Bundesheer: Was können unsere Eurofighter?

In der Ukraine herrscht Krieg. Über Kroatien stürzt eine Drohne ab. Dennoch gibt es keine 24-Stunden-Alarmbereitschaft für die Eurofighter. Warum nicht?

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Bei den Kommandanten des Bundesheeres und im Verteidigungsministerium wird der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine genau studiert. Die Erkenntnisse bestätigen die schon bisher gültigen Annahmen: Zum einen ist die Bedeutung der Kampfmoral überragend, wie der Widerstand der ukrainischen Armee zeigt. Zum Zweiten spielt der Jagd- und Guerillakampf für den Verteidiger eine große Rolle. Und zum Dritten entscheidet die Luft über den Ausgang des Krieges am Boden. Auch in der dritten Woche ist es den russischen Streitkräften nicht gelungen, die komplette Lufthoheit über der Ukraine zu erlangen. Die ukrainische Fliegerabwehr verbuchte viele Abschüsse, und nach wie vor steigen ukrainische Kampfjets auf. Und immer wichtiger werden der Einsatz und die Bekämpfung von Drohnen.

Der ukrainische Luftraum ist vom österreichischen nur 450 Kilometer entfernt. Ein Kampfflugzeug wäre - rein theoretisch - in weniger als einer Stunde über Wien. Besitzen die österreichischen Luftstreitkräfte die Fähigkeit, Bedrohungen aus der Luft abzuwehren? Sind die Eurofighter Kampfflugzeuge, die den Himmel beherrschen, oder bloß softe Flugpolizei? Und wird nun mehr Geld in die Luftraumüberwachung investiert?

Wie rasch es zu einer gefährlichen Situation kommen kann, zeigte ein Vorfall in Kroatien vergangene Woche. In Jarun, einem Außenbezirk der Hauptstadt Zagreb, stürzte eine sechs Tonnen schwere und 15 Meter lange Drohne sowjetischer Bauart vom Himmel. Gefunden wurden auch Reste von Sprengstoff, die Drohne dürfte also mit einer Bombe bestückt gewesen sein. Vor dem Absturz hatte sie die Lufträume zweier NATO-Staaten, Ungarn und Rumänien, durchquert. Laut Auskunft des österreichischen Verteidigungsministeriums hatte die Luftraumüberwachung des Bundesheeres die Drohne ebenfalls früh erfasst. Allerdings war rasch klar, dass sie keine Bedrohung für Österreich darstellt.

Im Ernstfall könnten die Eurofighter eine Drohne mit einer Luft-Luft-Rakete vom Typ Iris-T abschießen - allerdings nur, wenn sie tagsüber über Österreich aufgetaucht wäre. Denn während der Nacht wird der Luftraum nur mit Radar, aber nicht aktiv überwacht. Abfangjäger sind nicht in Bereitschaft. Der Grund: mangelnde Kapazitäten. Die Souveränität des Luftraums ist damit de facto aufgegeben. "Ein terroristischer Anschlag mit einem Luftfahrzeug könnte nicht abgefangen werden. Der Schutz der Bevölkerung ist daher nicht sichergestellt", wie es im Bericht "Bundesheer 2030" heißt, den der Kurzzeit-Verteidigungsminister Thomas Starlinger 2019 erstellen ließ.

Alarmbereitschaft bis 20 Uhr

Die angespannte Lage nach dem Überfall auf die Ukraine führte zumindest zu etwas erhöhter Einsatzbereitschaft beim Eurofighter-Geschwader am Fliegerhorst im steirischen Zeltweg. Normalerweise stehen zwei Eurofighter bis 18 Uhr in Alarmbereitschaft, sodass sie innerhalb weniger Minuten aufsteigen können. Diese Einsatzbereitschaft gilt nun bis 20 Uhr. Eine weitere Besonderheit: Im Gegensatz zu normalen Zeiten tragen die Eurofighter nun drei Zusatztanks, um länger - bis zu zwei Stunden - in der Luft bleiben zu können. Und unter den Tragflächen sind zwei Iris-T-Raketen angehängt.

Tatsächlich handelt es sich bei der erhöhten Alarmbereitschaft bis 20 Uhr um das absolute Minimum. Eigentlich müssten die Eurofighter in einer derartigen Lage in einer 24-Stunden-Alarmbereitschaft stehen. Doch einen derartigen Rund-um-die-Uhr-Einsatz würde das Bundesheer nur für kurze Zeit aufrechterhalten können. Denn das Heer hat schlicht zu wenig Abfangjäger und zu wenig Personal. Im Gegensatz zur Schweiz: Die Eidgenossen sind derzeit im 24-Stunden-Überwachungsmodus.

Bundeskanzler Karl Nehammer kündigte zwar an, das Budget für das Bundesheer von derzeit 0,74 Prozent auf ein Prozent jährlich zu heben. Doch entschieden ist noch nichts. Die Luftstreitkräfte des Heeres benötigen dringend Geld, etwa für Drohnen- und Drohnenabwehr und die Fliegerabwehr mittlerer Reichweite.

