Die Ibiza-Affäre: Spuren zu „Verein“

Verfügt die FPÖ über eine schwarze Kasse? Was hat es mit dem „Verein“ auf sich, über den der spätere Vizekanzler 2017 vor versteckter Kamera sprach? Hat er das nur erfunden? In Straches Umfeld besteht zumindest ein Verein, der um seine Existenz bisher kein Aufhebens machte.

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„Ja, es gibt ein paar sehr Vermögende. Die zahlen zwischen 500.000 und eineinhalb bis zwei Millionen … Die zahlen aber nicht an die Partei, sondern an einen gemeinnützigen Verein … Der Verein ist gemeinnützig, der hat mit der Partei nichts zu tun. Dadurch hast du keine Meldungen an den Rechnungshof. Das ist ein gemeinnütziger Verein mit drei Rechtsanwälten. Der hat ein Statut: Österreich wirtschaftlicher gestalten.“

Von welchem „Verein“ sprach Heinz Christian Strache vor laufender Kamera im Juli 2017 in Ibiza? Disponiert die FPÖ tatsächlich über eine schwarze Kasse? Diese Fragen stehen seit der Veröffentlichung des belastenden Videomaterials durch „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“ im Raum.

Verein besteht in Straches Umfeld

Geht es nach dem nunmehr ehemaligen FPÖ-Chef und Vizekanzler a. D. dann war Ibiza nicht mehr als eine besoffene Geschichte – bar jeden Substrats. Die FPÖ habe unter seiner Führung zu keinem Zeitpunkt verdeckte Zuwendungen gefordert oder erhalten und auch niemandem Vorteile gleich welcher Art versprochen oder verschafft (auch die genannten „Spender“ Glock, Benko, Horten und Novomatic dementierten bereits). Also alles nur dahinfabuliert, um eine attraktive Russin zu beindrucken? Das könnte durchaus sein.

Drei Quellen wiesen profil unabhängig voneinander darauf hin, dass in Straches Umfeld zumindest ein Verein besteht, der um seine Existenz bisher kein großes Aufhebens machte: „Austria in Motion – Verein zur Reform der politischen Kultur in Österreich“. Laut den online zugänglichen Daten des österreichischen Vereinsregisters wurde „Austria in Motion“ mit Sitz in Wien 2015 gegründet. Nach außen vertreten wird der Verein durch einen Obmann und einen Kassier. Als Obmann agiert derzeit Markus Braun, rechte Hand des FPÖ-nahen Investmentberaters Peter Sidlo (Sigma Investment), der zuletzt auf einem Ticket der Blauen im Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank saß. Als Kassier wird aktuell Alexander Landbauer geführt, einst Vorsitzender der FPÖ-Vorfeldorganisation Ring Freiheitlicher Jugend Niederösterreichs und Bruder des geschäftsführenden FPÖ-NÖ-Landesparteiobmanns Udo Landbauer.

Zu Aktivitäten ist nichts bekannt

Als Strache im Juli 2017 in Ibiza in die Falle tappte, war in diesem Verein ein Mann mit interessanten Verbindungen vertreten: Markus Tschank, aktuell Nationalratsabgeordneter der FPÖ, im Brotberuf Rechtsanwalt in Wien. Laut der Plattform meineabgeordneten.at fungierte Tschank zwischen Mai 2015 und August 2017 als Kassier des Vereins „Austria in Motion“. Tschank gilt nicht nur als Vertrauter Straches – er kennt sich auch gut mit Russland aus.

Zu den Aktivitäten des Vereins ist nichts bekannt. Im digitalen Raum hat „Austria in Motion“ keine wie immer gearteten Spuren hinterlassen.

profil liegen zwischenzeitlich aber Auszüge aus den Statuten vor. Der Verein ist nicht gemeinnützig im Sinne des Vereinsrechts, die verfolgten Ziele sind es aber durchaus. Diese sind durchaus staatstragend formuliert und haben erkennbar Schnittmengen mit dem Programm der FPÖ:

* Förderung des Österreich-Patriotismus im umfassenden Sinn sowie der staatlichen Autonomie

* Aufklärung über sowie Information zu EU- und Euro-Fehlentwicklungen

* Stärkung der Selbstbestimmung des Einzelnen gegenüber staatlicher/internationaler Bevormundung

* Stärkung der direkten Demokratie und Kampf gegen Korruption und Machtmissbrauch

* Demokratisierung der Gesellschaft sowie Abschaffung des Proporzsystems in Österreich

* Aktivitäten zur Hebung der Wahlbeteiligung auf allen politischen Ebenen

* Pflege christlicher Wertvorstellungen sowie der christlich-abendländischen Kultur und Tradition

* Förderung der Familie als Grundlage der österreichischen Gesellschaftsordnung

* Förderung der Wissenschaft und Bildung

* Bekämpfung der Armut und Erhöhung der sozialen Standards

* Aufbau eines politischen Think Tanks sowie eines Personenkomitees zur Erfüllung der genannten Zwecke.

