GRENZÜBERGANG BRENNER: Mit zehn MIllionen Autos und zwei Millionen Lkw im Jahr die wichtigste Nord-Süd-Route

Brennpunkt Brenner: Ein Besuch diesseits und jenseits der Grenze

Ein seltsamer Nicht-Ort, eine Grenze mit blutiger Vergangenheit, der meistbefahrene Pass in den Alpen: Hier will Österreich Flüchtlinge und Migranten auf ihrem Weg in den Norden anhalten. Eine Reportage diesseits und jenseits von Brenner/Brennero.

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Hier ist nichts normal, und das ist auch schon das Einzige, auf das sich alle mühelos einigen. Brenner, so heißt der seltsame Nicht-Ort, ohne Blasmusik und eigene Feuerwehr, durch den jedes Jahr Abermillionen von Menschen fahren, in dem aber kaum jemand wohnen will. Die Italiener hängen ihm ein "o“ an, das macht ihn nicht weniger trostlos. Brennero heißt auch der 1370 Meter hoch gelegene Pass im östlichen Alpenhauptkamm und die Staatsgrenze mit ihrer wechselhaften, blutigen Vergangenheit. Nun schaut Europa auf "den Brenner“. Österreich errichtet hier einen Zaun, um den Strom der Menschen, die in den wohlhabenden Norden drängen, in geordnete Bahnen zu lenken. Oder um ihn aufzuhalten?

Wie sich der Wink mit dem Zaun vor Ort auswirkt, was er in den Köpfen und Herzen von Menschen auslöst, hängt stark davon ab, von welcher Seite man auf Brenner/Brennero schaut und mit wem man spricht. Am besten beginnt man am Bahnhof.

Der Bahnhof

Auf den Geleisen warten Güterwaggons mit den Aufschriften internationaler Speditionen. Der Wind bläst von Norden. Drei vor Kälte zitternde Männer hantieren am Fahrscheinautomaten: Syrer, wie sich herausstellt, die über den Sudan, Libyen und Italien gekommen sind. Aus dem blauen Mannschaftsbus, der vor dem Gebäude parkt, klettern Carabinieri. Beamte in den Uniformen der Finanzpolizei, der Gendarmerie und der "Celere“, einer schnellen Eingreiftruppe aus Padua, strömen herbei. Ein Dutzend ist es bald. Der Ältere der Syrer, er ist um die 60, zeigt einen zerknitterten Zettel wie einen Passagierschein. Ein Köpfeschütteln und Schulterzucken beginnt. Ängstlich und verwirrt schauen die Flüchtlinge um sich: "Taxi?“, "Saarbrücken?“, "How much?“

Der Zug aus Verona hat sich angemeldet. Nun tauchen Soldaten in Kampfmontur auf. Über fast kindlichen Gesichtern thronen steife, nach hinten gerutschte Hüte, die mit einer Blume verziert sind. Es sind Gebirgsjäger. Einer hebt sein Maschinengewehr und legt den Finger neben den Abzug, als der Zug aus Italien einfährt. Zwei Flüchtlinge steigen aus. "Italien hat die Ordnungskräfte auf 40, 50 Mann aufgestockt“, erzählt Monika Weissensteiner, eine Anthropologin aus Südtirol, die seit zwei Jahren das Geschehen am Bahnhof beobachtet. Die Syrer stehen jetzt auch am Bahnsteig und telefonieren, kurz darauf sieht man sie mit hängenden Schultern in einem Haus gegenüber verschwinden. Freiwillige Helfer werden versuchen, ihnen zu erklären, wie es um sie bestellt ist. Ein Polizist schaut ihnen nach. Seine beiläufige Bemerkung würde besser zu einem der Reporter passen, die sich in diesen Wochen am Brenner einfinden: "Hier kann man gerade Europa scheitern sehen.“

