Diese Regeln könnten Grundstück-Deals von Amtsträgern erschweren
Ein Politiker kauft ein Grundstück wohlwissend, dass dessen Wert bald steigen wird – etwa weil eine Umwidmung der Fläche ansteht. Das ist derzeit rechtlich erlaubt.
Doch was soll mit den Gewinnen passieren, die daraus entstehen? Sollte es möglich sein, dass der Grafenwörther Bürgermeister Alfred Riedl ein Grundstück kauft – und wenig später mit ordentlichem Gewinn weiterreicht, nachdem die Gemeinde das Grundstück von Ackerland zu Bauland aufgewertet hat?
Eine Expedition auf rechtlichem und moralischem Terrain. Dabei soll es nicht darum gehen, ob Ernst Nevrivy und Co. strafrechtliche Konsequenzen drohen, sondern ob es in Österreich vermeidbar wäre, dass sich Politiker mit Grundstücks-Deals einen Vorteil verschaffen. Es gibt im Wesentlichen zwei Vorschläge.
1. Mehr Transparenz
Bei Anlassgesetzgebung sind Verfassungsexperten vorsichtig. Denn die beste Rechtsordnung kann den Anstand nicht ersetzen. Grundsätzlich kann man niemandem verbieten, sich ein Stück Land zu kaufen – auch keinem Bürgermeister. „Auch ein politischer Funktionsträger darf Spekulationskäufe machen“, sagt Peter Bußjäger, Direktor des Instituts für Föderalismus sowie Verfassungsjurist.
Eine unkomplizierte Lösung sieht für Bußjäger so aus: Die Gemeinderäte stellen sich sogenannte „Compliance“-Regeln, sie verpflichten sich also selbst dazu, während ihrer Amtsausübung keine Grundstücke zu kaufen, von denen sie wissen, dass eine Umwidmung und somit eine Wertsteigerung ansteht. Anhand dieser selbst gestellten Verhaltensregeln könnten Wählerinnen und Wähler ein Vergehen sanktionieren – nämlich durch eine Abwahl.
Wem ein Grundstück gehört, ist im Grundbuch ersichtlich. Bei der Kaufanbahnung wäre noch mehr Spielraum für Transparenz gegeben. Proponenten des Antikorruptionsvolksbegehrens schlagen vor, dass Bürgermeister und Bezirksvorsteher rechtzeitig offenlegen sollen, wenn sie beabsichtigen, ein Grundstück zu kaufen – und auch, was mit diesem Grundstück passieren soll. Konkret sollte der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden, was die Konsequenzen der Umwidmung wären. Es müsse klar sein, was es für Folgen hat, wenn ein Grundstück umgewidmet wird. Das sei auch eine relevante Information für andere Interessenten des Grundstücks.
2. Steuern auf Umwidmungsgewinne
Seit Bekanntwerden des Kleingarten-Skandals des roten Bezirksvorstehers Nevrivy fordert SPÖ-Chef Andreas Babler eine Umwidmungsabgabe.
Derzeit sieht die Raumordnung keine Abschöpfung der Widmungsgewinne vor. Solch eine Abgabe wäre laut Barbara Steinbrunner „auf jeden Fall zu empfehlen“. Die Expertin für Bodenpolitik an der Technischen Universität (TU) in Wien begründet das damit, dass das Wert des Grundstückes für die Eigentümer stark ansteigt, wenn zum Beispiel Grünland in Bauland umgewidmet wird: „Ohne ihr Zutun profitieren sie vollumfänglich von Maßnahmen der öffentlichen Hand.“
Verfassungsexperte Bußjäger gibt bei Bablers Vorschlag zu bedenken, „dass es bereits jetzt eine sehr hohe Immobilienertragssteuer gibt, die bei Grundstücksverkäufen schlagend wird und den Vermögensgewinn besteuert“. Sie gelangt aber nur bei Verkäufen zur Anwendung, nicht bei Schenkungen. Dennoch müsse ein Umwidmungsabgabe jedenfalls auf die Immobilienertragssteuer Rücksicht nehmen: „Es darf nicht im Ergebnis zweimal dasselbe besteuert werden.“
Stadt Wien bestätigt Pläne
Schon jetzt zahlen Grundbesitzer Gebühren für Kanal, Wasserleitungen und Straßen, erklärt Steinbrunner. Durch eine Umwidmungsabgabe bliebe den Gemeinden aber mehr Geld für die öffentliche Infrastruktur, also beispielsweise für Freiflächen zur Erholung oder soziale Infrastruktur wie Kindergärten. Eine gesetzliche Verankerung ist auf Landesebene laut Bodenpolitikexpertin möglich und sinnvoll, wobei eine einheitliche nationale Regelung zu begrüßen sei.
Die Stadt Wien prüft derzeit „rechtliche Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Umwidmungsabgabe in Form einer Landesabgabe“, heißt es aus dem Rathaus auf profil-Anfrage. Auf die Höhe will man sich noch nicht festlegen.
Wie geht es jetzt weiter?
Auch nach geltender Gesetzeslage wäre es verboten, wenn ein Amtsträger die Entscheidung beeinflusst, dass sein eigenes Grundstück umgewidmet wird. Die Stadt Wien dementiert, dass das im Fall Nevrivy passiert wäre.
SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig schaltete sich bereits ein. Er beauftragte zumindest die Wiener SPÖ-Landesparteisekretärin Barbara Novak, die Causa bis Ende dieser Woche mit den betroffenen SPÖ-Funktionären zu besprechen, die Grundstücke im Kleingartenverein Breitenlee besitzen. Mögliche Konsequenzen stehen im Raum. Zu Rücktritten kam es bisher aber noch nicht.
Für die politische Konkurrenz ist diese Debatte ein gefundenes Fressen. „Die Umwidmung steigert nicht nur den Wert der Grundstücke, sondern brachte auch exklusiven Seezugang“, kritisiert Heidemarie Sequenz, Grünen-Gemeinderätin für Stadtplanung in Wien. Sie bezeichnet die rote Nachbarschaft im Kleingartenverein im Wiener 22. Bezirk als eine „gated Community [dt. geschlossener Wohnkomplex] mit Anschluss an die Stadtstrasse“, die dem Bezirksvorsteher so wichtig sei.
Die ÖVP hat angekündigt, eine Prüfung beim Stadtrechnungshof anzuregen. Dort kann jeder politische Klub im Rathaus ein Prüfersuchen pro Jahr stellen. Das Ansuchen der ÖVP ist auf profil-Anfrage noch nicht eingelangt. Bei umfangreichen Prüfungen kann es länger als ein Jahr dauern, bis der Bericht vorliegt, sagt eine Sprecherin.
Die Ironie daran: ÖVP-Bürgermeister Riedl aus Niederösterreich steht derzeit selbst wegen Grundstückdeals in der Kritik.