Österreich

Parteimedien: Schlagzeilen mit Schlagseite

Parteiische Medien feiern ein Comeback. Einige davon machen um ihre Geldgeber allerdings ein Geheimnis. Was wollen sie und wie beeinflussen sie Politik?

Drucken

Schriftgröße

Wer sich auf den neuesten Stand zu Verschwörungsmythen bringen will, ist beim oberösterreichischen "Wochenblick" gut aufgehoben. Auf dem Online-Portal geht die Welt jeden Tag ein Stück weiter unter, das selbst ernannte Alternativmedium hat den Ausnahmezustand zur Regel gemacht. Die Redaktion glaubt, dass die "Corona-Diktatur" erst der Anfang war und dass es eine Steigerungsform der Tyrannei gibt: Österreich befinde sich auf dem "Weg zur EU-Diktatur", heißt es in einer Schlagzeile.

Schöner fürchten mit dem "Wochenblick" - so könnte man die heimliche Blattlinie angesichts der dauerdramatisierenden Berichterstattung zusammenfassen. Lieblingsfeindbild sind die "Global-Eliten", die sich das Volk untertan machen oder gleich ausrotten wollen. "Westlichen Frauen soll das Kinderkriegen aberzogen werden", glaubt der "Wochenblick". Man ahnt, dass es die Redaktion mit belastbaren Tatsachen nicht immer ganz genau nimmt, das Medium wird regelmäßig von Faktencheckern überführt.

Aktuell wirbt der "Wochenblick" mit einer Kampagne um Spenden für seinen "kritischen und unabhängigen Journalismus". "Werden Sie Teil des Widerstands. Unterstützen Sie alternative Medien im Kampf für Wahrheit." Ganz so unabhängig ist der "Wochenblick" allerdings nicht. Der Geschäftsführer des Blattes war FPÖ-Ortsparteiobmann einer oberösterreichischen Kleingemeinde, und auch der Lebenslauf der Chefredakteurin ist einschlägig: Vor dem "Wochenblick" war sie bei der rechtsextremen Identitären Bewegung aktiv und arbeitete später im FPÖ-Parlamentsklub. Wie sich die Zeitung genau finanziert, ist seit der Gründung vor sechs Jahren ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis.

Der "Wochenblick" taugt jedenfalls als Sinnbild für die Veränderung der Medienlandschaft. In der digitalen Öffentlichkeit feiern längst totgesagte Medien mit Parteinähe-oder im Parteieigentum-ein Comeback. Inzwischen hat jede Parlamentspartei solche Plattformen. Das fördert die Vielfalt, birgt aber auch Gefahren: Von der Täuschung des Publikums bis zur Beeinflussung der öffentlichen Debatte.

Die FPÖ darf sich mit dem Titel der Pionierin schmücken, sie verfolgte die sogenannte "Owned media"-Strategie als Erste, und die Partei verfügt inzwischen über ein kleines Medienimperium. Die Projekte stehen entweder direkt im Parteieinfluss oder werden von Freunden des Dritten Lagers betrieben.

Das ist ein Erfolgsfaktor für uns, weil wir rasch und ungefiltert unsere eigenen Positionen nach draußen bringen können. 

FPÖ-Chef Herbert Kickl

über den Parteisender FPÖ TV

Das Internet-Portal "unzensuriert" setzt auf Verschleierungstaktik. Ein Klick aufs Impressum der stramm rechten Site führt zu einer GmbH, von der das Medium betrieben wird. Laut Firmenbuch steht die GmbH im Mehrheitseigentum eines Vereins. Erst ein Blick ins Vereinsregister zeigt, wer als Vereinsobmann wirklich hinter dem Medium steht: Es ist Walter Asperl, langjähriger Referent im freiheitlichen Parlamentsklub. Es darf bezweifelt werden, dass der Durchschnittsnutzer solche Recherchen zum Inhaber von Websites anstellt.

Die hidden agenda von "unzensuriert " wurde vor einigen Jahren von einer deutschen Journalistin aufgedeckt, die dort mit versteckter Kamera zum Vorstellungsgespräch kam. Einer der Hintermänner des Portals plauderte offen drauflos: "Wir machen ja nicht dieses Medium, weil uns am unabhängigen Journalismus so sehr gelegen ist, sondern weil wir diese politischen Bewegungen in gewisser Weise unterstützen wollen." Für die AfD und die FPÖ wolle man "eine reine Positiv-Berichterstattung fahren".

