretender Chefredakteur dieses Magazins.