Ausland im Inland

Das neue Islamgesetz könnte umgangen werden.

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Im Februar 2015 war Mehmet Görmez einigermaßen erzürnt. Das vom österreichischen Parlament beschlossene Islamgesetz gefährde "Einheit und Existenz der Muslime“. Die Stimme des Mannes hat Gewicht, vor allem in der Türkei von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, wo Görmez die staatliche Religionsbehörde Diyanet mit 100.000 Mitarbeitern leitet. Auch in der österreichischen Vorfeldorganisation der Diyanet, der Türkisch Islamischen Union (ATIB), wurde Kritik laut. Der Versuch des österreichischen Gesetzgebers, "einen Islam österreichischer Prägung zu schaffen“, verkenne "das eigentliche Bedürfnis nach Förderung religiöser Vielfalt und gegenseitigem Respekt“.

Seit April 2015 ist das neue Islamgesetz in Kraft. Dessen viel diskutiertes Kernstück: Imame und Moscheen dürfen nicht mehr von ausländischen Quellen finanziert werden. Ob sich dadurch tatsächlich ein eigenständiger Austro-Islam entwickelt, bleibt fraglich. Denn dank gefinkelter Konstruktionen können die strengen Regeln umgangen werden.

Dass sich ATIB durch das Islamgesetz besonders herausgefordert fühlt, ist kein Wunder. Zu dem Dachverband zählen österreichweit mehr als 60 Moscheen. Viele der dort tätigen Imame aus der Türkei wurden bisher von Diyanet bezahlt. Zumindest ein Fall eines Vorbeters ist bekannt, der Österreich aufgrund des Islamgesetzes verlassen musste. Laut "Kurier“ handelte es sich um den Imam einer ATIB-Moschee bei Lilienfeld, dessen Aufenthaltsgenehmigung im Februar 2016 nicht verlängert wurde.

Bei "unzulässiger Finanzierung aus dem Ausland" kein Aufenthalt

Die zuständigen Landesbehörden waren im Jänner per Rundschreiben des Innenministeriums angewiesen worden, bei Aufenthaltsgenehmigungen zu prüfen, "wie und woher der islamische Seelsorger seinen Lebensunterhalt bestreiten wird“. Liege eine "unzulässige Finanzierung aus dem Ausland“ vor, sei der Antrag auf Aufenthalt abzuweisen. Wie viele Aufenthaltsgenehmigungen bisher abgelehnt oder nicht verlängert wurden, ist unbekannt. Weder Innenministerium noch das im Kanzleramt angesiedelte Kultusamt noch Integrationsministerium verfügen über entsprechende Zahlen. Laut Angaben aus Regierungskreisen sei es noch zu früh, eine erste Bilanz zu ziehen. Erst im Frühjahr könne man überprüfen, ob und wie das Islamgesetz wirke. Viele ATIB-Imame dürften Österreich mittlerweile freiwillig verlassen haben.

In der Praxis könnte der Nachweis einer Finanzierung aus dem Ausland schwierig sein. Denn laut dem Rundschreiben des Ministeriums ist es "grundsätzlich unbedenklich, wenn das Gehalt von einem Dritten - z. B. einem Unterstützungsverein oder einer Stiftung - ausbezahlt wird, sofern diese Einrichtung im Inland angesiedelt ist“. Liefert das BMI damit ungewollt eine Anleitung zur potenziellen Umgehung des Islamgesetzes?

Geldflüsse nicht immer nachvollziehbar

Dass Geldflüsse im Zusammenhang mit Religionsprojekten nicht immer leicht nachvollziehbar sind, zeigt der Bau einer islamisch-türkischen Schule in Wien. 2014 wurde durch einen Bericht des türkischen Erziehungsministeriums bekannt, dass im 11. Gemeindebezirk, Simmering, eine Art Oberstufengymnasium mit Religionsschwerpunkt nach türkischem Vorbild errichtet werden sollte. Die lokale FPÖ organisierte flugs Demos gegen den Bau. Aufgrund der Debatten wurde das Projekt zunächst unterbrochen. Inzwischen ist das Gebäude beinahe fertig gestellt, allerdings ohne offizielle Unterstützung türkischer Regierungsstellen. Als Bauträger firmiert die Muslimische Arbeiter Union Wien, laut Vereinsregister an derselben Adresse gemeldet wie die Islamische Föderation Eyüp Sultan, die ihrerseits Teil der Islamischen Föderation Wien ist, einer der größten türkisch-islamischen Gruppierungen mit 11.000 Mitgliedern in Wien und Umgebung.

Laut einem Sprecher der Föderation stamme das Geld für den Bau und den zukünftigen Betrieb des Projekts in Simmering aus privaten Spenden der Mitglieder und keinesfalls aus der Türkei; der ursprüngliche Plan einer Schule mit Religionsschwerpunkt sei nicht mehr aktuell. Wie das Gebäude genutzt werde, solle in Absprache mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft und dem Bezirk demnächst festgelegt werden. Dass seine Organisation mit der islamistisch-nationalistischen Milli-Görüs-Bewegung in Deutschland zusammenarbeitet, räumt der Sprecher ein; die Kooperation beschränke sich aber auf einzelne Projekte. Milli Görüs habe zudem in den vergangenen Jahren einen liberaleren Kurs eingeschlagen. An das neue Islamgesetz werde sich die Islamischen Föderation uneingeschränkt halten.

Juristisch wurde es allerdings bekämpft: Wie die Glaubensbrüder bei ATIB und anderen Muslim-Organisationen brachte die Föderation das Islamgesetz vor den Verfassungsgerichtshof. Im März heurigen Jahres wies das Höchstgericht die rund 60 Anträge aus formalen Gründen als unzulässig zurück.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.