Der Zugbegleiter

Für den Schaffner aus Innsbruck ist der Brenner ein Zwischenstopp, der für mehrere Zigaretten reicht. Im kurzärmeligen Hemd steht die imposante, weißhaarige Gestalt auf dem zugigen Bahnsteig. Es hat knapp über null Grad, in Bozen waren es frühlingshafte 20 Grad. "Vor einem Jahr waren in jedem Zug 80 oder 100 Flüchtlinge. Erst waren es Familien und Kinder, wirklich arm, dann immer mehr junge Männer, alleine.“ Ständig seien die Klos ausgefallen, bei jeder Station gingen die Diskussionen los: "Da wird man irgendwann müde.“ Einem habe er das Leben gerettet, "nichts Großes, ein Zufall“. Ein Flüchtling habe sich den Spalt zwischen zwei Waggons gezwängt. In der nächsten Kurve wäre er zerquetscht worden. Der Zug sei gerade noch gestoppt worden. Und der Mann? "Schwer verletzt, aber wenigstens nicht tot.“ Der Schaffner muss weiter nach Innsbruck. Die beiden Männer, die heute am Brenner aus seinem Zug geholt und von Beamten abgeführt wurden, sind nirgends zu sehen.

Die Vertreterin der Erasmus-Generation

Ein sparsames Lächeln, ein kurzes Nicken, ein "Hallo“ im Vorbeigehen. Zumindest vom Sehen kennt Monika Weissensteiner das gesamte Personal, das zum Brenner gehört: Carabinieri, Eisenbahner, Verkäuferinnen. Die 33-Jährige hat aufgehört, die Stunden zu zählen, die sie damit verbracht hat, das "Pingpong mit den Menschen“ in all seinen Schattierungen zu beobachten. Bordermonitoring nennt sich das von einer Stiftung unterstützte Projekt. Sie registriert Rückschiebungen, gemeinsame Patrouillen von italienischen, österreichischen und deutschen Polizisten und neuerdings die Präsenz der Ordnungsmacht. Nur wenige Flüchtlinge kommen bis in den Grenzort, die meisten werden in Verona oder Bozen aus den Zügen geholt.

Das ist eine neue Wendung in der Chronik des seit dem Mittelalter frequentierten Alpenpasses. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges zogen hier Scharen von Flüchtlingen drüber, später Tiroler, die vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges für Hitler "optierten“, ab 1943 Juden auf dem Weg ins Vernichtungslager, nach 1945 hochrangige Nazi-Mörder, SS-Bonzen, KZ-Schergen und Gauleiter auf dem Weg nach Südamerika, in den 1960er-Jahren waren es italienische Wanderarbeiter auf der Suche nach Arbeit in Deutschland. Und immer wieder Flüchtlinge. Anfang der 1990er-Jahre kamen sie aus Bosnien, 2015 aus Syrien, Eritrea und Somalia. Bis zu 3000 waren es im Monat, über 26.000 auf das Vorjahr verteilt.

Was bedeutet die Brennergrenze für die Südtirolerin? Bei Begriffen wie "Identität“ oder "Unrechtsgrenze“ zieht Weissensteiner die Augenbrauen hoch. "Ich liebe die Berge“, sagt sie. Es klingt eher ironisch als pathetisch. Sie sei "Erasmus Generation“, aufgewachsen in Europa, habe in fünf Ländern studiert, in Lateinamerika und den USA gearbeitet. Das ehemalige Grenzhaus in Brenner ist jetzt eine Vitrine für Zillertaler Trachten, an der Fassade hängt ein Europa-Schild, auf das jemand "Welcome“ gesprayt hat. Es gilt den "refugees“. Vis-à-vis hebt sich ein kirschrot angemalter Turm vor einem schneeweißem Bergpanorama ab. "Benvenuto! Willkommen!“ steht darauf, ein Gruß an die Kunden des 2007 eröffneten Outlet Center, das passenderweise "Terranova“ heißt, neue Erde. "Der Brenner ist ein Ort, der das Bewusstsein dafür schärft, dass die Bewegungsfreiheit ein unfair verteiltes Gut ist“, sagt Weissensteiner.

