Österreich

Das hat die Regierung 2024 noch vor

Bodenschutz, die virtuelle Ordination und Arbeitskräfte-Rekrutierung: Einige Regierungsmitglieder haben für 2024 noch große Pläne, viel Zeit bleibt ihnen aber nicht mehr. Was haben sie konkret vor? Ein Rundruf.

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Der Regierung unter Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vize Werner Kogler (Grüne) bleiben bestenfalls noch neun Monate, bevor sich durch den Wahlkampf das Zeitfenster für Sachpolitik schließt. Bei einigen Projekten wie dem Klimaschutzgesetz, dem Glücksspielpaket oder dem Bundesstaatsanwalt liegen die Positionen der Koalitionäre so weit auseinander, dass man keine Wetten mehr auf eine Realisierung abschließen sollte. Beide Koalitionsparteien sind dennoch bemüht, Optimismus für die Schlussphase ihrer Zusammenarbeit zu versprühen. Mit welchen Projekten ist im kommenden Jahr noch zu rechnen? profil hat bei den Ressortchefs nachgefragt.

Grünland statt Bauland

Im Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler (Grüne) sind bis zur Nationalratswahl (planmäßig im Herbst 2024) noch eine Reihe an Umweltschutz-Vorhaben geplant. Am wichtigsten ist der Ressortchefin die Bodenschutzstrategie. Dafür ist sie zwar formal nicht zuständig, Gewessler will aber Druck machen, dass sich Bund, Länder und Gemeinden auf eine verbindliche Obergrenze für Flächenverbrauch einigen. Laut der Umweltorganisation WWF wurden im Jahr 2022 täglich zwölf Hektar Bodenfläche versiegelt – das fünffache an Fläche, die im Nachhaltigkeitsziel des Bundes festgeschrieben wurde.

Digitaler Personalausweis

Digitalisierungs-Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) plant, die elektronischen Ausweise auszuweiten. Der digitale Führerschein wurde heuer 380.000-mal ausgestellt. Für das Jahr 2024 soll der Zulassungsschein und der Personalausweis in digitaler Form folgen.

Compliance im Sport

Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Grüne) setzt sich für mehr Integrität in Sportverbänden ein. In den letzten Jahren wurden immer wieder Fälle von sexueller Belästigung und Machtmissbrauchs im Sport publik. Durch Fördermittel und ein Prüfsiegel sollen Sportorganisationen belohnt werden, welche konkrete vorbeugende Maßnahme gegen Übergriffe und Compliance-Regeln in ihren Verbänden vorweisen können. 

Mehr Zuwanderung

Der Fachkräftemangel wird auch 2024 noch Thema sein. Im Rahmen des „Strategieausschusses für internationaler Fachkräfte“ wird sich Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) der gezielten Fachkräfterekrutierung widmen. Erklärtes Ziel ist die Beschleunigung der Verfahren zum Erhalt einer Rot-Weiß-Rot-Karte. Bis 2027 sollen jährlich mindestens 15.000 Menschen eine Arbeitserlaubnis erhalten.

Weniger Zuwanderung

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) will “die Bekämpfung der illegalen Migration” zur höchsten Priorität für das kommende Jahr machen. Was das heißt: Bis zum Ende der Legislaturperiode soll die Zahl der Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten erhöht werden. Bisher ist Österreich an 123 solcher bilateralen Abkommen beteiligt, um Dritt-Staatsangehörige ohne gültigen Aufenthaltsstatus in die jeweiligen Herkunftsländer abschieben zu können. Verhandlungen über weitere Migrationsabkommen mit den Staaten Ägypten, Kuwait, Kasachstan, Oman, Indonesien, Somalia und Aserbaidschan laufen. Die Staaten, aus denen die meisten Asylwerber kommen, sind freilich nicht darunter.

Zugang zu Dokumenten von Behörden

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) plant, das im Herbst präsentierte Informationsfreiheitsgesetz mit einer Zweidrittel-Mehrheit durch das Parlament zu bringen. Dafür braucht die Regierung entweder die FPÖ oder die SPÖ. Bürger:innen sollen dadurch ein Grundrecht auf Information erhalten. Auskünfte über beispielsweise Gutachten oder Bauverfahren wären dann von den jeweiligen Gemeindeämtern an die Bürger:innen zu erteilen. Kritik kommt von Seiten kleinerer Gemeinden, da diese um einen hohen Verwaltungsaufwand fürchten. Ob das Gesetz hält, was es verspricht, bleibt abzuwarten. Schon bisher schmetterten Behörden lästige Anfragen von Bürgern und Journalisten oft mit dem Argument “Datenschutz” ab. Ein von der NGO Forum Informationsfreiheit geforderter Informationsfreiheitsbeauftragter kommt nicht.

Ausbau der Kinderbetreuung

2024 soll mit dem Ausbau der Kinderbetreuungsplätze begonnen werden. Bis 2030 stehen dafür jährlich 500 Millionen Euro zur Verfügung, damit plant Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) die Anzahl der Betreuungsplätze und die Öffnungszeiten zu erweitern. Bisher investierte der Bund lediglich in die Infrastruktur von Kindergärten, für den Betrieb waren Länder und Gemeinden zuständig. Aktuell werden 76.000 der unter Dreijährigen in Kindergärten betreut, bis 2030 sollen durch den Ausbau bis zu 50.000 weitere Betreuungsplätze geschaffen werden. Die größte Herausforderung: ausreichend Personal für die neuen Krippen und Kindergärten zu finden. Das Projekt steht auf der Prioritätenliste von Kanzler Nehammer jedenfalls ganz oben, wie sein Büro versichert.

