Ein Eurofighter des österreichischen Bundesheeres im obersteirischen Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg.

Eurofighter: Ein FPÖ-Skandal

Eurofighter: Ein FPÖ-Skandal

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Kurt Lukasek kann sich nicht mehr erklären. Er starb im August 2015 im Alter von 53 Jahren an den Folgen eines Aortenaneurysmas. In Dubai, wo er zu dieser Zeit geschäftlich tätig war. Ein Fremdverschulden wurde von offizieller österreichischer Seite ausgeschlossen.

Kurt Lukasek hätte in den Jahren davor wohl Gelegenheit gehabt, sich zu erklären - einmal aber ganz gewiss. Vor bald zehn Jahren, am 31. Mai 2007, sagte er im ersten Eurofighter-Untersuchungsausschuss aus. Er beließ es bei seinem Erscheinen. Seine Aussagen trugen wenig bis gar nichts zur Wahrheitsfindung bei. Der einstmalige FPÖ-Mitarbeiter und enge Vertraute von Peter Westenthaler kam, spielte ein bisschen Verstecken - und ging. Noch ehe die Parlamentarier Lukaseks wahre Rolle rund um den größten militärischen Beschaffungsvorgang der Zweiten Republik durchschaut hatten, war der Ausschuss auch schon wieder Geschichte.

Eine Dekade später wird offenbar: Lukasek war 2002, mitten in der heißen Phase der Eurofighter-Beschaffung, zeitgleich auf zwei Seiten unterwegs: als Kommunikationschef der Regierungspartei FPÖ; als Berater des Rüstungskonzerns EADS. Das war bis heute so nicht nur nicht bekannt - Lukaseks verschwiegene Doppelrolle erhärtet den lange bestehenden Verdacht, dass es bei dem Deal nicht nur mit rechten Dingen zuging.

Dienstag dieser Woche soll die Neuauflage des Eurofighter-Untersuchungsausschusses in einer Sondersitzung des Nationalrats behandelt werden - im Wege eines sogenannten Minderheitsverlangens der Grünen und der FPÖ. Kaum mehr als eine Formsache. Läuft alles wie geplant, könnte der Ausschuss seine Arbeit bereits im April aufnehmen, im Mai könnten die ersten Auskunftspersonen im Hohen Haus zu Wien befragt werden.

Auf die 18 Mitglieder des Ausschusses und ihre Referenten wartet Arbeit. Sie müssen die Jahre 2000 bis 2016 auf Unregelmäßigkeiten abklopfen - wobei drei Phasen von besonderem Interesse sein werden: die Vorgänge zwischen der Angebotseinholung 2001 und der Typenentscheidung 2002 (24 Flieger), die Unterzeichnung des Kaufvertrags 2003 (18 Flieger) sowie der ominöse "Vergleich“ des Jahres 2007 (15 Flieger).

Die "Eurofighter Typhoon“-Jets waren bekanntlich in der Ära Schwarz-Blau bestellt worden. Bundeskanzler war damals Wolfgang Schüssel (ÖVP), Verteidigungsminister zunächst Herbert Scheibner (FPÖ), dann Günther Platter (ÖVP). Die Reduktion auf schlussendlich 15 Stück erfolgte unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), Verteidigungsminister war da schon ein heillos überforderter Norbert Darabos (SPÖ). Die Investigationen der Parlamentarier werden also quer durch die politische Landschaft dieser Zeit führen.

"Es existiert keine einzige Leichenversteckmöglichkeit in diesem Untersuchungsausschuss“, versprach der grüne Abgeordnete Peter Pilz erst vor wenigen Tagen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache. Und Strache assistierte umstandslos: "Es ist uns wichtig, den vollen Sachverhalt aufzuklären.“

Herr Strache wird beim Wort zu nehmen sein. Denn die Aufklärung des Rüstungsgeschäfts führt tief in die Vergangenheit der FPÖ - sehr viel tiefer als die Erkenntnisse des ersten Untersuchungsausschusses 2006/2007 vermuten ließen.

Der Eurofighter-Skandal - das ist auch und vor allem ein FPÖ-Skandal.

profil liegt eine umfassende Dokumentation vor, die eine in dieser Form bisher völlig unbekannte Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte einer Mesalliance zwischen früheren FPÖ-Vertretern und EADS. Das Aktenmaterial zeigt, wie leidenschaftlich der Rüstungskonzern die Blauen spätestens ab dem Jahreswechsel 2001/2002 umarmte - und wie gerne sich manche von ihnen umarmen ließen. Die Vereinnahmung begann, noch ehe EADS überhaupt ein Angebot zur Lieferung der Jets abgegeben hatte - und zog sich bis ins Jahr 2003 hinein, möglicherweise auch darüber hinaus.

