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Finanzminister Magnus Brunner: Könnte er Kanzler?

Finanzminister Brunner sollte oberster Sparefroh sein, stattdessen wirft er mit Geld um sich. So kann man Kanzler werden.

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Das Budget 2024 sieht Ausgaben von 123,5 Milliarden Euro vor – doch beinahe wäre es vorvergangenen Freitag an 25 Millionen gescheitert. Und das lag an Alma Zadić. Mit allen Regierungskollegen hatte sich Finanzminister Magnus Brunner, ÖVP, bereits geeinigt. Nur die Justizministerin wollte mehr Geld. Verweigert auch nur ein Regierungsmitglied seine Zustimmung zum Budget, gibt es keines. Die Zeit drängte, denn das Zahlenwerk musste in Druck gehen. Am Ende löste Vizekanzler Werner Kogler das Problem, indem er aus seinem Sport- und Beamtenbudget etwa die Hälfte der offenen Forderungen beisteuerte. Auf den Rest einigten sich Brunner und Zadić dann auch noch.

Und so konnte der Finanzminister am Mittwoch im Nationalrat seine Budgetrede, die zweite seiner Karriere, halten. Das Motto: „Optimismus für Österreich“. Etwas Zuversicht kann das Land angesichts der Rezession gut gebrauchen. Der Finanzminister selbst muss sich vor der Zukunft nicht fürchten. Denn Magnus Brunner wird schon für Größeres gehandelt: als Bundeskanzler, als ÖVP-Obmann, aber auch für einen Top-Job in der Wirtschaft.

Im Hier und Jetzt muss er sein Budget verteidigen. Den Ausgaben von 123,5 Milliarden Euro stehen Einnahmen von 102,6 Milliarden gegenüber – ergibt ein Defizit (in der Terminologie des BMF: „einen Nettofinanzierungssaldo“) von 20,9 Milliarden oder 2,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach den Ausgabenorgien der Krisenjahre 2020 bis 2022 hält Österreich erstmals wieder das sogenannte Maastricht-Kriterium von drei Prozent ein, das die EU als Höchstgrenze bei Neuverschuldungen zulässt. Ein Sparefroh ist Brunner allerdings nicht. Das Defizit hätte auch geringer ausfallen können, und Österreichs Gesamtverschuldung wird in den kommenden Jahren nicht zurückgehen.

Magnus Brunner kokettiert gern mit der Vorarlberger Knausrigkeit. Ein bisschen davon ließ er in seiner Budgetrede durchblitzen, wenn er etwa davon sprach, man müsse „das Anspruchsdenken gegenüber dem Staat wieder zurückfahren“. Das Prinzip „Koste es, was es wolle“, das die Budgetpolitik der Krisenjahre bestimmte, stammt von Brunners Amtsvorgänger Gernot Blümel. Der frühere Wiener ÖVP-Chef legte vor zwei Jahren mit dem Abschied von Sebastian Kurz auch seine Funktionen zurück. Die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Blümel wurden eingestellt. Gegen Kurz wird seit Mittwoch in einem ersten Gerichtsverfahren wegen Verdachts auf falsche Zeugenaussage verhandelt (siehe Seite 10). Hauptzeuge ist der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid. Für Brunner ging es zu Beginn seiner Amtszeit darum, das Ressort wieder vom schlechten Image zu befreien. Er strich den Posten des Generalsekretärs und kürzte die Ausgaben für Inserate.

Grundschliff in Parteipolitik

Paradoxerweise mögen die Österreicherinnen und Österreicher ihre Finanzminister. Auch Brunners Beliebtheitswerte sind im Vergleich zu seinen Regierungskollegen gut. Vielleicht liegt es an seinem Erscheinungsbild. Der täglich tadellos frisierte und rasierte Brunner ist gerade so adrett, dass er nur im Ansatz eitel wirkt. Kein anderer Minister trägt zum Anzug ein weißes Stecktuch in Rechteckfaltung und Hemden mit Manschetten. Dazu verströmt er eine manierliche Ruhe, nach der sich das Publikum nach all der Aufregung um Kurz sehnen dürfte.

Brunner steht bei oberflächlicher Betrachtung für Sachpolitik pur. Tatsächlich hat er auch das parteipolitische Machtspiel von Beginn an gelernt. Den Grundschliff erhielt der heute 51-Jährige als Trainee der Industriellenvereinigung. Seine berufliche Karriere begann Brunner 1999 als Büroleiter des Vorarlberger Landeshauptmanns Herbert Sausgruber. Beide stammen aus Höchst. Zur Schule ging Brunner ins katholische Privatgymnasium der Zisterzienser Mehrerau, wohin das gehobene Bürgertum von Bregenz und Umgebung seinen Nachwuchs schickt. Nach dem Jus-Studium in Innsbruck absolvierte er 1998 noch ein Master-of-Law-Programm am elitären King’s College in London. Seitdem nennt er sich „Dr. Magnus Brunner, LL.M.“.

