Interview

Christian Hafenecker: „Ich bin kein Verschwörungstheoretiker

Der FPÖ-Generalsekretär und Mediensprecher würde ORF1 abschaffen, findet aber: Ohne Ö1 kann der Tag nicht beginnen. FPÖ-TV hält er für „objektiv“, und sagt: Das FPÖ-Medienimperium ist durch Corona erst so richtig groß geworden.

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Welche Nachrichten schauen Sie sich morgens zuerst am Handy an?
Hafenecker
Als Erstes die Apple-News-App, dort werden die wichtigsten Nachrichten nach meinem Leseverhalten gezeigt. Danach kommt die APA. Und das Ö1-Morgenjournal ist ein Morgenritual, ohne das der Tag nicht beginnen kann.
Schauen Sie ZiB-Sendungen?
Hafenecker
Wenn möglich, schaue ich mir die ZiB2 an, weil es dort den meisten politischen Content gibt. Wie der zu bewerten ist, steht auf einem anderen Blatt.
Was macht für Sie ein objektives Medium aus?
Hafenecker
Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk darf nicht den Eindruck entstehen, dass er in eine gewisse Richtung gelenkt wird. Mir fehlt die Pluralität. Gerade während Corona hat man immer dieselben Experten oder sogar den eigenen Wissenschafts-Chef befragt.
Viele Politiker nehmen Einladungen nicht an, zum Beispiel FPÖ-Chef Herbert Kickl beim „Bürgerforum“ auf Puls 24. Kann man absagen und sich beschweren zugleich?
Hafenecker
Ich habe mir angesehen, wem Kickl zuletzt Interviews gegeben hat: der TT, dem ORF, profil, der APA und OE24. So viel zum Spin, er geht nirgends hin. Bei Puls24 verorte ich eindeutige politische Schlagseite.
Puls24 würde sicher widersprechen.
Hafenecker
Der Sender ist linkslastig. Wir brauchen ihn nicht. Kickl erreicht mit Videos auf unseren Social-Media-Kanälen mehr Publikum.
Sie haben auf Ihrem Youtube-Channel behauptet: Es bestehe der Verdacht, Armin Wolf wirke an Wahlmanipulationen des ORF mit. Beweisen konnten Sie das natürlich nicht. Wie in aller Welt soll der ORF Wahlen manipulieren?
Hafenecker
Ich habe nie behauptet, Armin Wolf hätte Wahlen manipuliert. In dem Video habe ich sein Foto sinnbildlich für den ORF gezeigt. Es ist mittlerweile von mir richtiggestellt worden.
Sie mussten die Aussage widerrufen. Das Video ist aber noch online.
Hafenecker
Den Verdacht gegenüber dem ORF nehme ich nicht zurück: Wenn SORA dort für Wahlanalysen zuständig ist und gleichzeitig Strategiekonzepte für die SPÖ schreibt, muss die Frage legitim sein. Es ist ein Problem, wenn der ORF ein Forschungsinstitut beauftragt und nicht vereinbart, dass es keine Parteiaufträge annehmen kann. Man hat bei Sebastian Kurz und dem Beinschab-Tool gesehen, wie man mit Umfragen Stimmung machen kann.
SORA hat für den ORF Hochrechnungen gemacht, da ist die Wahl schon beendet und könnte nicht einmal theoretisch beeinflusst werden.
Hafenecker
Wir recherchieren gerade Hintergründe. Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel: Robert Ziegler hat als Chefredakteur von ORF Niederösterreich am Samstag vor der Wahl dafür gesorgt, dass die Liederbuchaffäre in die Nachrichtensendungen gebracht wird. Er war geheimer Medienlandesrat.
Eine ORF-Kommission hat sich mit Robert Ziegler befasst. Haben Sie generell Zweifel, ob es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht?
Hafenecker
Den ORF brauchen wir ganz dringend. Österreich würde sonst als kleiner Markt von deutschen Sendern aufgefressen werden, das wäre Puls4 zum Quadrat. Die Politik definiert den öffentlichen Auftrag. Aus unserer Sicht sind das Information und Nachrichten, Politik, Sport, Kultur und bis zu einem gewissen Grad Unterhaltung. Damit meine ich aber nicht alte amerikanische Sitcoms. ORF1 ist mit internationalen Produktionen vollgestopft und wohl weit weg vom öffentlichen Interesse.
Sie fordern, man sollte den Kanal abschaffen?
Hafenecker
ORF1 könnte man aus meiner Sicht ersatzlos streichen. Man muss auf die Situation am Markt eingehen. Öffentlich-rechtliche Berichterstattung ist wichtig, weil dort auch wertvolle Dokumentationen gemacht werden.
Dann müssen sie ein großer Fan von ORF3 sein.
Hafenecker
ORF3 macht gutes Programm. Ich merke, dass sie sich stark an Servus TV orientieren.
Woran merken Sie das bitte?
Hafenecker
Weil es immer mehr Sendungen mit Heimatbezug gibt. Ich habe den Eindruck, es wird um eine ähnliche Seherschaft gebuhlt.
Chefredakteurin Lou Lorenz-Dittelbacher würde das wohl nicht unterschreiben. Würden Sie die Haushaltsabgabe abschaffen, wenn die FPÖ in der Regierung wäre?
Hafenecker
Wir hätten sie gar nicht beschlossen. Ganz allgemein: 70 Millionen dazuzugießen, ohne vorher einen klaren Auftrag zu definieren, halte ich für einen schweren Fehler von der Medienministerin. Jetzt kommt noch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs hinzu.