Die Unterlagen, die 2013 bei Hausdurchsuchungen bei EADS beschlagnahmt wurden, sind nicht so sehr in strafrechtlicher Hinsicht relevant. Tatsächlich liegt bis heute kein belastbarer Beweis vor, dass politische Entscheidungsträger gleich welcher Couleur von EADS korrumpiert worden wären, um das Geschäft auf Schiene zu bringen. Was nicht heißen muss, dass es nicht so war.

Wie von profil in der Vergangenheit ausführlich berichtet, soll EADS einst einen Betrag von jedenfalls 114 Millionen Euro über den Londoner Briefkasten Vector Aerospace auf die Reise geschickt haben. Das Geld wanderte durch ein Dickicht aus weiteren Briefkästen rund um den halben Globus, ehe es bei den bis heute unbekannten Begünstigten landete. Dass die vermuteten Schmiergelder letztlich auf den Kaufpreis aufgeschlagen, die Steuerzahler also in die Pflicht genommen wurden, ist nur einer der zynischen Aspekte dieses Falles.

"Eurofighter - Österreichische Befindlichkeit“

Der nahende Untersuchungsausschuss wird die politische Dimension des Rüstungsgeschäfts zu klären haben. Und hier liefern die EADS-Dokumente eine Fülle von Indizien, wie konsequent der Konzern die Blauen insbesondere zwischen 2001 und 2002 für seine Zwecke instrumentalisierte. Zu einer Zeit, da Susanne Riess-Passer die Parteichefin und Vizekanzlerin gab, Peter Westenthaler den Klubobmann, Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider das einfache Parteimitglied. Und mittendrin: Kurt Lukasek, langjähriger Mitarbeiter der FPÖ, Stratege, im Jahr 2002 Kommunikationschef der Partei.

Die profil vorliegenden Dokumente belegen zweifelsfrei, dass Lukasek EADS bereits zuarbeitete, als er noch bei der FPÖ in tragender Funktion angestellt war. Er lieferte dem Konzern ab Mitte 2002 in aller Vertraulichkeit Stimmungsberichte, Konzepte und politische Analysen zur Lage der Nation. Seine Expertisen tragen Titel wie "Die aktuelle innenpolitische Situation“ (August 2002), "Österreich vor der Wahl am 24. November 2002“ (Oktober 2002), "Einblick - Ausblick“ (Jänner 2003), "Eurofighter - Österreichische Befindlichkeit“ (Jänner 2004) oder "Innenpolitische Neuorientierung“ (Juni 2004). Doch er leistete sehr viel mehr als das.

Lukasek warnte EADS zumindest zweimal vor Komplikationen im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe. Daneben war er maßgeblich in die Strategie zur Beeinflussung der ORF-Berichterstattung zugunsten des Eurofighter involviert - und er sorgte letztlich auch dafür, dass EADS Millionen an Sponsorgeldern für den SK Rapid Wien springen ließ - mit der erklärten Absicht, die "Rapid-narrischen SPÖler“ - Alfred Gusenbauer, Heinz Fischer, Rudolf Edlinger und Josef Cap - glücklich zu machen. "Die rote Vier“, wie Lukasek das damals nannte.

Der Mann im Schatten

Wer also war Kurt Roland Lukasek? Der gebürtige Niederösterreicher, Jahrgang 1962, stand nie in der ersten Reihe. Er war stets der "Mann im Hintergrund“, wie "Der Standard“ 2007 schrieb. "Ein sehr nachdenklicher Mensch, in strategischen Dingen unschlagbar“, wie sich eine damalige Parteikollegin erinnert. Jus-Studium in Innsbruck, schlagender Burschenschafter (Brixia Innsbruck), ab Anfang der 1990er-Jahre Assistent seines langjährigen Förderers Peter Westenthaler, als dieser noch Sekretär des damaligen Bundesparteiobmannes Jörg Haider war. 1993 schaffte Lukasek den Sprung in die FPÖ-Parteizentrale, Generalsekretär war damals Walter Meischberger.

Im Jänner 2002 avancierte Lukasek, zu diesem Zeitpunkt Mitarbeiter von Klubobmann Westenthaler, im Alter von 39 Jahren schließlich zum Kommunikationschef der FPÖ. Ein wichtiger Job in der Parteihierarchie. Zu Lukaseks Kernaufgaben gehörte die Vermittlung der Parteipositionen nach innen - er stand in laufendem Kontakt zu den Mitarbeitern der FPÖ-geführten Ministerien.

Als Lukasek die Funktion übernahm, hatte die schwarzblaue Regierung den Auftrag zur Lieferung der Jets bereits international ausgelobt.