Der Bürgermeister auf der italienischen Seite

Franz Kompatscher, seit 2009 Bürgermeister von Brenner, gefällt die Entwicklung gar nicht. Er ist Jahrgang 1956 und erinnert sich lebhaft an die Zeit, als hier eine mit Sandsäcken verbarrikadierte Grenze verlief, bewacht von grimmigen Zöllnern. In den 1970er-Jahren verdienten sich die Einheimischen goldene Nasen, weil sonnenverbrannte Adria-Urlauber hier ihre letzten Lire für Mortadella, Benzin und Krimskrams ausgaben. Am Abend stopften Geschäftsleute und Tankstellenpächter das eingenommene Geld in Nylonsackerl und trugen es auf die Bank. Es war zu viel, um es händisch zu zählen. Doch mit den Jahrzehnten gingen viele Jobs verloren. Menschen zogen weg. Von einst 900 Einwohnern sind noch 250 im Ort.

BÜRGERMEISTER KOMPATSCHER: Von einst 900 Einwohnern sind noch 250 im Ort

Am 1. April 1998 montierte man unter dem feierlichem Hum-Ta-Ta einer Musikkapelle den Grenzbalken ab und trug ihn ins Museum. Brenner musste sich im Schengen-Europa neu erfinden. 1,7 Millionen Besucher kamen im Vorjahr in das Outlet Center, sagt Kompatscher: "So schwer der Weg nach Europa für uns war, niemand möchte die Zeit zurückdrehen.“ In die leerstehenden Mietskasernen zogen Migranten ein, viele von ihnen Pakistani. In Brenner gibt es weder einen Kirchenchor noch einen Schützenverein. Aber die Pizzeria "Terminus“ hat fast immer offen, so wie die Bahnhofsbar, aus der am frühen Morgen der Chef der örtlichen Carabinieri mit einer Zigarette ins Freie tritt. Ob die Journalistin mit ihm reden dürfe, ruft der Bürgermeister ihm zu. "Das nächste Mal“, antwortet er und winkt herüber. Auch Kompatsch hat es schon eilig. Christi Himmelfahrt ist auf der italienischen Seite des Brenner - anders als im wenige Kilometer entfernten Gries - kein Feiertag. Er muss in die Oberschule, wo er Jugendliche, die ohne Grenzen aufgewachsen sind, in Geschichte unterrichtet. Es fügt sich gut, dass er gerade das Nachkriegsdeutschland durchnimmt: "Von der Berliner Mauer kommt man ja leicht zum Brenner.“

Der Bürgermeister auf der österreichischen Seite

Links und rechts der Straße Häuser, eine "gmiatliche Brenner Hütte“, eine Kirche, eine Raiffeisenbank; und über allem das nie versiegende Rauschen, das von der auf Stelzen gebauten Autobahn auf den 1429-Seelen-Ort Gries am Brenner herunterfällt. Fast alle hier sind Pendler, auch die Jungen. Obwohl das Wipptal 16.000 Einwohner zählt, gebe es weder ein Gymnasium noch eine HTL oder HAK, sagt Mühlsteiger. Die Grieser seien der "sinnlosen Debatten“ überdrüssig. "Gott sei Dank zerbrechen sich Experten im Innenministerium den Kopf über ein Grenzmanagement. Sonst weichen die Leute über das Gebirge aus, wo es kalt und steil ist, und die Bergrettung wäre im Dauereinsatz, um sie von den Felswänden herunterzubekommen“, sagt Bürgermeister Karl Mühlsteiger. Die Bewohner des Grenzorts seien "bescheidende und tolerante Menschen“, die in den vergangenen Jahren einiges mitgemacht hätten: Erst den Wirbel um ein Heim, in das zuerst 60 Flüchtlinge einziehen sollten, geworden sind es 30. Dann der IS-Schläfer, der unter ihnen lebte, bis Cobra-Beamte ihn verhafteten. Und jetzt noch die Demos gegen den Zaun. Vier Mal in der Woche steht Mühlsteigers Tür für die Bürger offen: "Im Moment geht es nur um Flüchtlinge. Ich hoffe, dass wir bald wieder über andere Sachen reden.“

