Sparplan

Die zehn Baustellen des ORF

Wo kann der ORF sparen? Wer soll das Online-Angebot produzieren? Die To-do-Liste von ORF-Chef Weißmann.

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Das ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg ist seit Jahren eine einzige Baustelle. Nach dem Umbau sollen die wichtigsten Nachrichtensendungen unter einem Dach und einer Führung produziert werden. Doch auch organisatorisch steht Österreichs größtes Medienunternehmen in den nächsten Jahren vor großen Umbrüchen: Mit der Haushaltsabgabe wird die Finanzierung auf neue Beine gestellt, dennoch herrscht Sparzwang – den auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spüren. Die zehn größten Baustellen des ORF:

Die Haushaltsabgabe

Ab 1. Jänner müssen alle Haushalte für den ORF zahlen. Statt bisher mindestens 22,45 Euro GIS-Gebühr beträgt der neue ORF-Beitrag 15,30 Euro pro Monat. Je nach Bundesland kommen für die Beitragszahlenden noch Landesabgaben hinzu. Billiger wird es künftig allerdings nur für jene, die schon bisher die ganze ORF-Gebühr bezahlt haben. Künftig werden auch all jene voll zur Kasse gebeten, die kein Empfangsgerät oder nur ein Radio besitzen. Und 100.000 Unternehmen zusätzlich müssen zahlen.

Der 325-Millionen-Euro-Sparplan

ÖVP und Grüne verpflichten den ORF daher zu besonderer Sparsamkeit: 325 Millionen Euro muss der Konzern in drei Jahren einsparen, steigen darf der ORF-Beitrag erst danach. Die Gehaltserhöhungen der nächsten zwei Jahre fallen mit 2,1 und 2,7 Prozent trotz hoher Inflation mager aus. Pensionierungen werden ohnehin seit Jahren kaum nachbesetzt.

Jugend ohne Zukunft

Viele jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ORF kommen trotz jahrelanger Arbeit nicht in die Nähe einer echten Anstellung. Stattdessen werden sie vom ORF in Kettenverträgen gehalten: Als einziges Medienunternehmen des Landes darf der Rundfunk laut ORF-Gesetz seine Mitarbeiter unendlich oft befristet beschäftigen. „So prekär beschäftigt zu sein, ist kurzfristig zermürbend und auf Dauer unerträglich“, erklärte die ehemalige Ö1-Journalistin Jana Wiese im Jänner ihren Abschied vom Sender. Seitdem habe sich „nichts verändert“, sagt Wiese heute frustriert. Ein Antrag der SPÖ zur Abschaffung der Sonderregel wurde von ÖVP und Grünen Ende Juni vertagt. ORF-Generaldirektor Roland Weißmann beauftragte nun seine Radiodirektorin Ingrid Thurnher,  die Causa und mögliche Alternativen zu prüfen.

Weiße Elefanten

Auf der anderen Seite der ORF-Gehaltspyramide stehen die „weißen Elefanten“: In einem Unternehmen, das unter dem Einfluss der Politik steht und dessen alte Arbeitsverträge nahezu unkündbar sind, sammelten sich vor allem politische Günstlinge in hoch dotierten Positionen ohne entsprechende Verpflichtungen. Das neue Gesetz wird ihre Namen öffentlich machen: Wer inklusive Nebeneinkünfte mehr als 170.000 Euro brutto im Jahr verdient, muss in einem Transparenzbericht genannt werden.

Mehr online

Durch das neue Gesetz erhält der ORF mehr digitale Möglichkeiten: Statt nur sieben Tage dürfen Sport- und Nachrichtensendungen einen Monat lang nachgeschaut werden, alle anderen Sendungen bis zu sechs Monate lang. Auch reine Onlineformate sind dem ORF nun erlaubt, ein Online-Kinderkanal sogar Pflicht. Die Frage ist, wer dies in Zeiten des Sparens umsetzen soll. Bisher werden Kinderprogramme im ORF vor allem von Externen produziert. Die ORF-1-Kinderschiene „Okidoki“ liegt etwa in der Hand von Thomas Brezinas Produktionsfirma Tower10 KidsTV. Die Ö1-Kinderserie „Rudi Radiohund“ gestalten fast ausschließlich Personen mit Kettenverträgen. 

Externe Kosten

Nicht nur im Kinderfernsehen setzt der ORF auf externe Produktionsfirmen. Sie haben den Vorteil, dass deren Personalkosten als Sachkosten abgerechnet werden können. Der ORF spart sich so Mitarbeiter, nicht immer aber Geld. So erhitzen etwa Produktionen von Leona König Gemüter im Unternehmen, da die Moderatorin auch die Partnerin von Ex-ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz ist. Durch das Spargebot der Regierung müssen künftig auch die Sachkosten sinken.

Kleinere „Blaue Seite“

Orf.at, auch „Blaue Seite“ genannt, erreicht jeden Monat rund 5,3 Millionen Menschen. Auf Druck der Zeitungsverleger wird das Textangebot per Gesetz beschnitten: Künftig dürfen maximal 350 Texte pro Woche erscheinen, 2022 waren es mehr als doppelt so viele. Im Gegenzug soll es künftig mehr Video- oder Audiobeiträge auf der „Blauen Seite“ geben, die von maximal 300 Zeichen langen Kurztexten begleitet werden.

Der billige Dritte

ORF 3 produziert besonders billig. Denn der Sender ist als „ORF Fernsehprogramm-Service GmbH & Co KG“ ein eigenes Unternehmen mit günstigerem Kollektivvertrag. Dass die Geschäftsführung zwischen 2018 und 2021 die Stundenlisten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne deren Wissen überarbeitet haben soll, sorgte Ende letzten Jahres für einen offenen Konflikt. Anstatt alle Stundenaufzeichnungen der letzten Jahre im Detail zu korrigieren, gab es für die ORF- 3-Angestellten eine einheitliche finanzielle Abgeltung und zwei zusätzliche Tage Urlaub.

Ein Newsroom für alle

Im multimedialen Newsroom am Küniglberg sollen die wichtigsten Nachrichtensendungen des Landes zusammenarbeiten. Unzufriedenheit löste das vor allem im Radio aus, das aus alten Redaktionsgebäuden – teilweise im Wiener Stadtzentrum – in das Großraumbüro am Stadtrand übersiedelt. Eine dauerhafte Führung – geplant sind drei Chefredakteursposten – des neuen Newsrooms wird voraussichtlich im Herbst bestellt.

Politischer Einfluss

Selbst Postenbesetzungen in ORF-Redaktionen wollten sich ÖVP und FPÖ vor Ibiza untereinander ausmachen. Volkspartei und Grüne teilten sich in einem eigenen Sideletter 2020 die Direktorenposten auf. In Niederösterreich musste Landesstudiodirektor Robert Ziegler nach der Aufdeckung seines politischen Gehorsams den Hut nehmen. Und an der Spitze des ORF wacht der Stiftungsrat, der zu großen Teilen politisch bestellt wird. Die Entpolitisierung des ORF könnte die nächste Reform sein, die der Politik und ORF-General Roland Weißmann vom Verfassungsgericht aufgezwungen wird: Nach einer Beschwerde des Burgenlands beschäftigen sich die Höchstrichter mit der Besetzung des Stiftungsrats. Eine Entscheidung könnte im Herbst fallen. 

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Hat ein Faible für visuelle Kommunikation, schaut aufs große Ganze und kritzelt gerne. Zuvor war er bei der "Kleinen Zeitung".