Die 27. Regenbogenparade (2023)
Erhöhte Terrorwarnstufe

DSN: „Latentes Gefahrenpotenzial“ bei Regenbogenparade

2023 wurden drei junge Männer verdächtigt, einen Anschlag auf die Wiener Pride geplant zu haben. Nach dem tödlichen Angriff in Mannheim stellt sich erneut die Frage der Sicherheit der Regenbogenparade – und der jihadistischen Gefahr.

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Neben Regenbogenfahnen, tonnenweise Glitzer und solidarischen Parolen gibt es auf der morgigen Wiener Pride auch einen unangenehmen Begleiter: Wie jedes Jahr müssen sich die knapp 200.000 Unterstützer:innen der LGTBQIA+-Community die Frage stellen: Wie sicher können sie feiern? 

Drei jugendliche IS-Sympathisanten – 14, 17 und 20 Jahre alt – sollen vergangenes Jahr in einem Telegram-Chat geplant haben, ein Sturmgewehr und ein großes Messer zu kaufen, um damit Besucher:innen der Pride-Parade anzugreifen. Auf ihren Handys fand man Propagandamaterial des „Islamischen Staats“, sowie Anleitungen zum Bauen einer Bombe. Die Ermittlungen stecken fest, die drei Verdächtigen wurden bereits wenige Tage nach ihrer Verhaftung freigelassen. 

Dass ein jihadistischer Anschlag geplant und nur knapp vereitelt wird, ist mittlerweile jedoch kein Einzelfall mehr. Im Oktober 2023 wurde in vielen europäischen Ländern die zweithöchste Terrorwarnstufe ausgerufen – so auch in Österreich. Der Verfassungsschutz warnt in seinem Ende Mai erschienenen Bericht vor einer neuen Terrorwelle; ein großer Fokus liegt hierbei auf der Terrorgruppe ISPK (Islamischer Staat Provinz Khorasan)

DSN beobachtet Jihadisten

Seit 2014 gibt es den IS-Ableger schon, entstanden ist er in der Provinz Khorasan, die sich in Teilen Afghanistans und Pakistans befindet. Gestärkt hat sie insbesondere der Rückzug US-amerikanischer Truppen 2021 aus Afghanistan – viele Taliban-Anhänger:innen schlossen sich dem ISPK aufgrund der „zu westlich orientierten Haltung der Taliban“ an. 

2022 nutzte die Terrororganisation die Flüchtlingsströme, die während des Ukraine-Kriegs entstanden sind, um Mitglieder aus Zentralasien nach Europa zu schleusen. 2023 gab es erste Anzeichen auf ein erhöhtes Gefahrenpotenzial durch den ISPK, im Juli vergangenen Jahres wurden erste Anhänger:innen festgenommen. 

Derzeit beobachtet die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) islamistische Gefährder:innen in einem höheren zweistelligen Bereich.

Gen Z als Zielpublikum der Islamisten

Jung, meist männlich, vorbestraft, gewaltbereit und selbst Opfer von Gewalt und Ausgrenzung – diese Beschreibung trifft auf das Zielpublikum der Rekrutierer zu. Ihre ethnische Zugehörigkeit steht im Hintergrund. Mobilisiert wird in Kleinstgruppen oder über Social Media. Eine besonders große Rolle spielt TikTok. Vereinzelt treten auch Rechtsradikale dem ISPK bei, gemeinsame Feindbilder verbinden sie: Die LGBTQIA+-Community und Jüdinnen und Juden. 

Social Media als Rekrutierungstool

Der ISPK ist in puncto Medienarbeit meisterhaft. Insbesondere deutschsprachige Inhalte sollen besonders gut geklickt werden, wie aus dem DSN-Bericht hervorgeht. Über soziale Netzwerke wie TikTok, Instagram, X (ehemals Twitter) oder den Messengerdienst Telegram verbreiten die Jihadist:innen Propaganda-Inhalte, um neue Mitglieder anzuwerben.

Maßgeblich ist hier vor allem die Quantität der ausgespielten Propaganda-Videos: „Besonders TikTok hat mehrere Eigenschaften, die es für eine Radikalisierung besonders anfällig machen. Da die Aufmerksamkeitsspanne bei Jugendlichen kurz ist, müssen Botschaften binnen weniger Sekunden in einem Reel positioniert werden. Diese Methode verstehen insbesondere die sogenannten ‚Influencer Preacher‘ hervorragend”, heißt es aus der Pressestelle der DSN auf profil-Anfrage. Mit „Influencer Preacher“ sind radikale Jihadist:innen gemeint, die sich auf Social Media als Islam-Prediger:innen ausgeben und insbesondere junge Menschen propagieren.

Durch das Internet rekrutierte Mitglieder werden dazu angestiftet, als Einzeltäter:innen oder in kleinen Gruppen Terroranschläge durchzuführen. Die Angriffe werden oft ohne viel Aufwand geplant, mit Tatwaffen wie Küchenmessern. In Online-Gruppen wird über Anschlagspläne diskutiert, Anleitungen zur Beschaffung von Waffen werden geteilt. Diese Niederschwelligkeit macht es Behörden besonders schwer, Anschlagspläne zu verhindern.

Ähnlich war es auch vergangenen Freitag in der deutschen Stadt Mannheim, als ein Jihadist während einer Veranstaltung der islamfeindlichen Bewegung Pax Europa (BPE) einen Messerangriff auf den Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger verübte. Bei dem Anschlag wurden sechs Menschen verletzt, ein Polizist starb. Der 25-Jährige Angreifer war alleine, er war den deutschen Behörden zuvor nicht bekannt.

Keine Hinweise auf Gefährdung der Pride

In Bezug auf die am Samstag stattfindende Regenbogenparade gibt es laut dem Verfassungsschutz jedoch keinerlei Hinweise auf eine Gefährdung: „Aufgrund von anhaltend queerfeindlichen Agitationen besteht jedoch ein latentes Gefahrenpotenzial und somit kann auch ein vorurteilsmotivierter gewalttätiger Angriff gegen diese Personengruppe grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden“.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.