Die Tochter des Südtirol-Kämpfers

Allein die Drohung, einen Zaun zu errichten, versetzte die italienischen Behörden in Alarmbereitschaft. "Das Überqueren der Geleise ist verboten“, dröhnt es aus den Lautsprechern am Bahnhof Bozen. Polizisten mit Gewehren und schusssicheren Westen stapfen ungerührt über die Bahnschwellen. Zwei Uniformierte eskortieren einen Mann mit Rucksack nach draußen. Er sieht aus, als könnte er einer der Verzweifelten auf dem Weg nach Norden sein. Irrtum. Nach wenigen Minuten darf er wieder gehen. Neben den Bahngleisen parkt eine Kolonne von Einsatzwägen, Verstärkung ist schnell zur Stelle. Im Stadtzentrum steht ein Denkmal für Walther von der Vogelweide. Eva Klotz, Jahrgang 1951, und Tochter des Südtirol-Aktivisten Georg Klotz, kommt mit dem Rad. "Sie werden mich erkennen, ich habe einen langen, geflochtenen Zopf“, hat sie am Telefon gesagt. Auf dem Weg ins Büro der "Süd-Tiroler Freiheit“ schüttelt sie Hände. Dabei hat sie ihr Landtagsmandat zurückgelegt. In der Zentrale ihrer "Bewegung“ hängt ein rot-weiß-rotes Plakat: "Süd-Tirol ist nicht Italien“; an der Wand im Besprechungszimmer eine Kreidezeichnung mit den Konterfeis ihrer Helden. Der vierte von links ist ihr Vater, dessen gewaltsamen Kampf um Selbstbestimmung sie mit friedlichen Mitteln weiterführt. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten die Siegermächte in Saint Germain am Brenner die Linie gezogen, alles südlich davon gehörte fortan zu Italien. Die deutschsprachigen Südtiroler litten sehr unter Mussolinis Faschismus. Als sie 1939 vor die Wahl gestellt waren, sich der brutalen Italianisierung zu beugen oder ins Deutsche Reich zu übersiedeln, verließen 86 Prozent ihre Heimat. 1945 forderte Staatskanzler Karl Renner die Rückgabe Südtirols. Die Allierten versprachen Autonomie. Tatsächlich wurde 1946 ein Vertrag unterzeichnet (Gruber-De-Gasperi-Abkommen), doch er blieb Papier. Zehn Jahre später begannen Aktivisten, italienische Einrichtungen in die Luft zu sprengen. Der gelernte Schmied Klotz schloss sich dem Befreiungsausschuss Südtirol (BAS) an und gehörte bald zu den Radikalinskis. Österreich trug den Konflikt um Südtirol in die Generalversammlung der Vereinten Nationen. 1972 kam es zu einem zweiten Autonomiestatut, doch erst 1992 war der Streit offiziell beigelegt und der Weg zum EU-Beitritt Österreichs frei. Für Eva Klotz blieb "eine Unrechtsgrenze, gegen jede Wahrheit, Vernunft und das heilige Recht der Völker auf Selbstbestimmung“. Dass die Österreicher sie aufleben lassen, wundere sie angesichts des europäischen Versagens in der Asylpolitik nicht: "Aber es ist ein Stich mitten ins Herz.“

Der junge Patriot

So redet in Südtirol nicht nur die Tochter eines "Bumsers“, wie die Südtirol-Kämpfer auf österreichischer Seite verniedlichend genannt wurden, sondern auch die nächste Generation der Heimatverbundenen. Sven Knoll, 35, war sofort ein symbolträchtiger Ort für das Foto eingefallen. Nun steht der Nachwuchspolitiker aus Südtirol, Fraktionssprecher der "Süd-Tiroler Freiheit“ und Mitstreiter von Eva Klotz, unter dem mächtigen Bronze-Denkmal des Tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer in Innsbruck. Zum Interview schlägt er das "Bierstindl“ vor, ein mit viel Geld restauriertes Gasthaus, in dem an diesem Abend viele Gäste so aussehen wie er: Männer in edlen Trachtensakkos, beruflich nicht ganz erfolglos. Knoll träumt von einer Volksabstimmung nach schottischem Muster und fühlt sich der Europäischen Freien Allianz zugehörig, wo sich Katalanen, Schotten und andere Separatisten sammeln. Gäbe es für die Anthropologin aus Bozen, die bekennende Vertreterin der Generation "Erasmus“, eine Mensch gewordene Antithese: Knoll könnte sie sein. Seine Identität ist durch und durch österreichisch: "Das einzig Italienische an mir ist das I auf meinem Ausweis.“ Ein wenig erinnert er an den jungen Haider. Knoll breitet eine Karte auf dem Biertisch aus: Er habe Verständnis für den Zaun, sogar für Bundesheer-Patroullien an der Grenze. Aber: "Wenn Italien die Flüchtlinge durchwinkt und sie sich am Brenner stauen, gibt es Bilder wie aus Idomeni.“ Die Schweizer fahren mit Panzern an der Grenze auf. Knoll hat Angst, "dass Europa Südtirol mit dem Problem alleine lässt“.