Wie sich jetzt herausstellt, beriet Lukasek 2002 auch EADS, konkret den damaligen Lobbyisten des Rüstungskonzerns Erhard Steininger, einen mittlerweile 79-jährigen österreichischen Kaufmann, der selbst eine zentrale Rolle im Fall Eurofighter spielte. Nach einem Bericht des Magazins "News“ 2014 kassierte Steininger rund um den Eurofighter-Deal für Beratungsleistungen aller Art in Summe 16,9 Millionen Euro von EADS, von denen er jedenfalls 6,6 Millionen Euro an die Werbeagentur des früheren FPÖ-Bundesgeschäftsführers Gernot Rumpold weiterreichte, der seinerseits für EADS und den Eurofighter zugange war.

Steininger war auch jener Lobbyist, der EADS 2003 eine Million Euro für die "Öffentlichkeitsarbeit mit dem ORF“ in Rechnung stellte, wie profil vergangene Woche online berichtete (dazu später).

Wann und wie Steininger und Lukasek zueinanderfanden, geht aus dem vorliegenden Material nicht hervor. Die Zusammenarbeit begann jedenfalls sehr viel früher, als Lukasek den Untersuchungsausschuss 2007 glauben machen wollte.

Lukaseks damalige Version: Er war bis Ende 2002 bei der FPÖ angestellt, ehe er Peter Westenthaler im Gefolge des von Haider angezettelten "Knittelfelder Putsches“ zur Österreichischen Bundesliga folgte und dort Anfang 2003 den Marketingbereich übernahm. Zeitgleich schloss er am 1. Jänner 2003 einen Beratervertrag mit dem EADS-Lobbyisten Steininger, auf dessen Grundlage er in weiterer Folge "politische Analysen“ schrieb und dafür von Steininger - also EADS - mit insgesamt 50.000 Euro honoriert wurde.

Lukaseks Aussagen vor dem U-Ausschuss stehen allerdings in Widerspruch zur Aktenlage. Das profil zugespielte Material zeigt, dass Lukasek schon als FPÖ-Angestellter regen Austausch pflegte - mit Erhard Steininger, aber auch mit dem damaligen EADS-Manager Klaus-Dieter Bergner und dem notorischen Generalmajor Erich Wolf, einst Kommandant der Luftstreitkräfte und erklärter Eurofighter-Befürworter. Lukasek schickte ab 2002 über seinen FPÖ-Account immer wieder E-Mails in Richtung EADS, wobei er diesen Account selbst noch im Jahr 2003 nutzte, als er offiziell gar nicht mehr für die FPÖ tätig war.

"Empfehle Direktkontakt mit Kanzler Schüssel“

Am 20. Juni 2002 etwa, keine zwei Wochen bevor das Kabinett Schüssel I die Typenentscheidung zugunsten des Eurofighter treffen sollte, schrieb Lukasek ein E-Mail an Steininger: "Als Ergänzung zu unserem gestrigen Telefonat muss ich Ihnen mitteilen, dass sich die Signale in Richtung Gripen (Anm.: das Modell des schwedischen Saab-Konzerns) verstärken … Ich für meinen Teil habe im Rahmen meiner Möglichkeiten für Updates gesorgt, insbesondere mit meinen Informationen aus den Bewertungskommissionen … Ich sehe immer noch eine Möglichkeit, diese rein politische (Fehl-)Entscheidung zu drehen, auch weil die Faktenlage eindeutig ist.“ Und weiter: "Dafür ist es notwendig, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um in der ÖVP einen sinnvollen Meinungsbildungsprozess zu erreichen. Ich empfehle, … einen Direktkontakt der RZB mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel …“

Der damalige Kommunikationschef der Regierungspartei FPÖ warnte also den damaligen EADS-Lobbyisten davor, dass die Regierung womöglich ein Konkurrenzprodukt bestellen könnte - und empfahl, auf Bundeskanzler Schüssel einzuwirken.