Auch bei den Militärflugzeugen besteht dringender Handlungsbedarf. Die 15 Eurofighter müssen sukzessive überholt werden. Eine vorrangige Investition beträfe die technische Nachtsichtfähigkeit der Eurofighter-Piloten, die derzeit eingeschränkt ist. Unter SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos war das notwendige Equipment 2007 gestrichen worden. Spezielle Helme mit Nachtsichtbrillen würden es ermöglichen, dass die Piloten fremde Flugzeuge auch in der Dunkelheit leicht identifizieren können. Eine Alternative bestünde darin, am Flugzeugrumpf Zielbeleuchtungsbehälter anzubringen.

Laut profil-Informationen laufen Überlegungen, dass das Bundesheer seine Jets aus Lagerbeständen der britischen Luftstreitkräfte modernisiert. Für die Austro-Eurofighter könnten in einer Paketlösung etwa elektronische Selbstschutzsysteme und Radar-Software beschafft werden. Auch diese waren unter Darabos gestrichen worden. Auf dem Wunschzettel stehen dazu moderne Amraam-Luft-Luft-Lenkwaffen. Der Investitionsbedarf beschränkt sich nicht allein auf das Gerät. Auch für militärisches Personal wird mehr Geld benötigt. Wenn die Eurofighter zwei Stunden länger in Bereitschaft sind, bedeutet das auch teure Überstunden für Radarleitoffiziere, Techniker, Feuerwehr, Köche, Schreiber und andere Systemerhalter.

Fehlende Flugstunden

Derzeit verfügt das Heer über 16 Eurofighter-Piloten. Die Ausbildung eines Piloten dauert fünf Jahre, drei davon im Ausland. Auch das kostet viel Geld. Der Feinschliff findet unter anderem im deutschen Fliegerhorst Laage bei Rostock statt, im flachen Land. Allerdings ist das Fliegen in einem Land mit der Topografie Österreichs eine besondere Herausforderung. Die heimischen Luftstreitkräfte zählen statistisch zu den sichersten der Welt, obwohl gerade die Eurofighter-Piloten nur auf etwa 100 Flugstunden pro Jahr kommen. International ist dieser Wert deutlich höher. "Durch fehlende Flugstunden steigt das Risiko von Flugunfällen", heißt es dazu im Bericht "Bundesheer 2030".

Laut profil-Informationen kam es vergangenes Jahr zu zwei Zwischenfällen mit Eurofightern. Einer war virtuell. Bei einem Manöver am Flugsimulator berührten sich zwei Jets, wobei der eine abstürzte und der zweite beschädigt landete. Auch virtuell sollte Derartiges eher nicht passieren und wird von den Verantwortlichen sehr ernst genommen. Der zweite Vorfall fand tatsächlich statt und betraf ein Manöver beim Anflug zweier Eurofighter auf den Fliegerhorst Zeltweg. Dabei sollen sich die Maschinen aufgrund eines Fehlers eines Piloten sehr nahe gekommen sein. Laut profil-Information wurde der Vorfall unter den Kommandanten der Luftstreitkräfte so ernst genommen, dass dazu ein offizieller Bericht an das Verteidigungsministerium erstellt wurde. Dort wollte man die Vorkommnisse gegenüber profil nicht kommentieren, da Details aus Einsatz und Ausbildung militärischer Geheimhaltung unterliegen.

Der Vorfall zeigt ein weiteres Mal ein altes Problem auf: Das Bundesheer verfügt über keinen eigenen Eurofighter-Doppelsitzer, in dem jüngere Piloten im österreichischen Luftraum geschult werden können. Seit der ersatzlosen Ausflottung der Saab-105-Maschinen Ende 2020 hat das Heer auch keinen Unterschall-Jet mehr, auf dem Piloten trainieren können. Generalstabschef Robert Brieger ließ jüngst wieder mit der Idee einer Zwei-Flotten-Lösung aufhorchen. "Die Eurofighter-Stunden werden stets als teuer beschrieben. Ein im Vergleich billigerer zweiter Jet könnte Abhilfe schaffen, die teure Piloten-Ausbildung aus dem NATO-Ausland heimholen und ein zweites Standbein für die Luftraumüberwachung bilden", sagt der internationale Militärluftfahrt-Experte Georg Mader. Auch ein zweiter Standort neben Zeltweg, etwa in Linz, wäre notwendig.

Mehr Geld fürs Heer?

Die Stimmung im Land für Neubeschaffungen für das Heer ist derzeit günstig. Laut profil-Umfrage sprechen sich 60 Prozent für eine Erhöhung des Wehrbudgets aus. Schon in einem Bericht des Generalstabs an das Parlament aus dem Jahr 2016 hieß es: "Die aktuelle Bedrohungslage verlangt die Fähigkeit einer ganzjährigen aktiven und passiven Luftraumüberwachung rund um die Uhr." Sechs Jahre sp äter ist die Bedrohungslage deutlich höher.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.