Dieses würde sogar über fünf Prozent liegen, hätte sich die Regierung nicht auf ein Konsolidierungspaket in Höhe von 6,4 Milliarden Euro (2026: 8,7 Milliarden Euro) verständigt. Dieses war größtenteils noch in den Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP im Februar geschnürt worden und sieht die Streichung von Förderungen und die Anpassung von Steuern vor.
Sparen nach Parteilogik
Zudem sollen die einzelnen Ministerien ihren Sachaufwand um 15 Prozent reduzieren. Dies wurde ebenfalls von Blau-Schwarz beschlossen und soll Einsparungen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro bringen. Um die Sache zu erleichtern, haben sich ÖVP, SPÖ und Neos nun auf eine raffinierte Methode nach parteipolitischer Logik geeinigt: Nicht jedes einzelne Ressort muss die 15-Prozent-Vorgabe umsetzen; es reicht, wenn die Ministerien der jeweiligen Partei zusammen das Einsparungsziel erreichen. Will Vizekanzler Andreas Babler in seinem Bereich (Kultur, Medien, Sport) weniger kürzen, muss SPÖ-Minister Peter Hanke in seinem Ressort (Innovation, Mobilität, Infrastruktur) entsprechend mehr einsparen. Und ÖVP-Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer könnte geringere Einsparungen von Kanzler Christian Stocker kompensieren. Die Neos können entscheiden, ob sie lieber bei der Bildung oder beim Sachaufwand des Außenministeriums sparen wollen.
Die entsprechenden Gespräche zwischen Finanzministerium und den Ressorts zu den Einsparungen und den Doppelbudgets laufen seit März, vor allem auf technischer Ebene der Kabinettschefs und leitenden Beamten. Für die Regierung sind neben Marterbauer und dessen Team auch ÖVP-Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl und Neos-Deregulierungsstaatssekretär Sepp Schellhorn beteiligt.
Die Verhandlungen, so ist zu hören, verliefen zäh und emotional. Beim Geld hört sich auch in der so harmonisch auftretenden Dreierkoalition die Freundschaft auf. Die Neos zeigen zwar Sparbereitschaft, aber ausgerechnet Parteichefin und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger soll mehr Geld gefordert haben. Ihre Begründung: Österreich wolle sich für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat bewerben, wofür Extramittel für eine Kampagne notwendig seien.
Im Vergleich zu den großen Budgetbrocken ist das allerdings Kleingeld. So wurde in der Dreierkoalition debattiert, die automatische Valorisierung von Sozial- und Familienleistungen (Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag und Mehrkindzuschlag, Krankengeld, Pflegegeld, Schüler- und Studienbeihilfe) auszusetzen. Diese war von der schwarz-grünen Regierung eingeführt worden. Wie Freitag bekannt wurde, wird vorerst nur die Anpassung des Kinderabsetzbetrags für die Jahre 2026 und 2027 ausgesetzt. Insgesamt lauert dahinter eine systemische Schieflage: In Österreich werden staatliche Ausgaben (wie etwa Sozialleistungen) mit der steigenden Inflation erhöht, manche Einnahmen – wie die Mineralölsteuer und die Grundsteuer – aber nicht. Ebenfalls ausgesetzt wird die Auszahlung des variablen, nicht automatisch angepassten Drittels aus der Abschaffung der kalten Progression.
Auf die gesetzliche Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten von 5,1 auf 6 Prozent hat sich die Regierung bereits geeinigt. Nun werden Überlegungen aus den Budgetverhandlungen kolportiert, dass die Sozialversicherungsbeiträge auch für Aktive angehoben werden könnten. Allerdings würde SPÖ-Sozialministerin Korinna Schumann dies wohl kaum akzeptieren. Fix sind dagegen – wie schon im Regierungsprogramm festgeschrieben – Einschränkungen bei der Korridorpension in Bezug auf das Zugangsalter und die erforderlichen Versicherungszeiten. Ab 2029 soll so eine Milliarde Euro jährlich eingespart werden.
Das Finanzministerium gab die Linie vor, 80 Prozent der Budgetsanierung aus Einsparungen und 20 Prozent aus Neueinnahmen zu lukrieren. Zu Letzteren zählen etwa die mit 1. April in Kraft getretene Anhebung der Wettgebühr, die Einbeziehung von E-Kfz in die motorbezogene Versicherungssteuer, die Erhöhung der Tabaksteuer, die Anhebung der Stabilitätsabgabe für Banken und die Verlängerung des Standortbeitrags für die Energieversorger. Dazu wurden die Umsatzsteuerbefreiung für PV-Anlagen und der Klimabonus abgeschafft. Am Freitag schickte die Regierung ein weiteres, auf dem Regierungsprogramm basierendes Gesetzespaket zur Budget-Konsolidierung in Begutachtung. Neu eingeführt wird eine Umwidmungsabgabe für Grund und Boden. Die Glücksspielabgabe wird erhöht, der Stiftungseingangssteuersatz von 2,5 auf 3,5 Prozent erhöht, die Grunderwerbsteuer erweitert. Begünstigungen gibt es aber auch: Das Frauenministerium setzte sich mit dem Ansinnen durch, Hygieneartikel und Verhütungsmittel von der Umsatzsteuer zu befreien.
Sparen bei Beamten?
Das Bildungsministerium will seine Einsparungen großteils „aus der Verwaltung und beim Aufschub von Bauraten“ realisieren, wie es in einer Stellungnahme gegenüber profil heißt.