Meinte Strache diesen Verein?

Kann es sein, dass Heinz Christian Strache diesen Verein meinte, als er 2017 vor laufender Kamera über die Umgehung des Parteiengesetzes und des Rechnungshofes sinnierte? Das weiß natürlich nur er. Dass „Austria in Motion“ je verdeckte Parteispenden für die FPÖ vereinnahmt hat, ist durch nichts belegt, profil behauptet das auch ausdrücklich nicht. Dass der Verein sich dem „Kampf gegen Korruption und Machtmissbrauch“ verschrieben hat, wirkt in diesem Kontext nicht unlustig.

Markus Tschanks politische Karriere begann beim Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ). Als Johann Gudenus dort im Jahr 2004 zum Obmann gewählt wurde, avancierte der frischgebackene Jurist (Abschluss 2003) zu einem seiner Stellvertreter. Bis zu seinem vollberuflichen Wechsel in die Politik sollte aber noch einige Zeit vergehen. Tschank studierte in Frankreich weiter, dissertierte 2009 in Wien, begann als Rechtsanwalt in einer Kanzlei zu arbeiten und machte sich 2012 selbständig.

Steckenpferd Russland

Nach der Wahl 2017 bekam Tschank ein Nationalratsmandat. Bemerkenswert: Jurist Tschank hat dasselbe Steckenpferd wie der gefallene FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus: Außenpolitik, genauer: Russland. Tschank ist Vorstandsmitglied der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft sowie Präsident des im November 2016 als Verein gegründeten Instituts für Sicherheitspolitik (ISP). Der Mini-Think-Tank hat nur einen angestellten Mitarbeiter und ist in Tschanks Rechtsanwaltskanzlei in der Brucknerstraße beim Wiener Schwarzenbergplatz untergebracht (siehe profil 47/2018). Die ISP-Website ist derzeit stillgelegt. Vor kurzem noch stand dort zu lesen, dass „zum Aufgabengebiet des Institutes“ auch eine „evidenzbasierte Politikberatung mittels wissenschaftlicher Analysen“ zähle. Hauptabnehmer ist das – noch – FPÖ-geführte Verteidigungsministerium, mit dem ein Kooperationsvertrag besteht. Dafür erhält das ISP jährlich pauschal 200.000 Euro und liefert vor allem Analysen zu Russland. Bei der Lektüre der Beiträge auf der ISP-Website (als diese noch aktiv war) ließ sich eine prorussische Tendenz festmachen. Dass Russland versuche, die Öffentlichkeit im Westen zu beeinflussen, wurde in ISP-Artikeln mehrfach angezweifelt. An einer Stelle stand zu lesen: „Zunehmende Orientierungslosigkeit angesichts globaler Veränderungen und eine tiefe politische und gesellschaftliche Krise des Westens“ seien „wesentlich bedrohlicher als jedwede Versuche der Einflussnahme von russischer Seite“.

Tschank: "Habe Funktion niedergelegt"

Vergangenes Jahr traten Tschank und sein ISP als Organisator der „Mitteleuropäischen Sicherheitskonferenz“ in Wien in Erscheinung, bei der über die „aktuellen sicherheitspolitischen Bedrohungen in Europa“ debattiert wurde – unter Teilnahme der FPÖ-Minister Mario Kunasek (Verteidigung), Norbert Hofer (Infrastruktur), Karin Kneissl (Außenamt, parteifrei) und hochrangigen Politikern unter anderem aus Slowenien, Bulgarien und Kroatien. Im September 2018 begleitete er seinen Parteichef Strache bei einer Reise nach Aserbaidschan. Höhepunkt: Ein Treffen mit dem dortigen Despoten Ilham Aliyev.

Markus Tschank, 40, ist aber nicht nur Rechtsanwalt und FPÖ-Nationalratsabgeordneter, sondern seit 2017 auch FPÖ-Obmann in Wien-Innere-Stadt – und damit ein theoretischer Kandidat für die Nachfolge von Heinz-Christian Strache als Landesparteiobmann der Wiener FPÖ. Zu den Aktivitäten des Vereins „Austria in Motion“ und Straches Äußerungen im Ibiza-Video vom Juli 2017 übermittelte Tschank profil folgende Stellungnahme: „Ich habe im Sommer 2017 meine Funktion in dem von Ihnen zitierten Verein niedergelegt. In meiner Verantwortung als Vereinsorgan haben weder direkt noch indirekt Zahlungsflüsse (Spenden oder sonstige Zuwendungen) an Parteien oder parteinahe Organisationen stattgefunden. Dies wäre auch mit den Satzungen des Vereines vollkommen unvereinbar.“

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.