Relativ neu am Markt der Online-Medien mit Schlagseite ist "exxpress". Herausgeberin Eva Schütz arbeitete einst mit Thomas Schmid im Kabinett des ÖVP-Finanzministers Hartwig Löger, ihr Mann, der Investor Alexander Schütz, spendete für Sebastian Kurz und ist einer der Financiers hinter "exxpress". Mit Richard Schmitt hat das Medium jenen Mann als Chefredakteur, den Ex-FPÖ-Chef Strache im Ibiza-Video als "einen der besten Journalisten" bezeichnete. Eigendefinition der Blattlinie: "Bürgerlich-liberal". In der Praxis ist der "exxpress" bis heute recht freundlich zu Kurz. Nach den Vorwürfen von Thomas Schmid gegen mehrere ÖVP-Spitzenpolitiker, darunter Kurz, stellte der "exxpress" in seinen Artikeln die Glaubwürdigkeit von Schmid infrage - über die Vorwürfe gegen Kurz wurde nicht im Detail berichtet. Die grüne Infrastrukturministerin Leonore Gewessler ist eines der Lieblingsfeindbilder: "Dank Gewessler: Arbeitswoche startet mit noch teurerem Sprit" und "Shitstorm gegen grüne Ministerin" lauten aktuelle Headlines. In Fotomontagen des Mediums wird Gewessler mit brennenden Euro-Scheinen abgebildet.

Zuletzt sorgte für Aufregung, dass die "exxpress"-Redaktion eine antisemitische Karikatur verbreitete - und mit dem Fernsehformat "exxpress TV" über 700.000 Euro aus der neuen Transformationsförderung für Medien bekommt, wie am Dienstag bekannt wurde.

Ich lösche jede Anfrage von 'exxpress' ungelesen. Es bringt nichts.

Die Pressesprecherin eines linken Ministers.

profil konnte Einblick in die WhatsApp-Gruppe namens "exxpress-Redaktion" nehmen. Ein Redakteur postete dort "wichtige Anweisungen von Richard". Etwa: "Artikel sollten, vor allem wenn sie nicht exklusiv sind, nicht mehr als 30 Minuten Arbeitszeit benötigen." Auch Hinweise für journalistische Inspiration wurden in der Gruppe geteilt: "Geschichten findet man-oft versteckt-auf den ORF-Bundesländer-Seiten oder z. B. der 'Bild-Zeitung'. Auch die Pressesprecher von Polizei und Feuerwehr sollte man kontaktieren."Der Hinweis auf den ORF ist nicht ohne Ironie, weil "exxpress" sich gerne als Gegenpol zum Öffentlich-Rechtlichen inszeniert: "News ohne politische Färbung und ohne Erziehungstendenzen, die bei gebührenfinanzierten Staats-TV-Sendern nur noch nerven",verspricht eine Moderatorin von "exxpressTV". Für das bloße Umschreiben einer Polizeimeldung "sollte nicht länger als 30 Minuten gebraucht werden, das habe ich sicher irgendwann einmal so gesagt", erklärt "exxpress"-Chefredakteur Schmitt auf profil-Anfrage. Wenn Storys von anderen Medien übernommen werden, geschehe das laut Schmitt "mit korrekter Zitierung".

Ein Pressesprecher eines linken Politikers berichtet: "Ich lösche jede Anfrage von 'exxpress' ungelesen. Es bringt nichts."

Daniela Kraus ist Generalsekretärin der Journalistenorganisation Presseclub Concordia. Sie hält die Verteilung der Medienfördergelder grundsätzlich für "problematisch": "Wenn man journalistische Qualitätskriterien als Voraussetzung für die Förderung nehmen würde, kann ich mir nicht vorstellen, dass Medien wie 'exxpress' in der jetzigen Ausformung förderbar wären." Zu solchen Qualitätsmerkmalen zählt Kraus die Mitgliedschaft im Presserat, die Selbstverpflichtung zu ethischen Standards und ein Redaktionsstatut, wobei nicht alle Qualitätsmedien derzeit über eines verfügen. Das Statut soll Redakteure vor wirtschaftlicher oder politischer Einflussnahme schützen - und ihnen ein Mitspracherecht für die Chefredaktion einräumen. Kraus: "Niemand hat sich bei den vielen Fördertöpfen überlegt, was das Ziel ist. Wollen wir Journalismus oder bloß bedrucktes Papier fördern? Ich befürchte, dass mit dieser Förderung private Mediengewinne finanziert werden. "Denn gewinnbringende Boulevardblätter bekamen besonders viele Gelder zugesprochen.

