Kaum Frauen in Spitzenpositionen: Ist die SPÖ ein Männerclub?
Die Männerdomäne Innenpolitik ist in der vergangenen Woche zumindest ein bisschen weiblicher geworden: Karoline Edtstadler wurde als neue ÖVP-Landeshauptfrau von Salzburg gewählt, Manuela Khom zur ÖVP-Obfrau der Steiermark bestellt und Leonore Gewessler zur Bundessprecherin der Grünen. Alle drei haben ihr Amt von einem Mann übernommen.
Doch ausgerechnet bei der SPÖ fällt ins Auge: Mit der Ausnahme Salzburg sind derzeit alle Vorsitzposten in Bund und Ländern in männlicher Hand.
Dabei präsentiert sich die SPÖ nach außen als feministische Partei – und in vielerlei Hinsicht wird sie diesem Anspruch auch gerecht. Mit einer Frauenquote von 41 Prozent im Nationalrat liegt die SPÖ klar über dem Durchschnitt, auch wenn Grüne und Neos in puncto Frauenanteil vor den Sozialdemokrat*innen liegen. Im roten Bundesregierungsteam sind Frauen sogar knapp in der Mehrheit, je drei Frauen und drei Männer leiten die sechs von der SPÖ geführten Ministerien. Bei den Staatssekretären sind zwei Frauen und nur ein Mann im Amt.
Trotz des vergleichsweise hohen Frauenanteils in der Regierung stehen fast nur Männer an der Spitze der Bundes- und Landesorganisationen der SPÖ. Eine Ausnahme bildet die derzeit vorübergehend besetzte Landesparteispitze in Salzburg, die aktuell von Bettina Brandauer, Barbara Thöny und Peter Eder geführt wird, bis sich eine neue Führungsfigur gefunden hat. Die Spitze ist gewissermaßen ein Abbild der Basis. Denn auch in der Mitgliederstatistik der SPÖ zeigt sich eine männliche Überrepräsentation – von rund 150.000 Mitgliedern sind 40 Prozent weiblich, somit gibt es etwa 30.000 mehr Männer als Frauen in der Partei.
Alte Parteien, alte Muster?
Einer der Gründe ist in der Geschichte zu finden: Als der Vorläufer der heutigen SPÖ, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), im Jahr 1889 gegründet wird, gibt es kein Wahlrecht für Frauen: Politik ist Männersache. Trotz des 1918 etablierten Frauenwahlrechts sind die Parteien SPÖ, ÖVP und FPÖ zu Beginn der Zweiten Republik weiterhin stark männlich dominiert. Dieser männliche Einfluss wirke bis heute nach, erklärt die seit 2022 emeritierte Professorin für Politikwissenschaft Birgit Sauer. Die männlich geprägte Parteistrukturen erschwere Frauen die politische Aktivität parteiintern wie außerhalb. Auch wenn es mehr gewählte weibliche Landesparteivorsitzende bei der ÖVP und FPÖ gibt, als bei der SPÖ, gibt Sauer zu bedenken: Frauen würden nicht zwingend feministische Politik betreiben.
Es gibt innerparteilich wirklich Luft nach oben und wir als Frauenorganisation versuchen, das zu verbessern. Etwa mit unseren Förderprogrammen für Frauen.
Bundesfrauengeschäftsführerin der SPÖ
Anders ist die Situation bei den Neos und den Grünen, die beide von Frauen geführt werden. Insbesondere bei den Grünen lässt sich dieses Ergebnis auf die Linie der Partei zurückführen: Die Partei habe ihr Statut so gestaltet, dass Frauen gezielt in den Nationalrat einziehen können, erklärt Sauer. Zudem gebe es innerhalb der Grünen eine ausgeprägte feministische Orientierung und viele engagierte Frauen, die aktiv ein Gleichstellung auf allen Ebenen fordern. In einer Forschungsarbeit von Birgit Sauer erklärten grüne Politiker*innen, dass Gleichstellung zur DNA der Partei gehöre. Der Unterschied zwischen den Grünen und anderen Parteien wird auch in Bezug auf die Bundes- und Landesparteisprecher*innen deutlich – sieben Frauen stehen an der Spitze, wobei sich eine davon die Führungsrolle mit einem Mann teilt.