RZB? War damit die Raiffeisen Zentralbank, das Dach des österreichischen Raiffeisen-Geldsektors, gemeint? "Ich kann versichern, dass weder ich noch einer meiner Kollegen je von EADS oder sonst jemandem darauf angesprochen wurden“, sagt der frühere RZB-Generaldirektor und nunmehrige Generalanwalt des Raiffeisenverbandes Walter Rothensteiner. "Wir wurden niemals gefragt und wir haben auch niemanden je gefragt.“

Lukaseks Depesche vom 20. Juni 2002 schließt mit den Sätzen: "Zusätzlich halte ich es auch für notwendig, die Landeshauptleute von Kärnten und Wien entsprechend zu informieren, wobei meinem Informationsstand zufolge der Kärntner Landeshauptmann derzeit eher zögerlich zu sein scheint, was eine klare Stellungnahme betrifft. Hier ist also durchaus noch nicht jede Reserve ausgeschöpft. Ähnliches gilt für den Wiener Bürgermeister.“

Am 2. Juli 2002 fiel im Kanzleramt die Wahl auf den Eurofighter. Im Rahmen des sogenannten Kanzlerfrühstücks, an welchem Wolfgang Schüssel und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein für die ÖVP, Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Verteidigungsminister Herbert Scheibner für die FPÖ teilnahmen. Wenige Tage zuvor hatte sich auch die eigens eingerichtete Bewertungskommission für den Eurofighter ausgesprochen.

"Er glaubt, dass Rot/Schwarz kommen wird“

Am 7. Oktober 2002 - Österreich stand vor Neuwahlen, der Kaufvertrag mit EADS war noch nicht unterschrieben, die Eurofighter-kritische SPÖ unter Gusenbauer hatte Chancen auf den Wahlsieg (der dann allerdings ausblieb) - ereilte den damaligen Chef der deutschen EADS Military Aircraft, Aloysius Rauen, ein Schreiben von Klaus-Dieter Bergner, auch er ein EADS-Manager. Bergner unterrichtete Rauen von einem Meeting mit Lukasek: "Ich habe ihn letzten Freitag getroffen und er glaubt, dass Rot/Schwarz kommen wird, was für uns beliebig kompliziert wird.“

Wieder warnte Lukasek EADS vor möglichen Unwägbarkeiten - und noch immer war er bei der FPÖ angestellt (wenn auch bereits im Abgang begriffen).

Wie ist das zu erklären? Und wer wusste in der FPÖ davon? "Das höre ich zum ersten Mal“, so die damalige Parteichefin Susanne Riess, heute Vorstandsvorsitzende der Bausparkasse Wüstenrot. "Mir ist überhaupt kein Fall von Nebenbeschäftigungen von Parteimitarbeitern bekannt.“ Lukaseks Mentor, der damalige Klubobmann Peter Westenthaler, legt auf profil-Anfrage Wert auf die Feststellung, dass er ganz grundsätzlich nicht mehr mit der Presse kommuniziere. Antwort daher: keine.

Ist es denkbar, dass Lukasek ohne jede Rückendeckung der Parteispitze agierte? Ja. Aber ist es auch wahrscheinlich?

Auf Reisen mit W. Luessel

Es fällt auf, dass die ÖVP in der Tausende Seiten umfassenden Dokumentation - es handelt sich um einen annähernd vier Gigabyte großen Datensatz - stets nur am Rande vorkommt. Eine Interpretation: Die schwarze Führungsriege hatte sich sehr früh auf das Projekt Eurofighter festgelegt und brauchte darob keine spezifische Behandlung. In Lukaseks Worten (aus seinem Positionspapier vom 4. Oktober 2002): "Die ÖVP wird halten und auf den Eurofightern bestehen, weil es letztlich die beste Lösung für Österreich ist.“

Gänzlich außen vor war die ÖVP allerdings nicht. So wurden bei EADS Kalendereinträge eines "Herbert W.“ gefunden, die auf rege Lobbyingaktivitäten in der "Milchbar“ des Parlaments im Zeitraum Februar 2002 bis Dezember 2003 schließen lassen. Herr W. traf in diesem Zeitraum mit mehr als 30 Politikern und Militärangehörigen zusammen, wobei er die Namen einzelner Gesprächspartner "verschlüsselte“ - unter ihnen: Dr. Reibner; Dr. J. Laider; Dr. K.H. Lasser; Dr. W. Luessel.

Bereits 2013 hatte die britische Anwaltskanzlei Clifford Chance im Auftrag von EADS intern nach vermuteten Ungereimtheiten im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Deal gesucht. In einem der Berichte der Anwälte heißt es dazu: "Der Inhalt einiger Reports lässt auf einen Zugang Dr. Herbert W. zu höchsten politischen Kreisen schließen. So ist im Bericht vom 04.05.2005 beispielsweise von einer Begleitung des damaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel im Rahmen eines Staatsbesuchs in China die Rede. Hierbei habe sich während des langen Fluges eine, exzellente Möglichkeit zur Erörterung der derzeitigen politischen Lage in Österreich und etwaiger Auswirkungen auf die mit EADS geschlossenen Verträge‘ ergeben.“

Schüssel war Ende April 2005 tatsächlich auf Staatsbesuch in China.

