Halbe-Halbe im Alter: Was die Regierung bei den Pensionen plant
Immer mehr Rentner, aber in Relation dazu weniger Erwerbstätige: Wie kann Österreich seine Pensionen sichern? Die Dreierkoalition plant eine große Reform – für später.
Seite 99, letzter Absatz, enthält eine entscheidende Passage im Regierungsprogramm: Sie sichert den Neos lang geforderte Reformen zu, bietet aber ausreichend Spielraum für ÖVP und SPÖ, um genau diese Reformen zu verhindern. Denn die Dreierkoalition einigte sich auf folgenden Satz im Pensionskapitel: „Ein gesetzlicher Nachhaltigkeitsmechanismus wird eingeführt, um die langfristige Finanzierbarkeit und Stabilität des Pensionssystems zu gewährleisten.“ Hinter diesen verklausulierten Zeilen steckt ein klarer Deal: Falls die staatlichen Pensionsausgaben höher steigen als geplant, folgt eine große Reform – mit strengeren Anspruchsvoraussetzungen, geringeren Zuschüssen oder einem höheren Antrittsalter. Wichtiger Nachsatz: Zu diesen Einschnitten soll es, wenn überhaupt, erst ab 2030 kommen. Also dann, wenn eine neue Regierung im Amt ist. Ob sie diese Reformen dann auch tatsächlich umsetzt, ist völlig offen.
Am Mittwoch präsentierten die Klubobleute der – amtierenden – Regierungsparteien Details für den Mechanismus. Demnach soll der Staat bis 2030 festlegen, wie viel Budget er für die Pensionen bereithält. Einmal im Jahr muss das Sozialministerium dem Parlament einen Bericht darüber vorlegen, ob die bisherigen Ausgaben im Rahmen bleiben. Ist das nicht der Fall, werden ab 2030 Maßnahmen gesetzt. Theoretisch könnte schon die jetzige Regierung aktiv werden, die Neos wären jedenfalls dafür, die ÖVP im Zweifelsfall auch. Aber einen Automatismus für diese Legislaturperiode sieht die geplante Gesetzesänderung nicht vor.
Die drei Klubobleute der Regierungsparteien, Philip Kucher, August Wöginger, Yannick Shett bei einer Pressekonferenz im Parlament
Einen ersten Pfad meldete die Regierung bereits dem Parlament ein: 32,9 Milliarden Euro sind im Budget im laufenden Jahr für Pensionen eingeplant. 19,5 Milliarden Euro macht die Zuzahlung des Bundes ins Pensionssystem aus, 13,4 Milliarden Euro die Beamtenpensionen. Bis 2029 werden es 38,3 Milliarden Euro sein – immerhin 29,4 Prozent aller staatlichen Ausgaben. Das sogenannte Umlagesystem funktioniert nicht ohne den zusätzlichen Zuschuss vom Staat: Die summierten Pensionsversicherungsbeiträge der arbeitenden Bevölkerung sind schlicht zu gering, um damit die Renten der älteren Bevölkerung zu finanzieren. Zusätzlich steigt die Lebenserwartung: Im Vorjahr lag sie bei Männern bei 79,8 Jahren und bei Frauen bei 84,3 Jahren.
„Größte Pensionsreform seit 20 Jahren“
Schon im Mai präsentierte die Regierung erste Reformmaßnahmen und bezeichnete diese selbstbewusst als „größte Pensionsreform seit 20 Jahren“. Die Eckpunkte: Die Korridorpension (auch: Frühpension) wird schrittweise erst ab 63 Jahren möglich, in Zukunft sind 42 Versicherungsjahre nötig. Zusätzlich sind Maßnahmen für den Aufbau eines Anreiz- und Monitoringsystems zur Beschäftigungsförderung ab 60 Jahren geplant. Um zusätzliche Einnahmen zu lukrieren, steigen die Krankenversicherungsbeiträge für Pensionistinnen und Pensionisten von 5,1 auf sechs Prozent. Außerdem führt die Regierung die Möglichkeit einer Teilpension ein.
Teilpension kommt
Am Montag präsentierte Sozialministerin Korinna Schumann, SPÖ, die Details: Dieses Modell soll einen langsamen Übergang zwischen Beruf und Ruhestand ermöglichen. Halbe-Halbe für Senioren, sozusagen. Ziel ist, dass Menschen dadurch insgesamt später in Pension gehen, bei Möglichkeit sogar nach dem gesetzlichen Antrittsalter. Solange sie in Teilpension sind, zahlen sie auch noch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge.