„Es gibt massive Bestrebungen, die Ernährung zu verändern und alle auf Gemüse umzustellen.“

Christian Hafenecker

über Berichte über den angeblichen Zwang, Insekten und kein Fleisch mehr essen zu können

Wenn Sie einen unabhängigen ORF wollen, wäre das eher mit einer Haushaltsabgabe gesichert als mit einem Budget, das alle paar Jahre ausverhandelt wird.
Hafenecker
Deswegen schlagen wir einen Budgetrahmen vor, der über eine Legislaturperiode hinausgeht. Es ist nicht notwendig, dass sich der ORF jedes Jahr selbst gängeln muss, um zum Budget zu kommen.
ORF-Satiriker Peter Klien wurde von einem FPÖ-Security in den Schwitzkasten genommen. War das ein Fehler?
Hafenecker
Klien hat selbst gesagt, dass er keine körperlichen Schmerzen verspürt hat. Er hat sich mit einer unglaublichen Aufdringlichkeit in einen Bus bugsiert, da muss er schon selbst wissen, wo die Grenze ist. Aber ich muss dazusagen: Mir haben die Bilder mit dem Security auch nicht gefallen.
Kickl spricht von „etablierten, ist gleich gekauften“ Medien. Was meint er: Gekauft durch Inserate?
Hafenecker
Die Regierung hat den Medien Millionen an Werbeausgaben zukommen lassen: 2020 waren es 47,3 Millionen Euro, 2022 28,9 Millionen. Dazu gibt es Förderungen durch das „Qualitätsmediengesetz“. Das ist indirektes Anfüttern. Jeder weiß: Wenn zum Beispiel das Klimaschutzministerium eine Kampagne bezahlt, wird man sich nicht kritisch mit dem Klimawandel auseinandersetzen.
Viele unabhängige Medien agieren unabhängig von Inseraten. Und: FPÖ-Landesregierungen inserieren in FPÖ-Medien. Sie machen das, was Sie kritisieren.
Hafenecker
Das ist keine Anfütterung. Man inseriert dort, wo man Leser und Sympathisanten vermutet. Wenn hingegen die Bundesregierung über Corona oder Klimawandel tatsächlich aufklären will, muss sie in Segmente hinein, die das anders sehen und nicht die üblichen Blätter lesen. Das tut sie aber nicht.
Nach der Logik dürfte die FPÖ nicht bei Info-Direkt oder FPÖ-Landesräte in FPÖ-Medien inserieren, das lesen nur Fans.
Hafenecker
Aber nicht ausschließlich. Jede Regierung schaltet Kampagnen – wenn die FPÖ mitregiert, werden aber die Inserate breiter gestreut. Wenn wir nicht mitregieren, werden nur die üblichen Verdächtigen bedient.
Sollte die FPÖ in die Bundesregierung kommen, wird sie keine Inserate in FPÖ-nahe Medien schalten?
Hafenecker
Dann müsste man evaluieren, was es an Öffentlichkeitsarbeit braucht. Ich gehe davon aus, dass der Etat dafür in einer FPÖ-dominierten Regierung massiv zusammen gestrichen werden würde.
Wie viel Geld gibt die FPÖ für Inserate und Kampagnen in FPÖ-Medien aus?
Hafenecker
Das weiß ich nicht. In der FPÖ bin ich als Generalsekretär nur für die politischen Belange zuständig, nicht für die wirtschaftlichen. Aber wo eine Partei – das ist der Unterschied zu einer Regierung – inseriert, ist ja ihre Sache. Ich wäre ein schlechter Generalsekretär, wenn wir nur in Medien inserieren, die gegen uns recherchieren. Man ist ja nicht sein eigener Feind.
Die FPÖ baut seit einem Jahrzehnt ein Parallel-Medienimperium auf. Was ist das Ziel?
Hafenecker
Zur Zeit, unzensuriert.at und FPÖ-TV gibt es schon sehr lange. Der Schub für weitere Online-Portale kam in der Corona-Zeit. In den etablierten Medien hat sich niemand kritisch damit auseinandergesetzt. So entstand eine Gegenöffentlichkeit – ohne dass die FPÖ Abermillionen zahlte. Mein Youtube-Kanal hat zwischen 350.000 bis 400.000 Zuseher im Monat. Die ersten Videos waren furchtbare Gehversuche, mittlerweile funktioniert es. Und wir sind zufrieden, weil die FPÖ in etablierten Medien nicht gut behandelt wird.
