Bundespräsidentschaftswahl: Herbert und die Randfiguren

Eine Rechte, ein Liberaler, ein Quereinsteiger? Während die FPÖ ihren Kandidaten für die Bundespräsidentschaftswahl sucht, formiert sich rechts außen neue Konkurrenz. Parteichef Herbert Kickl droht der erste Rückschlag in seiner Karriere als Obmann.

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Vergangene Woche erhielten die Funktionäre der FPÖ einen Newsletter der Parteiführung mit dem Hinweis auf ein wichtiges Datum, das auch ihre Urlaubsplanung beeinflussen könnte. Ab 9. August sollen bei Parteimitgliedern und Sympathisanten Unterschriften für den freiheitlichen Bundespräsidentschafts-Kandidaten gesammelt werden. Wer bei der Wahl antreten will, benötigt 6000 Unterstützungserklärungen. So will es die Wahlordnung. Die FPÖ wird einen Kandidaten stellen. So will es die Parteiführung. Der Name des FPÖ-Anwärters ist noch nicht bekannt, weder den Funktionären noch dem blauen Spitzenpersonal. Zu vermuten ist: Auch Herbert Kickl kennt ihn noch nicht.

Bei der Wahl des Staatsoberhaupts steht auch der FPÖ-Chef auf dem Prüfstand. Bisher zeigte Kickl, dass er über Lautstärke verfügt. Nun muss er auch ein Ergebnis liefern. Doch Konkurrenz erwächst ausgerechnet dort, wo die Freiheitlichen bisher Monopolisten waren: am rechten Rand. Droht dem FPÖ-Chef der erste Dämpfer?

Seit Wochen ziert sich die FPÖ mit der Bekanntgabe ihres Kandidaten. Was manche Kommentatoren als blaue Planlosigkeit interpretieren, verkauft Herbert Kickl als Strategie. Nach einer Sitzung des Parteivorstands am 7. Juni, bei der wider Erwarten keine Entscheidung fiel, erklärte er, es gehe „nicht darum, als Erster am Spielfeld zu sein, sondern darum, am Ende die Nase vorne zu haben“. Die FPÖ werde jedenfalls „im zeitlichen Naheverhältnis“ zur Bekanntgabe des Wahltermins ihren Kandidaten küren. 

Vergangenen Mittwoch fixierte der Ministerrat endgültig den 9. Oktober als Tag der Bundespräsidentenwahl. Wie zeitnah nun über den FPÖ-Kandidaten entschieden wird, wollte Herbert Kickl auf Anfrage von profil nicht verraten. Bekannt ist, dass der Beschluss in einem Parteipräsidium gefasst wird. 

Gern verweist Kickl dieser Tage auf die späte Entscheidung im Jahr 2016, Norbert Hofer in die Wahl zu schicken. Der Dritte Nationalratspräsident war nur knapp am Sieg vorbeigeschrammt. Was Kickl nicht erwähnt: Auch Hofers Kür war alles andere als geplant verlaufen, die späte Entscheidung erschwerte den Start in den Wahlkampf. Noch wenige Stunden vor der Bekanntgabe hatte Hofer am Rande einer Nationalratssitzung versichert, kein Kandidat zu sein. Stattdessen werde er Ursula Stenzel, die Wunschkandidatin des damaligen Parteiobmanns Heinz-Christian Strache, unterstützen. Doch dieser hatte die Vorbehalte gegen Stenzel in der eigenen Partei unterschätzt. Vor allem die oberösterreichische Landespartei um Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner opponierte intern gegen die frühere ÖVP-Politikerin.

Und auch heuer sind es die Oberösterreicher, die sich gegen eine mögliche Wunschkandidatin des Parteichefs sperren: Susanne Fürst, 53, Rechtsanwältin. Die Ironie: Fürst stammt aus Oberösterreich und sitzt für den Wahlkreis Linz und Umgebung im Nationalrat. Seit Kickls Aufstieg zum Parteichef entwickelte sie sich mit scharfen Wortmeldungen zu seiner strammen Verbündeten – und weckte damit Misstrauen in ihrer Landespartei. Manfred Haimbuchner gilt nicht gerade als Kickl-Anhänger. Bis zuletzt unterstützte er Norbert Hofer, bevor dieser im Vorjahr von Kickl aus dem Parteivorsitz gemobbt wurde. Allerdings steht Haimbuchner seitdem treu zum neuen Parteiobmann. An der Skepsis gegenüber Fürst ändert dies nichts. 

