Bundeskanzler Karl Nehammer

Bundeskanzler Karl Nehammer: Das Erbe des Sebastian Kurz

Bisher erfüllte Karl Nehammer stets, was andere von ihm erwarteten. Nun muss der neue ÖVP-Obmann zeigen, dass er Bundeskanzler der Republik Österreich und nicht Befehlsempfänger der schwarzen Länder ist. Die Koalition ist stabilisiert – vorerst. [E-Paper]

Drucken

Schriftgröße

Karl Nehammer ist ein diskreter Mann. Nur so viel will er verraten: Bevor die Dinge ihren Lauf nahmen, hatte er einen Anruf von Sebastian Kurz erhalten. Bald darauf kam dieser zu Nehammer nach Hause, um intensiv die Lage zu besprechen. Dann ging alles rasch. Am 2. Dezember, 11.30 Uhr, kündigte Kurz seinen Rücktritt als ÖVP-Obmann an. Es sei ein endgültiger Abschied, sagte er tags darauf im ÖVP-Parlamentsklub. Seinen Nachfolger als ÖVP-Chef hatte der Parteivorstand da schon designiert. Der Vorschlag, Alexander Schallenberg solle noch bis ins Frühjahr Kanzler bleiben, wurde ignoriert. Somit stand fest: Karl Nehammer wird Bundeskanzler, wie vor ihm die ÖVP-Obmänner Sebastian Kurz und Wolfgang Schüssel.

Es ist eine Lösung in der Not. Kurz und Schüssel hatten das Kanzleramt aktiv erobert. Nehammer fiel es zu. Dieser tat in der zweiten Reihe bisher immer das, was andere von ihm erwarteten. Nun steht er als neuer Kanzler ganz vorn, in Republik und Partei. Doch das Land steckt tief in der Corona-Pandemie, und die Post-Kurz-ÖVP verfällt. Kann Nehammer Doppelkrise?

Fällt der Einser, übernimmt die Nummer 2. In der ÖVP wäre das Gernot Blümel gewesen. Doch auch der Finanzminister und Wiener ÖVP-Obmann war aufgrund der staatsanwaltlichen Ermittlungen dermaßen beschädigt, dass er alle Ämter zurücklegte. Der klare Schnitt verschafft der ÖVP etwas Luft. Wären kommenden Sonntag Nationalratswahlen, würde die ÖVP laut dem Meinungsforschungsinstitut Unique Research 27 Prozent erreichen, immerhin drei Prozentpunkte mehr als im November nach dem Rücktritt von Kurz als Kanzler. Mit der SPÖ liegt die ÖVP nun wieder gleichauf.

Ex-Kanzler Kurz redete am liebsten über sich und seine Erfolge. Nehammer ist mehr Wir-Betrieb als Ich-AG. Keine Wortmeldung in den vergangenen Tagen, in der er nicht von „Gemeinsamkeit“ sprach und die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner und der Opposition pries. Die Corona-Impfpflicht beschloss die Regierung – gemeinsam – mit SPÖ und NEOS.

Die behauptete Demut vor dem Amt nimmt man Nehammer im Gegensatz zu Kurz durchaus ab. Vielleicht ist auch Spundus dabei. Der Kanzlerposten sei noch eine Etage höher als ein Ministeramt, man müsse alles überblicken und nicht nur den eigenen Fachbereich, so Nehammer am Rande der Parlamentssitzung vergangenen Donnerstag gegenüber profil. Als Innenminister war er der Mann, der den Lockdown exekutierte und die Infektionsketten „mit der Flex“ durchschneiden wollte. Als Kanzler muss er das Krisenmanagement der gesamten Regierung vom Gesundheits- über das Bildungs- bis zum Finanzministerium koordinieren. 

Lesen Sie jetzt weiter:

Die ganze Geschichte finden Sie in der profil-Ausgabe 50/2021 - hier als E-Paper.

Sie haben noch kein Abo? Testen Sie profil 4 Wochen kostenlos.

 

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.