LANDTAGSABGEORDNETER KNOLL: Durch und durch österreichisch

Die vergrämten Europäer

Im Norden Tirols, wo 700.000 Menschen wohnen, fanden 6000 Asylwerber Aufnahmen; in Südtirol (520.000 Einwohner) sind es nicht einmal 1000. "Natürlich sagt man sich im Norden, wir haben mehr getan hat, deshalb ist der Zaun gerecht“, sagt Hans Heiss, Historiker und Grüner Landtagsabgeordneter. Nach den jüngsten Bundespräsidentenwahlen zog sich entlang des Wipptals - Matrei, Steinach, Gries - eine Erfolgsspur für Norbert Hofer. Laut Heiss ein Votum für den Zaun. Für Italien hingegen sei er ein politischer Affront. Die Beziehungen zu Österreich stünden auf dem Prüfstand. So sieht es auch Reinhold Messner. Auf Schloss Sigmundskron in Bozen, Zentrum der Messner Mountain Museen, sitzt der Extrembergsteiger, Buchautor und Ex-Grüne im Tweetsakko in der prallen Sonne. "Wir Südtiroler haben immer das Gefühl gehabt, zwischen den Stühlen zu sitzen“, sagt er. Schengen änderte alles: Plötzlich konnte man nach Innsbruck ins Theater fahren, ohne den Pass herzuzeigen. Messner besitzt einen italienischen, den österreichischen vermisse er nicht, "im Herzen bin ich sowieso Südtiroler, Europäer und Weltenbürger“. Nicht dass "da oder dort vernünftigerweise kontrolliert wird“ empöre ihn, sondern dass sich "Österreich aus der EU herausgerissen hat, ähnlich wie Ungarn und Polen“. Die Regierung lasse sich von der FPÖ treiben: "Wenn Strache A schreit, schreien die Regierungsparteien noch lauter A.“ Das sei der Anfang vom Zerbröseln der EU, ein Rückfall in den Nationalismus, "der für alle großen Probleme, die wir im vergangenen Jahrhundert hatten, verantwortlich ist“.

Der pragmatische Polizist

Helmut Tomac, Polizeidirektor des Landes Tirol, betrachtet den Brenner eher technisch. "Wir müssen Bilder wie im Vorjahr vermeiden.“ Ein Maschendrahtzaun, an Säulen befestigt, die ein Drittel weit in die Erde geschraubt werden, soll die Menschenströme in geordnete Bahnen leiten. Die steilen Felswände, die links und rechts von der 300 Meter breiten Talsohle bis zu 3000 Meter aufragen, sind ein Geschenk der Natur an das polizeiliche Crowdmanagement. Deutschland schickte heuer bereits 3000 Menschen nach Österreich zurück. Nicht einmal ein Zehntel so viel retournierte Österreich nach Italien. Zahlen sind in der europäischen Asylpolitik inzwischen zur Drohgebärde geworden. Zäune auch. Ob und wann der Maschendraht entrollt wird, hängt davon ab, wie viele Flüchtlinge über die 7000 Kilometer lange Außengrenze Italiens nach Europa gelangen. 28.658 waren es laut Tomac heuer, fast so viel wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres (30.900). Und ob Italien die Menschen in den "Hotspots“ registriert. Alle sind voneinander abhängig, verlassen will man sich aufeinander nicht. Das ist die neue Realität in Europa. Am Brenner/Brennero kann man sie wie durch ein Brennglas anschauen.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges