Nachruf

Der letzte Mitteleuropäer: Zum Tod von Karel Schwarzenberg

profil-Autor Otmar Lahodynsky kannte Schwarzenberg aus vielen Gesprächen. Ein persönlicher Nachruf auf einen Kämpfer gegen Kommunismus und Nationalismus, der 1970 mithalf, das profil zu gründen. Vor seinem Tod warnte der eindringlich vor Putin.

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Er war einer der letzten mitteleuropäischen Grenzgänger. Karl (Karel) Schwarzenberg verfügte über ein profundes Wissen über Politik und Kultur und über alles, was sich zwischen Prag, Budapest, Krakau und Wien so zutrug. Bei einem der letzten Gespräche, das profil mit ihm führte, mahnte er zu umfassender Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Aggressor. Wladimir Putin müsse vom Westen auch militärisch gestoppt werden, da er die EU zerstören und ein russisches Imperium wiederherstellen wolle. Die Annexion der Krim sei nur die Vorspeise gewesen, sagte er lange vor Putins Überfall auf die Ukraine 2022.

Schwarzenberg war immer ein „homo politicus“. In Österreich wurde der 1937 in Prag geborene Adelige nie in eine politische Funktion eingeladen. Seine Schweizer Staatsbürgerschaft und der dadurch fehlende österreichische Pass diente dabei nur als Ausrede. Ähnlich wie sein Freund Erhard Busek war „Kary“ auch vielen ÖVP-Politikern zu intellektuell und wohl auch zu eigenwillig. Als Präsident der „Internationalen Helsinki Gesellschaft“ setzte er sich für Menschenrechte in den kommunistisch regierten Ländern ein und knüpfte Kontakte zu Dissidenten. Auch Druckmaschinen und Papier ließ er ihnen zukommen.

So war es dem tschechischen Schriftsteller und ersten frei gewählten Staatspräsidenten der Tschechoslowakei Václav Havel vorbehalten, nach dem Ende des Kommunismus Schwarzenberg 1990 als „Kanzler“ (Kabinettschef) auf die Prager Burg zu holen. Der 1948  beriet ihn umfassend, dazu gehörten auch Treffen mit internationalen Künstlern wie Frank Zappa.

Später, 2007, wurde er über Vorschlag der tschechischen Grünen Außenminister der Tschechischen Republik und blieb es mit kurzer Unterbrechung bis 2013. Dann unterlag er knapp bei den Präsidentenwahlen dem sozialdemokratischen Gegenspieler Milos Zeman. Vermutlich hat ihm damals seine Kritik an der Vertreibung der Sudetendeutschen 1945 den Wahlsieg gekostet.

Denn Schwarzenberg wollte sich nie verstellen oder sich irgendeiner „Message Control“ unterwerfen. Daher hielt er sich auch nicht mit Kritik an innenpolitischen Vorgängen in Österreich zurück. Wolfgang Schüssels Koalition mit Jörg Haiders FPÖ sah er als Fehler, später wandte er sich in einem Interview mit mir auch gegen Norbert Hofer als Bundespräsident, weil dieser „Österreichs Position in der Welt untergraben“ würde. Österreich stehe „aus historischen Gründen unter Beobachtung“. Und viele Österreicher glaubten noch immer, „dass die Führungsrolle Österreichs in Mitteleuropa naturgegeben“ sei.

Der zunehmende Nationalismus in der EU bereitete ihm Sorgen, aber dieser sei oft nur eine Reaktion auf globale Probleme. Die größte Schwäche der EU bestehe darin, „dass Außenpolitik, Verteidigung, Energie und Wirtschaftspolitik noch immer national und nicht gemeinsam gestaltet“ würden. 

Den Aufstieg von Sebastian Kurz kommentierte er kritisch. Als Außenminister habe er es versäumt, sich einen Stab von erfahrenen Beratern zuzulegen, sagte er mir. Und Österreich habe in der EU zu wenig Verbündete und bleibe zu sehr auf Deutschland konzentriert.

Obwohl er als Oberhaupt des Fürstenhauses über 40.000 Hektar Grundbesitz in Österreich, Tschechien und Deutschland verfügte, bezeichnete er sich gerne bescheiden als „Forst- und Gastwirt“. Gern zog er sich auf seine Burg im steirischen Murau zurück oder auf sein kleines Landgut in der Nähe von Prag, wo bei seinem Eintreffen stets die Flagge der Fürstenfamilie gehisst wurde. Sein Sohn kümmert sich schon länger um den Grundbesitz in Österreich, zu dem auch das gerade in Umbau befindliche Hotel im Palais Schwarzenberg in Wien gehört.

Schwarzenberg hat 2009 in Tschechien eine liberal-bürgerliche Partei „Top 09“ gegründet und war Senator im Parlament. Unabhängige Medien waren ihm wichtig. So wie er schon 1970 an der Gründung der Zeitschrift „profil“ mithalf (als Kreditgeber), finanzierte er später in Tschechien die liberale Zeitschrift „Respekt“.

Sein eher schwieriges Verhältnis zu seinen drei Kindern zeichnete Tochter Lila vor einem Jahr in einem berührenden Dokumentarfilm nach. Der seit Jahren gesundheitlich angeschlagene Schwarzenberg starb am 11. November in einem Wiener Spital im Beisein seiner Familie.