7 Hotelzimmer auf den Namen Peter Sichrovsky

Für die Rolle des Journalisten, Schriftstellers und Ex-FPÖ-Mandatars Peter Sichrovsky interessierte sich bisher eigentlich kaum jemand. Möglicherweise zu Unrecht. Denn auch der frühere EU-Abgeordnete der Freiheitlichen (1996 bis 2004) und Generalsekretär (2000 bis 2002) kam direkt mit EADS in Berührung. Und das schon im Jänner 2002, zu einem Zeitpunkt also, da EADS noch gar kein offizielles Angebot an die Republik Österreich gelegt hatte. In den Datensätzen findet sich unter anderem der Ausdruck einer Telefax-Nachricht, die FPÖ-Generalsekretär Sichrovsky am 3. Jänner 2002 an den EADS-Berater Hanns S. schickte. Gegenstand: Eine Buchungsbestätigung zu einem Aufenthalt in der schnieken Brüsseler Herberge "The Stanhope Hotel“. "Es sind 7 Zimmer unter meinem Namen bestellt. Das Abendessen wird wahrscheinlich auch dort stattfinden“, schrieb Sichrovsky in aller Kürze. Das bei EADS gefundene Dokument trägt die handschriftlichen Vermerke "separater Raum reserviert“, "Herr Dr. Bergner/EADS“ und "Aldag“ - Wolfgang Aldag, auch er ein leitender EADS-Angestellter.

Was verschlug Sichrovsky im Jänner 2002 nach Brüssel, mit wem reiste er - und wen traf er zum Abendessen? Sichrovsky, heute USA-Korrespondent der "Kronen Zeitung“, ließ eine profil-Anfrage unbeantwortet.

"Haider erwartet hier noch etwas“

Aufschluss geben abermals die Erhebungen von Clifford Chance. Nach Erkenntnissen der EADS-Anwälte eilte Sichrovsky am Wochenende des 12. und 13. Jänner 2002 mit niemand anderem als Karl-Heinz Grasser und Jörg Haider nach Brüssel, um dort unter anderem mit EADS-Manager Bergner und dem Lobbyisten Steininger zu konferieren. In einem profil vorliegenden EADS-internen Aktenvermerk (Datum 15. Jänner 2002) zu diesem Treffen heißt es: "Am letzten Wochenende fand ein Gespräch mit Sichrovsky, Haider und Grasser statt. Grasser unterstützt das EF-Projekt (Anm.: EF steht für Eurofighter) voll. Er ist von der, Europäischen Lösung‘ sehr stark beeindruckt und setzt große Hoffnung in die Realisierung. Er sieht hier den größten wirtschaftlichen Vorteil für ÖsterreichHaider unterstützt ebenfalls das Projekt, sieht derzeit jedoch das Land Kärnten bei der Kompensation stark unterrepräsentiert und erwartet hier noch etwas (ist in Arbeit).“

Jörg Haider war bereits 2000 als FPÖ-Parteichef zurückgetreten, und gefiel sich fortan in der Rolle des "einfachen Parteimitglieds“. Wiewohl er als Kärntner Landeshauptmann natürlich weiterhin Einfluss auf die Bundespartei geltend machte. Doch beim Thema Luftraumüberwachung dürften ihn ausschließlich die finanziellen Nebengeräusche interessiert haben. Haider wollte jedenfalls Geld für Kärnten sehen. Oder wie es Kurt Lukasek in einer für EADS bestimmten Analyse im Vorfeld der Nationalratswahl 2002 formulierte: "Auf den Kärntner Landeshauptmann gehe ich nicht ein, er ist nicht entscheidungsrelevant. Wenn sich Jörg Haider im Zuge möglicher Regierungsverhandlungen etwas ausbedingt, dann ist es mit Sicherheit das Amt des Kärntner Landeshauptmanns bis 2009 und nicht der Stopp der Abfangjäger. Beim Offset (Anm.: Gegengeschäfte) wird er wieder unverschämt werden.“

Entscheidungsrelevant hin oder her. Auch Haider wurde vom Rüstungskonzern umgarnt. Belegt ist unter anderem auch ein Abendessen Haiders mit den EADS-Managern Bergner und Rauen am 5. Juni 2002 in Kärnten - organisiert von der Agentur 100% Communications. Belegt ist zudem, dass EADS 2006 über den Umweg eines Briefkastens auf der Isle of Man in Summe rund vier Millionen Euro an die von Haider initiierte Klagenfurter Lakeside Technologie-Privatstiftung überwies.