Im Verteidigungsministerium ist wieder Unruhe spürbar. Galt es bisher – unter Eindruck des Krieges in der Ukraine – als akkordiert, dass bei der ohnehin maroden Landesverteidigung nicht gespart wird, sind der „Aufbauplan 2032+“ des Bundesheeres und die darin vorgesehenen Investitionen und Beschaffungen (bessere Ausrüstung, Modernisierung der Kasernen, Personaloffensive, neue Flugzeuge) nicht mehr zur Gänze garantiert.
Einsparungen wären im öffentlichen Dienst möglich. Allerdings fixierte die schwarz-grüne Regierung unter Finanzminister Magnus Brunner und Beamtenminister Werner Kogler mit den Gewerkschaften bereits die Gehaltsanpassungen für 2025 und 2026, was für den Präsidenten des Fiskalrats, Christoph Badelt, „keine kluge Idee“ war. 2026 sollen die Bezüge der Beamten um die Inflation plus 0,3 Prozent erhöht werden. Doch können sich vor allem die Neos vorstellen, diesen Abschluss im Herbst neu zu verhandeln. Mit hartem Widerstand aus der schwarzen Beamtengewerkschaft und der roten Gewerkschaft der Gemeindebediensteten wäre aber zu rechnen.
Viel Sparpotenzial liegt im Infrastrukturbereich, den Peter Hanke verantwortet. In einem „Kurier“-Interview deutet der Minister bereits an, es wären „mehrere 100 Millionen, die auch von meinem Ministerium einzusparen sind. Das bedeutet, dass es Verschiebungen von Projekten geben wird“. Details will er nicht nennen. Insider rechnen damit, dass es Instandhaltungen und Investitionen in die ÖBB-Infrastruktur betrifft, die im Rahmenplan 2024 bis 2029 vorgesehen sind. Die Modernisierung von Bahnhöfen könnte verschoben werden. Der Haken dabei: Gerade die Renovierung oder der Neubau von Bahnhöfen hat einen positiven Effekt auf das Wirtschaftswachstum.
Auch im Kulturbereich wird gespart: Wie Vizekanzler Babler erklärte, könnten sich die geplanten Umbauten im Kunst- und Naturhistorischem Museum, im Belvedere und im Salzburger Festspielbezirk verzögern.
Kürzungen sind auch bei der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) möglich, die im Eigentum von Hankes Innovations- und des Wirtschaftsministeriums steht und jährlich eine Milliarde Euro an Förderungen an Unternehmen und Forschungseinrichtungen auszahlt. Im alleinigen Verantwortungsbereich von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer, ÖVP, steht die Förderbank des Bundes AWS. Auch hier wären Leistungskürzungen denkbar.
Budgetziegel
Bei der Erfindung kleiner Einkommensquellen sind der Fantasie der Ministerien keine Grenzen gesetzt. Von SPÖ-Seite kam der Vorschlag, die Grundbucheintragungsgebühr deutlich anzuheben. Erst vor einem Jahr wurde diese bis zu einer Bemessungsgrundlage von einer halben Million Euro gestrichen. Die Einnahmen aus der Grundbucheintragungsgebühr fließen nicht ins Budget, sondern gehen direkt an das Justizministerium, das sich so zusätzliche Mittel sichern könnte. Gestritten wird im Justizbereich auch um den erst im Vorjahr erhöhten Ersatz für Verteidigerkosten im Strafverfahren. Für 2024 waren dazu 70 Millionen Euro im Justizetat vorgesehen. Diese könnte nun wieder reduziert werden.
Noch jeder Finanzminister, wohl auch Markus Marterbauer, versuchte, die Rücklagen der Ministerien zu kapern, die diese aus nicht in Anspruch genommenen Finanzmitteln bilden. Der Gesamtstand über alle Ressorts hinweg betrug 2024 28,7 Milliarden Euro. Aber noch jeder Finanzminister scheiterte daran.
Erfahrungsgemäß können die meisten strittigen Punkte zwischen dem Finanzressort und den anderen Ministerien auf der Ebene der Kabinettschefs gelöst werden. Der Rest geht ganz nach oben zu den Ministern. Abschließend haben diese theoretisch die Gelegenheit, Marterbauer noch einmal zu sekkieren. Denn die elektronische Eingabe der einzelnen Budgetposten in eine Saldenliste des Finanzministeriums erfolgt durch die Ministerien – und solange auch nur eine einzige Zahl fehlt, ist das Budget nicht fertig. Am Ende geht der Voranschlag mit Beilagen und Detaildokumenten in die Druckerei des Finanzministeriums. Der Budgetziegel 2024 hatte 4000 Seiten und zwölf Kilo Gewicht – für ein Budgetjahr wohlgemerkt.
Wenn Markus Marterbauer am 13. Mai sein Doppelbudget im Nationalrat präsentiert, wird er vielleicht wie im März von „zwei harten Jahren“ sprechen, die Österreich bevorstünden. Wahr ist: Nach der Konsolidierung ist vor der Konsolidierung. Ein Aufschwung zeichnet sich nicht ab, Österreichs Schulden und die Zinslast steigen weiter. Für Fiskalratspräsident Christoph Badelt wäre es „irreführend von der Regierung“, so zu tun, als wäre die Welt „eh bald wieder heil“.
Markus Marterbauer wird wohl noch weitere Jahre „streng“ und „hart“ sein müssen.