Transparenz

Infofreiheit: Von Ausnahme würden vor allem ÖVP-Gemeinden profitieren

Die Abschaffung des Amtsgeheimnisses wird seit Jahren verschoben. Nun sickerte ein Entwurf durch, wonach Ausnahmen für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern gelten soll. Diese Kommunen werden vor allem von der ÖVP regiert, wie eine Auswertung für profil zeigt.

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Das von ÖVP und Grünen versprochene Informationsfreiheitsgesetz wurde bereits so oft verschoben, dass Stand heute unklar ist, ob es in dieser Legislaturperiode überhaupt noch beschlossen wird. Vor allem Länder und Gemeinden hatten Bedenken an der Abschaffung des Amtsgeheimnisses angemeldet, seit drei Jahren versuchen Grünen-Vizekanzler Werner Kogler und ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler nun schon, Überzeugungsarbeit zu leisten.

Am Mittwoch sickerte ein Entwurf des Gesetzesentwurfs durch, der für Aufsehen sorgte. Laut dem neuen Entwurf von Mitte Juni beschränkt sich das Gesetz auf die 87 österreichischen Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Diese müssten „Informationen von allgemeinem Interesse“ proaktiv veröffentlichen, etwa auf ihrer Webseite. Die restlichen 2006 Kommunen müssten Informationen nur auf Anfrage herausrücken – dort lebt allerdings die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung. Für profil hat der Datenjournalist Peter Sim unter Mitarbeit von Angelika Hinteregger ausgewertet, welche Parteien in jenen Gemeinden dominieren, die von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen wären.

Ergebnis: In den Gemeinden, für die schwächere Transparenzbestimmungen gelten würden, regieren besonders häufig ÖVP-Bürgermeister. 61 Prozent der 2006 Kommunen, die weniger als 10.000 Bewohner zählen, werden von der Volkspartei regiert. In den Kommunen mit über 10.000 Bewohnern gibt es mehrheitlich rote Ortschefs, wie die Grafik zeigt.

Die offizielle Begründung für die Ungleichbehandlung ist freilich keine parteipolitische: Der Gemeindebund argumentiert, dass insbesondere Kleingemeinden mit nur einer Kanzleikraft überfordert sein könnten, selbstständig zu entscheiden, welche Dokumente zu veröffentlichen sind und welche nicht.

Verfassungsjuristen wie Peter Bußjäger haben nach Bekanntwerden des Entwurfs Bedenken angemeldet. Die Unterscheidung zwischen Gemeinden mit mehr und weniger als 10.000 Bewohnern sei „nicht nachvollziehbar“ und könnte „eine Diskriminierung der Bevölkerung im ländlichen Raum“ darstellen. Anders als Städter hätten sie einen erschwerten Zugang zu Informationen von Behörden.

Laut Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer soll der neue Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes in den nächsten Wochen vorliegen. Verfassungsministerin Karoline Edtstadtler (ÖVP) wollte das Papier nicht inhaltlich kommentieren, ihr Büro verwies gegenüber der APA auf die laufenden Verhandlungen. Der Klubobmann der Volkspartei August Wöginger sprach nach dem Ministerrat von finalen Gesprächen: „Dieses Gesetz wird es geben.“

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger ist über die vielen Ausnahmen in einer Stellungnahme empört, es würden „ganze Dunkeldörfer drohen“. Die Neos wollen nun in der kommenden Nationalratssitzung erneut ihr seit Jahren fertig ausformuliertes "echtes Informationsfreiheitsgesetz" auf die Agenda setzen, "denn was wir brauchen ist maximale Transparenz und Offenlegung".

Für die NGO „Transparency International“ ist eine solche Beschränkung „nicht die Lösung“. Eine offene Gesellschaft könne „keine Verwaltung dulden, der Transparenz zu mühsam ist“. Der Begriff „Information von allgemeinem Interesse“ schreie nach Veröffentlichung, die Aufhebung des Amtsgeheimnisses sei ein „Schlüsselelement in der Entwicklung einer offenen Gesellschaft“. Die Organisation schlägt Kommunen vor, sich zusammenzuschließen, um eine geeignete Person für derartige Fragen gemeinsam zu beschäftigen.

Eine Recherche in Kooperation mit Peter Sim und Angelika Hinteregger

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.