Und Karl-Heinz Grasser? Die in dem EADS-Memo vom 15. Jänner 2002 skizzierte ostentative Begeisterung des damaligen FPÖ-Finanzministers für das Projekt Eurofighter überrascht. KHG erzählt ja seit Jahren, dass er mit Blick auf die Budgetsituation a) eigentlich gar keine Flugzeuge wollte und wenn doch b) allenfalls gebrauchte F-16-Jets des US-amerikanischen Lockheed-Martin.

Grasser bestreitet auf profil-Anfrage nicht, dass es das Treffen mit Sichrovsky, Haider und EADS-Leuten gab. Über seinen Anwalt Manfred Ainedter lässt er ausrichten: "Karl-Heinz Grasser hat diesen Aktenvermerk nicht geschrieben. Wahr ist, dass Herr Grasser immer gegen Abfangjäger war, und wenn doch, die gebrauchten F-16 wollte.“ KHG habe aber "keine Chance“ gehabt, sich damit auf Regierungsebene durchzusetzen, weshalb er das "europäische Projekt Eurofighter“ schließlich mitgetragen habe. "Die Alternative wäre gewesen, zurückzutreten“, sagt Ainedter.

Bereits 2012 hatte profil vor einer diskreten Reise Grassers zur Eurofighter Jagdflugzeug GmbH ins oberbayerische Manching nahe Ingolstadt im Juni 2001 berichtet (Nr. 48/12). Grasser, zuvor Prokurist in Frank Stronachs Magna-Konzern, reiste damals in Begleitung von Stronachs einst engstem Vertrauten Siegfried Wolf. Magna war einer der großen Profiteure der notorischen EADS-Gegengeschäfte.

Und noch eines fällt auf. Allem Anschein nach lagen dem Rüstungskonzern bereits im Jänner 2002 vertrauliche Informationen über die finanzielle Ausstattung der Republik Österreich vor. In dem Aktenvermerk vom 15. Jänner 2002 heißt es nämlich auch: "Steininger hat zum Budget folgende Information - der geplante Budgetrahmen von 1,8 Mrd. Euro wurde auf 2,2 Mrd. Euro erhöht und ist zur Zeit ganz aufgehoben. Inoffiziell wird aber immer noch an eine Grenze von 2,2 Mrd. Euro gedacht. Es schaut aber nicht so aus, dass wir aufgrund eines teureren Angebots aus dem Rennen fallen.“

Am 25. Jänner 2002 legte EADS sein Angebot - damals noch dabei: der US-amerikanische Lockheed-Martin-Konzern (F-16) und die schwedische Saab-Gruppe (Gripen). Den Angebotsbedingungen zufolge wäre das Eurofighter-Angebot gleich auszuscheiden gewesen, weil EADS die von der Regierung geforderte "Zwischenlösung“ bis zur Anlieferung der Jets nicht stellen konnte. Schon der erste Untersuchungsausschuss brachte hervor, dass das Verteidigungsministerium unter Herbert Scheibner die Bewertungskriterien daraufhin nachträglich anpassen ließ - EADS blieb im Rennen und machte es schließlich auch.

Jahre nach seinem Abschied aus der Politik wurde Scheibner von der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH übrigens mit einem Beratervertrag für den "arabischen Raum“ bedacht, aus dem ihm jedenfalls 60.000 Euro zuflossen. Ein verspätetes Gegengeschäft? Scheibner hat das stets vehement in Abrede gestellt.

Von Buhmännern und Helden - der Fall Rapid Wien

Eines muss man Kurt Lukasek konzedieren. Er wollte nichts dem Zufall überlassen. Aus seinen zahlreichen Reports an EADS geht unter anderem hervor, dass er sich sehr früh um die ablehnende Haltung der SPÖ sorgte (während er die ÖVP stets auf Linie sah). Die Sozialdemokraten waren damals zwar in der Opposition, Lukasek wusste jedoch nur zu gut, dass ein Rüstungsgeschäft dieser Dimension nur schwerlich ohne das Wohlwollen der Roten realisiert werden konnte. "Für die Beschaffung ist die SPÖ in einer Regierung nicht erforderlich“, berichtete Lukasek EADS Ende Jänner 2003 - mitten in die damals laufenden Regierungskonsultationen hinein, die schließlich eine Fortsetzung von Schwarzblau brachten. "Eine Beschaffung gegen eine offen gegen den Typhoon auftretende SPÖ wird in meiner Kenntnis der österreichischen Innenpolitik undenkbar. Welcher Juniorpartner soll das aushalten? Die Grünen etwa oder eine weiter im freien Fall befindliche FPÖ?“