Warum gelingt den Sozialdemokrat*innen nicht, was die Grünen schaffen, obwohl beide Parteien in Sachen Gleichstellung ähnliche Positionen vertreten? Ein Besuch bei Ruth Manninger, Bundesfrauengeschäftsführerin der SPÖ, in der roten Parteizentrale. „Mich freut es persönlich wirklich, dass jetzt bei anderen Parteien auch Frauen an die Spitze kommen, weil wir über Parteigrenzen hinweg Verbündete und Mitstreiterinnen haben.“
Und bei der SPÖ? Manninger gesteht im Gespräch mit profil zu, dass „es innerparteilich wirklich Luft nach oben gibt und wir als Frauenorganisation versuchen, das zu verbessern. Etwa mit unseren Förderprogrammen für Frauen.“ Damit meint sie Programme wie die Frauenakademie des Karl-Renner-Instituts, wo sich Frauen austauschen, unterstützen und weiterbilden könnten.
Ob das reicht, Frauen in Spitzenpositionen zu bringen?
Die erste und bisher einzige SPÖ-Landeshauptfrau, Gabriele Burgstaller aus Salzburg, trat vor zwölf Jahren zurück, die Amtszeit der ersten Bundesparteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner endete 2023 unschön. Sie wurde im Mitgliedervotum nur Dritte. Immerhin das unterscheidet die SPÖ von der ÖVP: Bei der Volkspartei stand im Bund noch nie eine Frau ganz vorne.
Auf Rendi-Wagner folgte Andreas Babler, nunmehr Vizekanzler. Manninger sieht den Wechsel von Frau zu Mann entspannt: Der Parteivorsitzende sehe Frauenpolitik als einen Auftrag der Gesamtpartei und ist Feminist, so Manninger.
Sie verweist auch auf die weiblichen Vertreterinnen in der Bundesregierung und historisch sind starke Frauen der SPÖ, beispielsweise stellte die Partei die erste Frauenministerin Österreichs, Johanna Dohnal.
Realität in der Parteistruktur
Gleichstellung ist Teil des SPÖ-Statuts. Im Wahlprogramm für die Nationalratswahl 2024 garantiert die Sozialdemokratie die Durchsetzung der Gleichberechtigung. Innerparteilich wird dieses Ziel vor allem mit einer Quotenregelung gefördert: bei Wahlen und der Erstellung von Listen müssen je mindestens 40 Prozent der Kandidat*innen weiblich und männlich sein.
Das beschert der SPÖ zwar gute Frauenquoten im Nationalrat, den meisten Landtagen und Parteivorständen. Doch für die Vorsitzfunktion, die in den überwiegenden Fällen mit einer einzigen Person besetzt wird, kann es kaum eine Quotenregelung geben. Und hier scheinen Frauen an das zu stoßen, was die SPÖ politisch ablehnt: eine gläserne Decke.
Auf der symbolischen Ebene von Repräsentation wird deutlich: Wenn mehrheitlich Männer politische Führungsämter übernehmen, vermittelt das die Botschaft, dass nur Männer geeignet sind – und Frauen nicht. Das ist tatsächlich demokratiegefährdend, weil Frauen dadurch demotiviert werden.
seit 2022 emeritierte Professorin für Politikwissenschaft
In der Auffassung der Politikwissenschaftlerin Sauer gibt es eine Lücke in der Partei-Statut. Eine mögliche Änderung wäre eine zeitliche Quote – wenn eine Funktionsperiode von einem Mann besetzt wurde, muss daraufhin eine Frau folgen. Das engt den Spielraum für die Besetzung von Spitzenpositionen allerdings stark ein. Schon jetzt hat die SPÖ in einigen Bundesländern das Problem, dass sie nur mit großer Mühe jemanden findet, der oder die sich das Spitzenamt antut. Anders als Sauer hält die SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Manninger eine zusätzliche Quotenregelung für schwer umsetzbar – denn die Landesorganisationen seien sehr eigenständig und agieren weitgehend autonom.
Frauen in die Politik
Am Männerüberhang in der Spitzenpolitik wird sich in den meisten Parteien so bald nichts ändern. Politik ist zeitaufwendig, verbunden mit vielen Abendterminen und mitunter auch nächtelangen Sitzungen. Dazu kommt, dass auf Gemeindeebene viele Ämter ehrenamtlich sind. Für Frauen ist das ein Hindernis, da sie noch immer den Großteil der Betreuungsarbeit zuhause stemmen müssen. Solange sich an der Lohnschere und dem ausbaufähigen Kinderbetreuungsangebot am Land nichts ändert, wird auch die Repräsentation von Frauen in Kommunen, Ländern und im Bund nur langsam steigen.
Aus Sicht von Politologin Sauer bräuchte es weibliche Vorbilder in der Politik. Männer können zwar feministische Politik ausüben, doch „auf der symbolischen Ebene von Repräsentation wird deutlich: Wenn mehrheitlich Männer politische Führungsämter übernehmen, vermittelt das die Botschaft, dass nur Männer geeignet sind – und Frauen nicht. Das ist tatsächlich demokratiegefährdend, weil Frauen dadurch demotiviert werden.“