Was noch gegen sie spricht: Fürst zieht es nicht gerade auf die große Bühne. Der komplette Verlust an Privatheit im Falle einer Kandidatur soll auf sie ebenfalls abschreckend wirken. Dazu kommt ein Lapsus, den sie sich im Vorjahr leistete. „Aus rein privaten und beruflichen Gründen“ beantragte Fürst zur österreichischen die ungarische Staatsbürgerschaft, ließ von ihrem Vorhaben aber wieder ab. Dennoch: Im Wahlkampf müsste sie wohl mehr als einmal erklären, ob ein geeignetes Staatsoberhaupt sein kann, wer eine zweite Staatsbürgerschaft anstrebte.

In ihrer Geschichte schickte die FPÖ immer wieder Frauen in die Bundespräsidentenwahl. Im Jahr 1992 vergatterte Jörg Haider seine damalige stellvertretende Parteichefin, Heide Schmidt, zum Antreten. Diese sagte, was Kandidaten sagen müssen: „Ich gehe in diese Wahlen, um Erste zu werden.“ Am Ende waren es 16,4 Prozent. Bundespräsident wurde der ÖVP-Kandidat Thomas Klestil. Heide Schmidt trat wenige Monate später aus der FPÖ aus und gründete das Liberale Forum.

Im Jahr 2010, bei der Wiederwahl von Heinz Fischer, schickte Heinz-Christian Strache die damalige niederösterreichische FPÖ-Landesrätin Barbara Rosenkranz in die Wahl. Zunächst ging das Kalkül auf. „Krone“-Chef Hans Dichand forderte in seiner Zeitung dazu auf, Rosenkranz zu wählen. Doch nur kurze Zeit später entzog er ihr  die Unterstützung, nachdem Rosenkranz sich zweideutig über das Verbotsgesetz und die Verbrechen der NS-Zeit geäußert hatte.

Auch heuer könnte der „Krone“-Effekt eine Rolle spielen. Denn als mögliche Variante wurde der parteifreie Wiener Anwalt Tassilo Wallentin genannt. Dieser zieht in seiner Kolumne „offen gesagt“ in der Sonntagsbeilage der „Kronen Zeitung“ seit Jahren über die heimische Politik her. In einem Sideletter zum ÖVP-FPÖ-Koalitionsvertrag 2017 wurde Wallentin als 
Personalreserve für den Verfassungsgerichtshof genannt.

Laut profil-Informationen gab es tatsächlich ernsthafte Gespräche zwischen der FPÖ und Wallentin. Kolportiert wird allerdings, „Krone“-Chef Christoph Dichand würde das Antreten seines Kolumnisten weniger goutieren. Wallentin scheint dennoch dazu gewillt, dürfte aber auf seinen Status als unabhängiger Kandidat pochen – was ihn für Kickl ein Stück weit unberechenbar macht.

Der FPÖ-Obmann sagt, eine mögliche Kandidatur von Wallentin sei „Fake Schmus“. Dass am Ende er selbst antritt, schloss Kickl mehrfach aus. Auch Norbert Hofer steht nicht bereit. Manche in der Partei brachten Manfred Haimbuchner ins Gespräch. Doch dieser wird sich ebenso wenig in eine Kandidatur treiben lassen wie der Welser Bürgermeister Andreas Rabl.

Falls nicht doch Susanne Fürst oder ein Überraschungskandidat antritt, müsste einer aus der Riege der Honoratioren ran. Denkbar wäre der eher liberale FPÖ-Volksanwalt und frühere Klubobmann Walter Rosenkranz (mit der früheren Präsidentschaftskandidatin weder verwandt noch verschwägert).

Aufgrund ihrer regelmäßigen Auftritte in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ genießen Volksanwälte eine gewisse Bekanntheit. 2016 hätten sich viele in der Partei den damaligen FPÖ-Volksanwalt Peter Fichtenbauer als Kandidaten gewünscht. Regelmäßig war in der Vergangenheit auch der Wiener Abgeordnete und Notar Harald Stefan für hohe Ämter im Gespräch, etwa als Justizminister, verweigerte aber jedes Mal.