Lukaseks Lösung: der SK Rapid Wien, konkret das Projekt "die rote Vier“. Dass es dieses Projekt bei EADS gab, ist bekannt. Der "Kurier“ berichtete bereits 2012 davon. Dass Kurt Lukasek der Mastermind war, ist hingegen völlig neu. Die Grundzüge hatte er bereits im Sommer 2002 elaboriert. "Die vier einflussreichsten SPÖ-Politiker auf Bundesebene haben eines gemeinsam: Alfred Gusenbauer, Josef Cap, Heinz Fischer und Rudolf Edlinger sind eingefleischte Rapid-Anhänger und Mitglieder. Rudolf Edlinger ist seit Dezember 2001 Rapid-Präsident, Heinz Fischer langjähriges Kuratoriums-Mitglied des SK Rapid.“

Rapid hatte in der abgelaufenen Spielzeit 2001/2002 nicht eben reüssiert. Die Hütteldorfer waren auf dem 8. Platz gelandet - zu wenig für das Selbstverständnis des Rekordmeisters. Obendrein war der Verein finanziell ziemlich klamm, Präsident Edlinger intern unter Druck. "Verhandlungen mit Sponsoren laufen schleppend, echte namhafte Abschlüsse sind nicht in Sicht … Für die Rapid-narrischen SPÖler könnte sich mit einem Sponsor das Blatt wenden, aus Buhmännern könnten Helden werden.“

Und tatsächlich: Lukasek konnte EADS schlussendlich von einem Sponsoring überzeugen. Zwischen September 2003 und April 2008 ließ der Rüstungskonzern im Wege einer "Premiumpartnerschaft“ in Summe fünf Millionen Euro für Rapid springen - und verzichtete ganz nebenbei darauf, werblich irgendwie in Erscheinung zu treten (obwohl die insgesamt drei Verträge dies explizit zugelassen hätten). Wurde die SPÖ beeinflusst? Das ist nicht belegt. Die EADS-Anwälte von Clifford schrieben dazu in ihrem Bericht 2013: "Wir wissen nicht, ob die Zahlungen an Rapid das Verhalten von SPÖ-Politikern beeinflusst haben, insbesondere im Hinblick auf den Vergleich der 2007 verhandelt wurde, als die SPÖ Teil der Regierungskoalition war.“

"5 Journalistenfreunde mit den richtigen Fragen“

Die Medien waren für EADS über den gesamten Beschaffungsvorgang hinweg von zentraler Bedeutung. Eines der erklärten Ziele des Konzerns war es, möglichst viele Zeitungen - mehr noch den ORF - auf Linie zu bringen. Und das führt zu Gernot Rumpold, einem blauen Urgestein, einst unter anderem Landesgeschäftsführer der FPÖ Kärnten (1984 bis 1986) und Bundesgeschäftsführer der FPÖ (1990 bis 1996). Rumpolds Werbeagentur 100% Communications wurde 2002 von EADS beauftragt, Stimmung für das Projekt Eurofighter zu machen. Zwischen März und Dezember 2002 stellte 100% Communications EADS (über den Lobbyisten Steininger) in Summe 6,6 Millionen Euro für teils diffuse Leistungen in Rechnung. Präsentationen, Pressekonferenzen, Werbeeinschaltungen in Print und TV, Events, Kamingespräche, Recherchen, Konkurrenzbeobachtung.

In den profil vorliegenden Agenturrechnungen ist immer wieder auch von "inoffiziellen Lobbyinggesprächen mit den Opionleadern aus der Politik“ respektive von "Informationsgesprächen mit den Agenturinformanten aus Wirtschaft, Politik und Industrie“ die Rede. Rumpold schrieb ein kleines Stück Mediengeschichte, als bekannt wurde, dass eine Pressekonferenz bei 100% Communications schnell einmal mit rund 100.000 Euro zu Buche schlagen konnte.

Am 23. April 2002 fand in Wien eine von 100% Communications für EADS organisierte Pressekonferenz statt - dazu wurde intern ein Ablaufplan erstellt, der viel über das damalige Selbstverständnis und Vorgehen Rumpolds verrät. Aus einem E-Mail der Agentur an EADS vom 22. April 2002: "jeder journalist muss sich bei der ankunft auf einer vorbereiteten medienliste eintragen. so gewährleisten wir die sogenannte, nachbehandlung‘… zusätzlich wurden von unserer agentur 5, journalistenfreunde‘ mit den, richtigen‘ fragen eingeschleust (nachrichtenmagazin format, wirtschaftsmagazin profil, kronenzeitung und kurier, standart). es wurden uns 2 redakteure + kamerateam vom orf vor 2 wochen zugesagt.“

Einmal abgesehen davon, dass "Format“ das Wirtschaftsmagazin war, profil das Nachrichtenmagazin ist und "Der Standard“ nicht ohne Grund mit weichem d geschrieben wird - profil legt Wert auf die Feststellung, niemals mit den "richtigen Fragen“ ausgestattet und/oder bei einer Pressekonferenz "eingeschleust“ worden zu sein - und erst recht nie im Sinne der Agentur 100% Communications oder EADS berichtet zu haben (das dürften die anderen genannten Printmedien so auch für sich in Anspruch nehmen).

