Energiepreise: Streit zwischen Verbund und Regionalversorgern wird schärfer
Der Verbund, wie er sich in seinem Leitbild beschreibt: „Wir sind ein Taktgeber für die Branche und gestalten die Energiezukunft für kommende Generationen mit. Dafür gehen wir neue Wege, ergreifen Marktchancen und entwickeln wegweisende Geschäftsmodelle und Services für unsere Kunden.“ Selbst- und Fremdbild sind bekanntlich nicht immer deckungsgleich. So auch in diesem Fall: Denn einige der größten Kunden des Verbunds sind mit den gebotenen „Geschäftsmodellen und Services“ derzeit alles andere als zufrieden. Sie wollen, was auch Kleinkunden erhalten: satte Rabatte.
Die Vorgeschichte: Aufgrund der hohen Energiepreise explodieren derzeit die Profite des Verbunds. Bundeskanzler Karl Nehammer höchstpersönlich richtete dem Management aus, dass diese „Übergewinne“ eher für gute Zwecke eingesetzt werden sollten. Eigentlich ist der Verbund ja eine unabhängige Aktiengesellschaft, die den Kanzler nichts angeht. Weil der Staat aber 51 Prozent an dem Konzern hält, fühlt sich Nehammer zur Mitsprache berechtigt.
Die Kanzler-Idee von Anfang Mai, die Verbund-Gewinne per Sondersteuer abzuschöpfen, hatte zum Einbruch der Aktie geführt, ist aber inzwischen obsolet. Stattdessen gab das Verbund-Management bekannt, für 2022 eine Sonderdividende von 400 Millionen Euro ausschütten zu wollen, zusätzlich zur geplanten Dividende von 800 Millionen Euro. Die Hälfte der Sonderdividende geht an den Staat, der damit Maßnahmen zum Teuerungsausgleich finanzieren könnte.
Erboste Großkunden
Überdies kündigte die Konzernleitung an, ihren Kunden als Ausgleich für die Teuerung zwei Monatsrechnungen gutzuschreiben. Allen Kunden? Nein, nur den Endverbrauchern. Und genau das erbost regionale Versorger wie Salzburg AG, EVN oder Energie Steiermark. Sie alle kaufen Strom vom Verbund, der nicht nur der Produzent von Energie ist, sondern damit auch im großen Stil handelt. „Wenn uns der Verbund ebenfalls einen Sonderrabatt auf unsere Einkäufe gewährt, dann können wir den sofort an unsere Kunden weitergeben“, so Salzburg-AG-Chef Leo Schitter. Im Verbund dürfte man von solchen Rabatten an Großkunden allerdings nichts halten.
Die Regional-Versorger sind entschlossen, den Druck zu erhöhen. Am Mittwoch schrieb Leo Schitter laut profil-Informationen einen scharfen Brief an die Geschäftsführung der Verbund Energy4Business, über die der Verbund-Konzern den Stromhandel abwickelt. Darin fordern Schitter und seine Vorstandskollegin Brigitte Bach, dass auch die Salzburg AG als langjähriger Verbund-Kunde in den Genuss eines Rabatts komme, der direkt an die eigenen Endkunden weitergereicht würde. Ohne einen derartigen Rabatt würde es zu einer Wettbewerbsverzerrung bei Endverbrauchern kommen.
Senkung der Umsatzsteuer?
Auch die Sonderdividende des Verbunds sieht Leo Schitter im Gespräch mit profil kritisch. Die 400-Millionen könnten auch in den Ausbau erneuerbarer Energiequellen fließen, deren Investitionskosten enorm sind. Statt Sonderdividenden zu kassieren, könnte der Bund die Umsatzsteuer auf Gas und Strom von 20 auf etwa 10 Prozent senken. In den Niederlanden wurde der Satz bereits von 21 auf neun Prozent reduziert. Sachlich ist eine derartige Senkung gerechtfertigt. Denn was bisher unterbelichtet bleibt: Über die Umsatzsteuer profitiert auch der Staat direkt von den steigenden Energiepreisen. Die verhältnismäßig kleine Salzburg AG führte im Vorjahr 118 Millionen Euro Umsatzsteuer an den Fiskus ab. Aufgrund der steigenden Energiepreise werden es heuer geschätzt 129 Millionen sein. Der Finanzminister erhält so ein hübsches Körberlgeld.
Während die Energie-Branche um Rabatte streitet, verschärft sich die Inflation weiter. Statt der erwarteten 7,5 Prozent lag die Inflation im Mai bei acht Prozent. Wifo-Inflationsexperte Josef Baumgartner macht zwei Gründe dafür geltend: das Öl-Embargo gegen die Ukraine und – ausgerechnet – die Tariferhöhungen des Verbunds bei Strom und Gas von Anfang Mai.