Wer auch immer nominiert wird, kann bei der Wahl am 9. Oktober maximal einen Achtungserfolg einfahren.

Die Partei würde sich zumindest einige Wochen lang erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit sichern. Der Preis dafür ist hoch: Die Wahlkampfkosten von mehreren Millionen Euro müssen aus der Parteikasse finanziert werden. 

Ein geordneter Rückzug kommt für die FPÖ dennoch nicht infrage. Schließlich erhob es Herbert Kickl zur „patriotischen Pflicht“, einen Gegenkandidaten zu Alexander Van der Bellen ins Rennen zu schicken.

Als der FPÖ-Obmann die Kampfansage an den Amtsinhaber formulierte, konnte er noch nicht wissen, dass seine Partei ihrerseits mit Konkurrenz zu rechnen habe. Vergangene Woche kündigte der Vorsitzende der Impfverweigerer-Partei MFG (Menschen-Freiheit-Grundrechte), Michael Brunner, seine Kandidatur an. Bei der Landtagswahl in Oberösterreich im September 2021 hatte MFG der FPÖ Wähler abgeluchst und mit 6,2 Prozent den Einzug in den Landtag geschafft. Dass die Partei ein ernst zu nehmender Mitbewerber ist, zeigen auch die aktuellen Umfragedaten. Mit sechs Prozent würde MFG derzeit den Einzug in den Nationalrat fix schaffen. 

Die zweite radikale Randfigur, die der FPÖ im Wahlkampf gefährlich werden könnte, ist Gerald Grosz, Ex-Politiker, nunmehr Autor und Internet-Blogger. Grosz ist mit der jetzigen blauen Führungsriege gut bekannt. Zur Zeit der ersten ÖVP-FPÖ-Koali-tion ab 2000 war er Pressesprecher des Ministers, Vizekanzlers und FPÖ-Chefs Herbert Haupt. Herbert Kickl leitete zu dieser Zeit die FPÖ-Parteiakademie. 

Als Jörg Haider 2005 das BZÖ von der FPÖ abspaltete, folgte ihm Grosz, Kickl aber nicht. Von 2008 bis 2013 saß Grosz für das BZÖ im Nationalrat. In seinen Krawallauftritten in Fernsehen und Netz setzt Grosz auf die typischen blauen Themen: gegen EU, NATO, Zuwanderer, Integration, Waffenlieferungen an die Ukraine; für Neutralität, rasche Abschiebungen, dichte Grenzen, Verständnis für Russland. Seine mitunter schrägen Darbietungen haben ihre Fans. In den sozialen Medien folgen Grosz immerhin 500.000 Anhänger. Die notwendigen 6000 Unterstützungserklärungen sollten so kein Problem sein. 

„Wir haben zwei Kandidaten, die im selben Becken wie die FPÖ fischen. Für Parteichef Kickl ist das eine unangenehme Situation“, sagt der Meinungsforscher (Unique research) Peter Hajek. Im schlimmsten Fall könnte die FPÖ sogar den unter normalen Umständen fixen zweiten Platz verspielen und vom linken Kandidaten, Bierpartei-Chef Dominik Wlazny („Marco Pogo“), überholt werden.

Ein maues Ergebnis bei der Wahl wäre ein erster Dämpfer für Herbert Kickl. Am 19. Juni 2021 war er auf einem außerordentlichen Bundesparteitag in Wiener Neustadt zum Obmann gewählt worden. In seinem ersten Jahr an der Spitze gelang es ihm, die FPÖ zu stabilisieren. Nach den Turbulenzen seit dem Ibiza-Skandal 2019 liegen die Freiheitlichen in den Umfragen wieder konstant bei 20 Prozent. Tritt Kickl auf seiner Sommertour in den Bundesländern auf, sind die Bierzelte gefüllt, wie vergangenen Donnerstag beim Wieselburger Volksfest, wo Kickl in gewohnter Manier gegen die „Großkopferten in Wien“ austeilte. Zur Frage des FPÖ-Präsidentschaftskandidaten meinte er: „So lange wird es jetzt nicht mehr dauern, bis wir das Geheimnis lüften. Wohl noch vor dem Sommer.“

Bei Redaktionsschluss von profil vergangenen Freitag war allerdings noch keine Sitzung des FPÖ-Parteipräsidiums angesetzt.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.