Österreich

Josef Trappel: "Parteimedien sollten sich klar deklarieren"

Onlineplattformen können eine Bereicherung sein, sagt Josef Trappel, Kommunikationswissenschafter an der Universität Salzburg. Aber es gibt Grauzonen.

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Vor 30 Jahren verschwanden die gedruckten Parteizeitungen. Jetzt hat plötzlich jede Parlamentspartei ein eigenes Medium. Warum?
Trappel
Dafür gibt es einerseits ökonomische Gründe. Für die SPÖ-"Arbeiter-Zeitung" musste man die Redaktion, den Druck und einen großen Apparat finanzieren. Heute geht es online viel kostengünstiger. Andererseits ist mit dem Verschwinden der Parteizeitungen vor 30 Jahren sozusagen das Zeitalter der Forumspresse angebrochen, also der klassischen Medien. Verschiedene Parteien fühlten sich dort nicht angemessen vertreten. Die FPÖ hat 2009 mit Unzensuriert begonnen. Die anderen Parteien sind nachgezogen, auch wenn es etwas gedauert hat. Am Ende ging es auch darum: Wenn alle anderen ein Medium haben, machen wir es auch.
Weil die Parteien mit der Berichterstattung etablierter Medien nicht einverstanden waren, haben sie also ihre eigenen Medien geschaffen.
Trappel
Das war sicher ein Beweggrund. Ein weiterer ist die Bedienung des eigenen Publikums. Populistische Parteien wie die FPÖ wollen ihren Anhängerinnen und Anhängern ihre eigene Interpretation der Welt mitgeben. Das funktioniert nicht, wenn man auf kritischen Journalismus angewiesen ist. Mit den eigenen Parteimedien aber sehr wohl. Andere etablierte Parteien wie SPÖ, ÖVP oder Grüne brauchten das bisher weniger als eine populistische Partei wie die FPÖ.
Sind Parteimedien zulässige Pressearbeit oder versteckte Propaganda?
Trappel
Ich sehe es als demokratische Bereicherung. Es ist grundsätzlich positiv, wenn sich Plattformen mit aktuellen Ereignissen beschäftigen. Je mehr Medien das tun, desto vielfältiger wird der Diskurs. Aus demokratiepolitischer Sicht ist das willkommen. Dass einzelne Parteimedien diesen Diskursraum nutzen, um eigene Propaganda zu betreiben, ist zwar unbestritten. Aber ich glaube, das muss eine Demokratie aushalten. Parteimedien dominieren den öffentlichen Diskurs ja nicht.
Es gibt Medien, bei denen nicht klar ist, wer dahintersteckt und ob sie parteiisch oder parteinahe sind.

Das muss eine Demokratie aushalten.

Josef Trappel

Kommunikationswissenschafter an der Universität Salzburg

Trappel
Das stimmt, diese Grauzone ist demokratiepolitisch unerwünscht. Wenn Unzensuriert sich dazu bekennt, dass es in die FPÖ-Nähe gehört, ist das transparenter, als wenn es sich hinter einem Verein versteckt. Aber auch hier ist es wiederum die Aufgabe anderer Medien, so etwas aufzudecken. Nur wenn grundsätzlich in einzelnen Berichterstattungen Fake News verbreitet werden, wird es problematisch. Aber auch dann kann man laut Rechtslage dagegen vorgehen.
Steigt mit der Anzahl der parteiischen Medien auch die Verantwortung für etablierte Medien und Konsumentinnen und Konsumenten, Informationen stärker zu hinterfragen?
Trappel
Natürlich, aber das darf man auch in der klassischen Medienlandschaft nicht unterschätzen. Quellenkritik ist in einer liberal organisierten Gesellschaft ein zentrales Element. Parteimedien sollten klar deklarieren, dass sie solche sind-und die meisten tun es auch. Ich habe Vertrauen in die Bevölkerung, dass sie das entschlüsseln kann.
Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.