Von 2000 bis 2004 sammelte er praktische politische Erfahrungen als Gemeinderat in seiner Heimatstadt Höchst. Schon als junger Mann war er mit den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern in Vorarlberg bekannt. Im katholischen Cartellverband legte er sich den Couleurnamen Hamlet zu. Shakespeare-Verse kennt er aus seiner Zeit in England fast so gut wie Details des Nettofinanzierungssaldos.

Veto gegen Budget

Im Jahr 2002 holte Karlheinz Kopf, auch Vorarlberger und damals Generalsekretär des ÖVP-Wirtschaftsbunds, seinen Landsmann als politischen Direktor der Teilorganisation nach Wien. 2006 – nach sieben Jahren in politischen Stabsfunktionen – wechselte Brunner in die Wirtschaft, allerdings nicht in die echte private, sondern in die landeseigene. Er wurde Bereichsleiter bei den Vorarlberger Illwerken, danach Vorstand der OeMAG, der Abwicklungsstelle für Ökostrom.

Der Vorteil einer Beschäftigung im staatsnahen Bereich liegt in der Möglichkeit, seine politische Karriere weiter pflegen zu können. Im Mai 2009 zog Brunner für Vorarlberg in den Bundesrat ein. Wie für alle Mandatare der Länderkammer war es seine Aufgabe, Ideen des Bundesgesetzgebers, die dem jeweiligen Landeshauptmann missfallen, symbolisch zu blockieren. Im Dezember 2010 trieb er seine Widerborstigkeit an die Spitze und stimmte im Bundesrat gegen das Budget des damaligen Finanzministers, Vizekanzlers und ÖVP-Obmanns Josef Pröll, weil das Familien- und Pflegepaket aus Sicht des Landes Vorarlberg misslungen war.

In den Zehner-Jahren bewegte sich Brunners Karriere nur seitwärts – er blieb einfacher Bundesrat und OeMAG-Direktor, was ihn gehörig irritiert haben soll. Networking betrieb er weiterhin und pflegt es bis heute, vor allem in der gehobenen Gesellschaft: Kaum eine Festspieleröffnung oder ein Promi-Barbecue in Vorarlberg, wo Brunner nicht dabei wäre. Auch die Ballsaison in Wien wäre ohne ihn nicht komplett.

Gewesslers Helferlein

Im Jänner 2020 folgte der nächste Karrieresprung: Sebastian Kurz formte eine türkis-grüne Koalition, Brunner wurde Staatssekretär im Klimaschutzministerium von Leonore Gewessler, als „Aufpasser“. Gewessler tat, was alle Minister mit einem andersfarbigen Helferlein tun: ignorieren und mit unwichtigen Aufgaben beschäftigen. Im riesigen Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie durfte Brunner die Bereiche Schifffahrt und Luftfahrt betreuen. Daneben blieb wenigstens genug Freizeit für den Österreichischen Tennisverband, dessen Präsident Brunner, in seiner Jugend Bundesliga-Spieler, 2020 wurde.

Nachdem der neue ÖVP-Kanzler Karl Nehammer Brunner auf Drängen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung im Dezember 2021 zum Finanzminister gemacht hatte, funktionierten Schifffahrt und Luftverkehr auch ohne ihn weiterhin klaglos. Als Staatssekretär besichtigte Brunner Flussschleusen oder wohnte Pressekonferenzen zum Rückgang von Fäkalien-Keimen in der Donau bei. Als Finanzminister besuchte er seinen britischen Amtskollegen, den nunmehrigen Premierminister Rishi Sunak in London und vergangene Woche die Tagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds in Marrakesch.

Next Stop Finanzwelt?

Zwei Erfolge kann Brunner bereits fix verbuchen. Er ist der Finanzminister, unter dem die kalte Progression abgeschafft wurde und dem es gelang, die Ansprüche der Länder und Gemeinden bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich von 4,8 Milliarden Euro auf 2,4 Milliarden zu drücken. Ein bisschen Spardruck wirkt immer.

In seinem Amt geht es Brunner wie in früheren Funktionen: Er wird für Höheres gehandelt. Im Gespräch war er schon als Bregenzer Bürgermeister und als Nachfolger von Landeshauptmann Markus Wallner. Nun wird als möglicher nächster Parteiobmann der ÖVP genannt oder gar als Kanzler, sollte Nehammer vorzeitig aufgeben.

In die ÖVP-Bundesparteiobmannschaft müsste man Brunner wohl zwingen. Er ist kein Alemanne von Traurigkeit, aber in Festzelten auf offener Bühne auch nur ein Pfiffle zu exen, ist nicht seins. Sein größter Ausritt war ein Sturz vom E-Scooter.

In Brunners Lebensplanung ist das Finanzministerium wohl der Endpunkt der politischen Karriere. Aus Bankenkreisen ist zu hören, es würde ihn in die Chefetagen der Finanzindustrie ziehen. Ein Jobangebot läge schon vor. Dr. Magnus Brunner, LL.M., wäre dann tatsächlich in der Privatwirtschaft angekommen. Statt Abermillionen auszugeben, müsste er sie erwirtschaften.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.