Von Frauen und Pensionisten

Der ORF und EADS: Da war wohl tatsächlich etwas. Wie profil vergangene Woche enthüllte, wurde bei EADS 2013 ein zum Jahreswechsel 2002/2003 erstelltes Konzept zur systematischen Beeinflussung der ORF-Fernsehberichterstattung im Sinne des Eurofighter sichergestellt - im Wege der damaligen Vorabendsendung "Willkommen Österreich“. Diese sollte über "Produktionskostenzuschüsse“ vereinnahmt werden. In dem Strategiepapier wurden der damalige Informationsdirektor Gerhard Draxler (heute Landesdirektor Steiermark) und der damalige zentrale Chefredakteur Walter Seledec (heute Mitherausgeber von "Zur Zeit“ und Wiener FPÖ-Bezirksrat) als Ansprechpartner genannt. Draxler dementierte erbost, Seledec wollte sich dazu gegenüber profil nicht äußern. ORF-Chef Alexander Wrabetz schaltete zwischenzeitlich die interne Revision ein, um Licht in die Vorgänge zu bringen und eine allfällige Verstrickung von ORF-Mitarbeitern zu klären.

Nun zeigt sich: Lukasek war auch maßgeblich in die Erstellung des (namentlich nicht gezeichneten) ORF-Konzepts involviert. In einem mit 3. Februar 2003 datierten Bericht an EADS empfahl er unter anderem folgende Medienstrategie: "Die Berichterstattung (Anm.: im ORF) muss magazinartig erfolgen, am Besten regelmäßig in Willkommen Österreich, wobei die Palette vom Bericht einer Kontrolle bei Nato-Überflügen bis hin zum Wetterüberflug über Österreich oder reinen Abfangübungen reichen muss … Die Berichte in Willkommen Österreich müssen sich in erster Linie an die Zielgruppe richten, die der Beschaffung besonders kritisch gegenüberstehen: Frauen und Pensionisten.“

Diese Formulierungen fanden auch Eingang in das ungleich konkretere ORF-Strategiepapier. Lukasek hat also in jedem Fall daran mitgearbeitet - wer aufseiten des ORF involviert war, lässt sich noch nicht sagen. Es handelte sich aber ohne Zweifel um einen leitenden Angestellten mit ausgesuchten Kontakten zum Offizierscorps des österreichischen Bundesheeres.

"Kein einziger negativer Kommentar“

Mittwoch vergangener Woche berichtete profil online, dass ein EADS-Berater dem Konzern am 22. Jänner 2003 eine Million Euro in Rechnung stellte - für "Öffentlichkeitsarbeit mit dem ORF“ im Zeitraum Jänner bis Dezember 2002. In der Rechnung wird wörtlich ausgeführt: "Gespräche und Veranstaltungen mit den Redakteuren und Sendungsgestaltern zwecks Produktion und Sendung von Reportagen über EADS, EUROFIGHTER und OFFSET, Ausstrahlung in Sendungen wie z.B. Zeit im Bild, Report, Euro, Am Schauplatz, Modern Times, Thema, etc.“

Bei dem Berater handelte es sich um Erhard Steininger. profil konnte anhand seiner "Tätigkeitsberichte“ für EADS nachweisen, dass er zwischen Februar 2002 und November 2004 zumindest 20 Mal mit ORF-Vertretern zusammentraf (profil 10/17). Doch das ist noch nicht alles. Am 19. Februar 2009 schickte Steininger EADS einen Nachtrag zu seiner Rechnung über eine Million Euro. Darin hielt er fest: "Ergänzend zu unserer Rechnung übersenden wir Ihnen als Leistungsnachweis einen Computerausdruck des ORF, in dem alle projektbezogenen Sendungen bis einschließlich 4. Feb. 2003 dokumentiert sind. Festhalten möchten wir noch, dass im Hinblick auf das von uns forcierte Produkt (Anm.: der Eurofighter) kein einziger negativer Kommentar ausgestrahlt wurde.“ Dieser "Computerausdruck“ ist nicht Teil der Aktensammlung.

profil hat dem ORF all diese Dokumente übermittelt - die interne Revision ist gefordert. Auf die Prüfer wartet Arbeit. Auf den parlamentarischen Untersuchungsausschuss sowieso.

Es ist angerichtet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.