Zivildienst-Reform

Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakholm (ÖVP) hat sich für 2024 vorgenommen, den Zivildienst zu reformieren. Nach Angaben des Kanzleramts soll die Vergütung für Zivildiener im kommenden Jahr um 9,14 Prozent erhöht werden. Für Betriebe, in denen Zivildiener tätig sind, soll der bürokratische Aufwand reduziert werden.

Cyberspezialisten für die Polizei

Um elf Prozent wurde das Sicherheitsbudget des Innenministeriums auf vier Milliarden Euro für das Jahr 2024 erhöht. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) plant mit den Mitteln die regionalen Dienststellen in den Bundesländern auszubauen. Im Zuge der Dienstreform sollen 38 Assistenzstellen mit 700 zusätzlichen Arbeitsplätzen für Spezialist:innen in den Bereichen Cyberkriminalität, Tatortarbeit oder Prävention geschaffen werden. Des Weiteren soll die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) künftig mit neun Landesämtern in den Bundesländern tätig werden. Für die Polizist:innen soll währenddessen neue Ausrüstung angeschafft werden: Body-Cams (Körperkameras), Diensthandys und eine neue Hubschrauberflotte werden für das nächste Jahr erwartet.

Weniger Steuern auf Aktien

Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) will für 2024 eine Kapitalertragssteuer-Befreiung (KESt) für Wertpapiere erreichen, gleichzeitig setzt er sich für die Wiedereinführung der Behaltefrist für die KESt ein. Damit wären Gewinne aus Finanzgewinne erst nach einer Frist fällig. 2011 wurde die Behaltefrist gestrichen. Seither sind Gewinne aus Aktienverkäufen unabhängig von ihrer Investitionsdauer KESt-pflichtig. Aktuell sind Erträge aus Aktien mit 27,5 und Spareinlagen mit 25 Prozent KESt besteuert. 

Virtuelle Ordination

Nach dem heurigen Beschluss der umstrittenen Gesundheitsreform, bereitet Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) die Umsetzung dieser vor. Neben dem geplanten Ausbau der Gesundheitshotline 1450 hin zu ärztlichen Video-Visiten, soll die digitale Gesundheitsakte ELGA auf Wahlärzt:innen ausgeweitet werden. In der Patientenversorgung plant das Ministerium im niedergelassenen Bereich 100 zusätzliche Kassenstellen, in den Spitälern sollen die Ambulanzen durch digitale Angebote entlastet werden.

Anlaufstelle für Gewalt-Betroffene

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) plant die Errichtung von Gewaltambulanzen. In diesen Anlaufstellen sollen sich Betroffene von körperlicher oder sexueller Gewalt kostenlos untersuchen lassen können und Verletzungen für etwaige spätere Gerichtsverfahren dokumentieren lassen können. Durch diese Maßnahme erwarte sich das Ministerium eine höhere Verurteilungsquote wie etwa bei Fällen von häuslicher Gewalt. 

Verkürztes Lehramtsstudium

Um den Lehrkräftemangel in den heimischen Schulen zu bekämpfen, verhandelt Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) über eine Reform der Lehrerausbildung. Konkret plant das Bildungsressort eine Reduzierung der Mindeststudienzeit von Lehramt-Bachelorstudien auf sechs Semester (bisher acht Semester). Die Induktionsphase, in welcher die Studierenden in den Klassenzimmern unterrichten, soll dem Masterstudiengang angerechnet werden können. 

Neuer Lehrberuf: Berufsjagdwirtschaft

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) plant für 2024 eine Reform der Ausbildung in land- und forstwirtschaftlichen Berufen. Neben dem Entfall der Gebühren für Meisterprüfungen, verhandelt Minister Totschnig zusätzlich um die Einführung der Berufsjagdwirtschaft als Lehrberuf.

Mehr Geld für das Bundesheer

Der Heeresfuhrpark darf sich in den kommenden Jahren über zahlreiche Neuanschaffungen freuen: Neue Panzer, Hubschrauber und eine Nachfolge für die Hercules-Transportmaschine sind geplant. Das wird teuer, doch das Budget von Verteidigungsministern Klaudia Tanner (ÖVP) wurde um 21 Prozent auf über vier Milliarden Euro erhöht. Angesichts der geopolitischen Lage waren alle Parlamentsfraktionen dafür, das Bundesheer wieder mit mehr Mitteln auszustatten. Die Ministerin will das Bundesheer als attraktiven Arbeitgeber positionieren. Die Besoldung der Bediensteten solle zukünftig mit jener der Privatwirtschaft mithalten können.

Fair-Pay in der Kultur

Für Staatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) gilt es 2024 die Fair-Pay-Initiative für bessere Bezahlung in der freien Kulturszene weiter voranzutreiben. Die Fördermittel für Künstler und Kunstprojekte sind vom Bund für das neue Jahr auf 10 Millionen erhöht worden.

Tourismus-Screening

72 Millionen Nächtigungen verzeichnete der Tourismus in der vergangenen Sommersaison. Negativbeispiele wie Hallstatt zeigen für Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP), dass erfolgreicher Tourismus nur mit Zustimmung der Bevölkerung funktioniere. Um Widerstand der Anwohner frühzeitig zu identifizieren, lässt die Staatssekretärin das Screening zur Tourismusakzeptanz in Österreich ausweiten. In Zukunft sollen 10.000 Menschen befragt werden, fünfmal so viele wie bisher. 

Kevin Yang

schreibt im Rahmen des 360° JournalistInnen-Traineeship für profil.

Moritz Gross

schreibt im Rahmen des 360° JournalistInnen-Traineeship für profil.