Anwärterinnen und Anwärter müssen dafür ihre Arbeitszeit zwischen 25 und 75 Prozent reduzieren und einen Anspruch auf eine Alterspension haben. Das Sozialministerium rechnet die komplizierte Materie an einem Beispiel vor: Ein Mann, 63 Jahre alt, könnte in Korridorpension gehen – zwei Jahre vor dem üblichen Pensionsantritt. Laut seinem Pensionskonto stehen ihm 3000 Euro brutto zu. Er beschließt in Absprache mit seinem Arbeitgeber, die Arbeitszeit um 50 Prozent zu reduzieren. Das bedeutet, dass auch 50 Prozent seines Kontos geschlossen werden. 1500 Euro liegen also noch auf dem Pensionskonto, sie werden weiter an die Inflation angepasst und angespart. Die anderen 1500 Euro stehen ihm noch als Teilpension zu. Allerdings mit einem Abschlag. Für jedes Jahr, das der Mann in Korridorpension ist und nicht bis zur üblichen Alterspension voll arbeitet, werden ihm 5,1 Prozent abgezogen. Das macht also insgesamt ein Minus von 10,2 Prozent und ergibt damit monatlich eine Teilpension in Höhe von 1347 Euro.
Wenn der Mann endgültig in den Ruhestand tritt, erhält er den Rest seiner Pension zu diesem Betrag dazu. Die Teilpension ist übrigens auch nach dem Mindest-Pensionsantrittsalter erlaubt: Wer länger arbeitet, bekommt wiederum einen Bonus von 5,1 Prozent. 10.000 Menschen werden dieses Angebot nutzen, glaubt man im Sozialministerium. So viele müssen es letzten Endes auch tun, um die geplanten Einsparungen im System tatsächlich zu erreichen.
Weniger Altersteilzeit
Das bisherige Modell der Altersteilzeit, das den Staat mehr kostet, soll mit der Teilpension verschmelzen. Derzeit können Erwerbstätige fünf Jahre vor ihrem Regelpensionsalter ihre Arbeitszeit reduzieren, wenn der Arbeitgeber zustimmt. Üblicherweise sinkt das Einkommen nicht in dem Ausmaß wie die Arbeitsstunden, das Arbeitsmarktservice AMS finanziert einen Teil. Das macht das Modell für Betroffene und ihre Arbeitgeber so attraktiv, für das Budget wird es allerdings zur Belastung. Dieses Jahr kostet die Altersteilzeit den Staat 600 Millionen Euro. In Zukunft wird man allerdings nur noch drei, nicht fünf Jahre in Altersteilzeit sein können.
Auch wenn die Pensionen einen großen Anteil an den Budgetausgaben ausmachen: Vor allem Frauen beziehen durchschnittlich nur eine Pension von 1409 Euro. Bei Männern waren es 2023 knapp 1000 Euro mehr. Veränderungen würden nur mit langen Vorlaufzeiten und kleinen Schritten funktionieren. Selbst die harsche Reform von Kanzler Wolfgang Schüssel vor 20 Jahren ist noch immer nicht in allen Details abgeschlossen.
Lebenseinkommen zählt
Eine der wichtigsten Reformen damals war die neue Berechnung der Pensionshöhe. Bis dahin zählten dafür die 15 Beschäftigungsjahre mit dem höchsten Einkommen. Seitdem wurde die Zahl der angerechneten Jahre schrittweise erhöht, mit dem Ziel, dass das Lebenseinkommen für die Berechnung der Pension zählt. Eine Maßnahme, die vor allem Frauen um einen guten Teil ihrer Pension brachte, weil sie durch die Kinderbetreuung ihre Arbeitszeit (und ihr Einkommen) reduzieren.
Politisch ausgezahlt hat sich Schüssels Pensionsreform übrigens nicht: Nach der Nationalratswahl 2006 verlor der ÖVP-Obmann das Kanzleramt nicht zuletzt wegen der umstrittenen Pensionsreform. Dieses Schicksal droht der Dreierkoalition eher nicht. Die größten Einschnitte soll, laut Nachhaltigkeitsmechanismus, ohnehin die nächste Regierung beschließen.
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Iris Bonavida
ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.