Schlagzeilen mit Schlagseite bekommen Leser auch beim Portal "Neue Zeit" geboten. Der Name des Mediums ist kein Zufall, bis 2001 erschien unter diesem Titel die SPÖ-Parteizeitung in der Steiermark. Der rote Nationalratsabgeordnete Max Lercher ließ das Parteiblatt mit seiner Digitalagentur Leykam AG im Internet auferstehen. Allein in den vergangenen 90 Tagen investierte die "Neue Zeit" über 13.000 Euro in Facebook-Werbung, um Artikel zu pushen.

Laut profil-Infos arbeitet das parteiische Medium eng mit mehreren SPÖ-Landesparteien zusammen. In Wahlkampfzeiten dürfen sie sich Schützenhilfe erwarten: SPÖ-Niederösterreich-Chef Franz Schnabl wird mit Boxhandschuhen als Kämpfer gegen Ölkonzerne abgebildet, ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner wird unterstellt, sie umgehe bewusst die Wahlkampfkostenobergrenze. Als Quelle dafür führt die "Neue Zeit" bloß anonyme "Politik-Beobachter" an. Wer für die Bewerbung dieser Postings wirklich zahlt, bleibt offen, laut Facebook-Werbebibliothek scheint die "Neue Zeit" selbst als Financier auf. Dass die rote Werbeagentur Leykam als Medieninhaberin auf eigene Rechnung arbeitet, ist allerdings unwahrscheinlich.

Unklar ist auch die Finanzierung des Verschwörungssenders AUF1 aus Oberösterreich, der vom rechtsextremen Corona-Leugner und Werbeunternehmer Stefan Magnet betrieben wird. Mit seiner Agentur produzierte Magnet Werbevideos für oberösterreichische FPÖ-Politiker. Freiheitliche zählen auch zu den bevorzugten Polit-Gästen in Magnets Sendungen.

Die aktuellen Headlines auf der Startseite beschwören die Apokalypse: "Die Welt steht vor dem Untergang", ist da zu lesen, das "Ende der Menschheit" drohe. Wer so was glaubt, glaubt wahrscheinlich auch, dass AUF1 den "tödlichen Plan" der Eliten "durchschaut" hat. profil berichtete am Dienstag vorab, dass die Medienbehörde KommAustria ein Verfahren gegen AUF1 eingeleitet hat. Der Verdacht: Senden ohne Zulassung.

Von diesen parteiischen Medien muss man eine klare Trennlinie zu den offiziellen Parteimedien ziehen. Dort ist sehr klar deklariert, wer der Auftraggeber ist. Der Name des blauen Mediums, FPÖ TV, lässt nicht viel Interpretationsspielraum. Zuletzt feierten die Freiheitlichen mit Torte und Sprühkerze das zehnjährige Jubiläum des Mediums. Der Regionalsender RTV war eingeladen und befragte FPÖ-Chef Herbert Kickl: "Die Mädels und Burschen, die bei uns arbeiten, sind ganz wichtig für uns", sagte er. "Das ist ein maßgeblicher Erfolgsfaktor für unsere politische Arbeit, weil wir rasch und ungefiltert unsere eigenen Positionen nach draußen bringen können."

Kickls Aussage wird vom Kommunikationswissenschafter bestätigt: "Populistische Parteien wollen ihren Anhängerinnen und Anhängern ihre eigene Interpretation der Welt mitgeben", sagt Josef Trappel von der Universität Salzburg im profil-Interview. "Das funktioniert nicht, wenn man auf kritischen Journalismus angewiesen ist."