Das Motto von FPÖ-TV ist „objektiv, direkt, ohne Zensur“. Der Parteichef ist gleichzeitig Chefredakteur. Das ist parteiisch, nicht objektiv.
Hafenecker
Es steht ja im Logo „FPÖ TV“. Wer das nicht versteht, ist selbst schuld. Wir sind fairer als die SPÖ, die sich hinter dem Kürzel kontrast.at verbirgt.
Aber objektiv ist FPÖ-TV nicht.
Hafenecker
Aus unserer Sicht ist es eine objektive Berichterstattung über unsere politischen Anliegen und Themen.
Da müssen Sie jetzt selbst schmunzeln. Glauben Sie eigentlich, was so auf FPÖ-Medien verbreitet wird – etwa, dass alle bald Insekten essen müssen?
Hafenecker
Gewisse Dinge werden natürlich überspitzt dargestellt, wie in anderen Medien auch. Aber die Insekten-Debatte gab es tatsächlich. Manche Wissenschafter empfehlen, mit dem Fleisch-Essen aufzuhören. Sich damit kritisch auseinanderzusetzen, das muss ja möglich sein.
Aber niemand zwingt alle dazu, Insekten zu essen. Dennoch hat Herbert Kickl auf FPÖ-TV das Stichwort Fleisch sei aus, es gingen nur noch Heuschrecken, gegeben.
Hafenecker
Es gibt massive Bestrebungen, die Ernährung zu verändern und alle auf Gemüse umzustellen.
Niemand hindert jemand daran, Fleisch zu essen.
Hafenecker
Schauen Sie sich doch die Werbespots an! Alle werben für Gemüse. Es gibt Debatten, dass mehr Sozialversicherungsbeiträge bezahlen muss, wer mehr Fleisch isst. Wir saugen uns das nicht aus den Fingern.
Sie haben neulich auf FPÖ-TV behauptet, dass von der EU Zensur geplant ist. Aber Sie können doch über alles, was Sie sprechen möchten, reden.
Hafenecker
In der Corona-Zeit gab es den Passus der medizinischen Fehlinformation. Wer sich kritisch zur Impfung äußerte, wurde in sozialen Medien gesperrt. Wenn ich mich jetzt im Parlament kritisch mit dem Klimawandel auseinandersetze, wird das Video womöglich auf Youtube gesperrt. Und im ORF komme ich damit nur in „Willkommen Österreich“ vor. Darüber muss man übrigens reden, ob Satire wirklich alles darf. Da werden Menschen verspottet. Das würde es auf FPÖ-TV nicht geben.
Sie zeigen Armin Wolf mit Balken vor den Augen oder fahren eine Kampagne gegen Politologin Natascha Strobl.
Hafenecker
Hinter der Kampagne stehe ich voll und ganz. Wer so scharf kritisiert und austeilt wie Frau Strobl, muss auch kritische Auseinandersetzung aushalten. Wir machen sichtbar, dass sie keine objektive Expertin ist.
Das ist keine kritische Auseinandersetzung. Sie hetzen gegen Strobl.
Hafenecker
Sie soll nicht so zimperlich sein, immerhin ist sie Obfrau des Vereins, der Spenden für SPÖ-Chef Andreas Babler gesammelt hat und kommt auch sonst nicht völlig unpunziert daher.
Glauben Sie an den „Great Reset“?
Hafenecker
Ich glaube schon, dass es supranationale Netzwerke gibt, die sich in gewissen Bereichen abstimmen. Das findet dann Eingang in die Arbeit der EU-Kommission oder der WHO. Da gibt es Interessenslagen, die woanders als in Parlamenten diskutiert werden.
Und wer steckt da dahinter Ihrer Meinung nach? Der Verschwörungsmythos „Great Reset“ handelt davon, dass geheime Eliten Corona planten, um die Weltbevölkerung zu dezimieren und eine neue Weltordnung zu etablieren.
Hafenecker
Ich führe jetzt mit Ihnen sicher keine Verschwörungsdiskussion. Aber es gibt Interessenslagen und Lobbys, etwa Pharma- oder Waffenkonzerne, die ihre Interessen durch verschiedene Netzwerke ventilieren und auf die Politik Einfluss nehmen. Aber ich bin kein Verschwörungstheoretiker.

Fotos: Alexandra Unger

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin