Jerusalema-Syndrom: Klinik Floridsdorf ließ sich Tanzvideo sponsern

Es war der Jahreswechselhype: Polizei, Feuerwehr und Spitalsbedienstete tanzten trotz Corona. In einem Wiener Krankenhaus wurde das YouTube-Tanzvideo aus dem Spital gar von einem Medizindienstleister gesponsert.

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Am 2. Jänner stellte der Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) ein Musikvideo auf seine Facebook-Seite. Mitarbeiter der Klinik Floridsdorf, so Hanke, wollten damit „ein wenig positive Stimmung“ verbreiten. Auf dem drei Minuten langen Clip, der um Weihnachten aufgenommen wurde, sind happy People in Spitalskluft und mit Schutzmasken zu sehen: etwa 30 Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger tanzen vor dem Eingang zur Klinik; ein paar hüpfen fröhlich durch die Gänge; swingende Hebammen im Kreißsaal; Mediziner in einstudierter Choreografie, auf dem Dach des Spitals oder im Garten.

Und sogar die ärztliche Direktorin schwingt das Tanzbein. Die Moves sind immer die gleichen: Schritt nach vorn, viermal mit dem Fuß auftippen, Wechselschritte, Seitwärtsbewegungen. Getanzt wird zum Hit „Jerusalema“ des südafrikanischen Sängers und DJs Master KG.

In ihrer Bewegungsfreude sind die Mitarbeiter der Klinik Floridsdorf – das 2019 eröffnete Spital hieß zunächst „Krankenhaus Nord“ – jedenfalls nicht allein. Nachdem afrikanische Jugendliche Videos, in denen sie zu „Jerusalema“ tanzen, ins Internet gestellt hatten, wurde daraus ein weltweiter Internet-Hype. Auch in Europa: Personengruppen aus unterschiedlichsten Bereichen , Organisationen und Unternehmen tanzen und stellen Aufnahmen davon auf Video-Plattformen wie YouTube. Derartige Hypes gab es schon früher, etwa beim Hit „Gangnam Style“ des südkoreanischen Popsängers Psy.

In Österreich beteiligten sich viele Spitäler, unter anderem das Krankenhaus Bregenz, das Landeskrankenhaus Feldbach-Fürstenfeld, die Klinik Diakonissen Schladming, das Landeskrankenhaus Graz und das Krankenhaus Braunau, an der „Jerusalema Challenge“.

In Wien drehten neben der Klinik Floridsdorf auch Mitarbeiter des Orthopädischen Spitals Speising ein Video. Die Performances lassen sich kaum miteinander vergleichen. Die Speisinger tanzen nur im Freien, die Machart des Videos mutet amateurhaft an. Der Floridsdorfer Clip dagegen wurde augenscheinlich von Profis produziert, erkennbar an der eingesetzten Technik, darunter Kameradrohnen, an der Inszenierung und am organisatorischen Aufwand, der dafür betrieben wurde. Experten schätzen die Kosten für ein solches Video auf rund 10.000 Euro.

Dem Sponsor des „viralen Hits“ („Oe24“) wird in einer Einschaltung am Ende des Clips gedankt. Es handelt sich um die WE Group. Das Unternehmen mit Geschäftsadressen in Linz und Wien bietet Personaldienstleistungen an, darunter auch im Bereich Medical-Care.

Wenn Krankenhausmitarbeiter mitten in der Pandemie ein Tanzvideo in ihrem Spital drehen – ist das noch Vergnügen oder schon Unsinn? Und warum ließ sich das Krankenhaus in Floridsdorf den Spaß ausgerechnet von einem Medical-Care-Anbieter sponsern? Das lesen Sie jetzt im aktuellen profil!

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.