Bei den anderen Parlamentsparteien dauerte es bis zum vergangenen Herbst, bis alle ihr eigenes Medium aufgebaut hatten. Die Letzten waren die Grünen, die von der Öffentlichkeit erstaunlich unbeobachtet das "Freda-Magazin" gestartet haben. Wobei man Wert darauf legt, dass es zur grünen Bildungswerkstatt, also der Parteiakademie gehört. Der Unterschied ist juristisch und finanziell wichtig, auch für die anderen Medien. "Kontrast", "Zur Sache" und "Materie" gehören jeweils dem Parlamentsklub von SPÖ, ÖVP und NEOS. Sie werden also mit der vergleichsweise hohen Klubförderung bezahlt - und sollten theoretisch keine reine Parteipolitik betreiben. Die klare Trennung ist aber nicht einfach. Diese Grauzonen werden von den Parteien genutzt, sagt Parteifinanzierungsexperte Hubert Sickinger. Wie viel Geld die Parlamentsparteien investieren, machen die meisten von ihnen aber nicht transparent.

Die Verteilung der Medienfördergelder ist problematisch.

Daniela Kraus

Presseclub Concordia

Nur die NEOS legen ihr Budget im Detail offen: "Materie" hat ein Jahresbudget von 54.000 Euro. Damit bezahlt der Parlamentsklub unter anderem Honorare für externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Werbung auf Social Media und die Podcast-Produktion. Für die drei Angestellten - zwei Vollzeit, eine Teilzeit - fallen zusätzlich insgesamt bis zu 9000 Euro brutto im Monat an. Die grüne Bildungswerkstatt teilt auch das Budget für Sachkosten und Personal mit. Dieses Jahr sind es 200.000 Euro, nächstes Jahr werden es vermutlich 270.000 Euro sein. Der SPÖ-Klub spricht von einem "sehr überschaubaren monatlichen Budget" für Content-Zukäufe wie Kolumnen, Cartoons, Videos und für Werbung. Wie groß der Betrag inklusive der Gehälter der sieben Angestellten ist, verrät man nicht. ÖVP und FPÖ wollen dazu auch keine Angaben machen. Nur so viel ist bekannt: Dreieinhalb Mitarbeiter sind für "Zur Sache" angestellt. FPÖ TV bestehe "aus einem kleinen Team, welches sich nicht nur ausschließlich darum kümmert".

Ausrichtung und Stil der Plattformen sind unterschiedlich, wie bei ihren Parteien. Von den neueren Medien wählt "Kontrast" die lauteste Sprache, auch die lauteste Bildsprache. Man spielt mit Boulevard-Elementen. Der SPÖ-Klub will linke Argumente bieten und verpackt sie für seine Zielgruppe. 176.000 Menschen folgen Kontrast auf Facebook, laut eigenen Angaben wird die Webseite bis zu 500.000 Mal im Monat aufgerufen. Man ist sich durchaus bewusst: Journalismus ist das nicht.

Claus Reitan war früher Chefredakteur der "Furche" und leitet nun "Zur Sache". Er bezeichnet sich persönlich nach wie vor als Journalist, auch wenn die Tätigkeit für die Plattform Öffentlichkeitsarbeit sei. In der ÖVP wundert man sich zum Teil selbst noch, wie wenig Relevanz das Medium hat. In der vergangenen Woche gab es 6500 Zugriffe.

Die zwei jüngsten Projekte wollen betont unaufgeregt sein. "Freda" wird ohnehin erst richtig aufgebaut, sagt Michaela Sburny, Leiterin der grünen Parteiakademie. Am Ende soll aber eine Plattform für Themen wie Nachhaltigkeit oder Gerechtigkeit stehen. Und zwar mit einem stärkeren Fokus und einer Vertiefung, die den klassischen Medien oft nicht möglich ist, glaubt sie. Einen Objektivitätsanspruch stellt Sburny nicht. Aber: "Wir wollen unsere Inhalte evidenzbasiert darlegen."

Auch Stefan Schett, Chef der "Materie", möchte ein seriöses Produkt mit Quellenangabe produzieren-aus liberaler Perspektive. "Die Blattlinie ist es, den liberalen Diskurs zu fördern." Es zahle sich aus, einen eigenen Kanal zu haben, der die eigenen Themen verständlich aufbereitet. Für Parteimedien gebe es auch "einen legitimen Platz im politischen Diskurs", findet er.

Tipp von profil: Wer an der Glaubwürdigkeit einer Quelle zweifelt, sollte ins Impressum schauen. Meist finden sich dort Hinweise darauf, wer wirklich hinter dem Medium steckt. Und wenn die Inhaber verschleiert werden, ist eigentlich auch alles gesagt.

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.