Nachruf. Feindbild, Ikone, Legende

Feindbild, Ikone, Legende

Elfriede Hammerl zum Tod von Johanna Dohnal

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Unbequem sei sie gewesen, hieß es in fast allen Nachrufen auf Johanna Dohnal. Was wollten uns die KommentatorInnen damit sagen? Was war so unbequem an Johanna Dohnal, dass man es extra betonen musste – als sei es nicht Aufgabe von PolitikerInnen, resolut gegen herrschende Missstände vorzugehen?

Dohnal war eine Frau. Frauen haben es nach traditionellem Rollenverständnis anderen bequem zu machen statt unbequem. Und sie war noch dazu unbequem im Interesse von Frauen. Beides, ihr energisches Auftreten und ihr Eintreten für andere Frauen, wurde mit offenbar nachhaltigem Missbehagen aufgenommen.

Ja, Johanna Dohnal lehnte es ab, mit traditionell weiblichem Rollenverhalten punkten zu wollen. Flötende, zwitschernde, kokette Geschlechtsgenossinnen waren ihr ein Gräuel, auch solche, die den Männern pauschal mit quasi mütterlicher Nachsicht begegnen. Ihre unerbittliche, schnörkellose Geradlinigkeit irritierte Männer und auch Frauen, aber im Laufe der Zeit war sie ein gewichtiger Grund, warum Frauen ihr vertrauten und ihr zutrauten, etwas zu erreichen im zähen Ringen um Geschlechtergerechtigkeit.

Dohnal war eine wie wir und doch wiederum nicht, weil sie nicht anfällig schien für unsere Schwächen: gefallen zu wollen, unbedingt geliebt werden zu wollen, attraktiv sein zu wollen in männlichen Augen. Am Ende ihres Lebens war Johanna Dohnal eine Legende, deren raubeiniges Image als Garantie für Ehrlichkeit und echten Einsatzwillen verstanden wurde. Wenn sie privat in Wien unterwegs war, konnte es passieren, dass junge Frauen im Outfit der Döblinger Regimenter auf sie zueilten und ihr für ihre Verdienste dankten oder dass ältere Paare, Frau wie Mann, wehmütig seufzten, Persönlichkeiten wie sie gingen der Politik heutzutage schmerzhaft ab.

Johanna Dohnal empfand diesen Ikonen-Status keineswegs als Happy End ihres politischen Wirkens. Unbeirrbar kritisch verfolgte sie die Geschehnisse, und was sie sah, gefiel ihr wenig. Dass die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern sich nicht schließt, sondern weiter öffnet, die wachsende Armut überhaupt, Terraingewinne der Rechtsrechten und deren Menschenhetze oder die nach wie vor schwere Vereinbarkeit von Beruf und Familie – Dohnal fand keinen Grund, sich mit dem Erreichten zufrieden zu geben, das sagte sie privat und bei öffentlichen Auftritten.

Nach ihrem Ausscheiden aus der damaligen Regierung, 1995, hatte sie keinerlei offizielle Machtposition mehr inne, aber sie mischte sich ein und mischte mit, wo immer sie es für notwendig befand. 1997 unterstützte sie vehement das Frauenvolksbegehren, im Jahr 2000 nahm sie an den Donnerstags-Demonstrationen gegen die schwarz-blaue Regierung teil, 2001 engagierte sie sich für das Sozialstaats-Volksbegehren. Nicht zuletzt ihrer Lebenspartnerin Annemarie Aufreiter zuliebe übersiedelte sie – zunächst teilweise, dann ganz – ins Weinviertel, wo Aufreiter mittlerweile SP-Gemeinderätin von Grabern ist. Dohnal kandidierte dort 2005 ebenfalls für die SPÖ, an 38. Stelle der Liste – symbolisch einerseits, aber auch aus ernst gemeinter Wertschätzung für kommunalpolitische Bemühungen. Johanna Dohnal hat in mehrfacher Hinsicht die Bodenhaftung nie verloren, ihr Lebensstil war ebenso unprätentiös wie ihr Auftreten, maßlos war sie allenfalls in ihrem Lese- und Wissenshunger.

Ihre Loyalität der SPÖ gegenüber war Außenstehenden nicht leicht nachvollziehbar, schließlich hatte die Partei sie immer wieder brüskiert und ihre Vorhaben blockiert. Noch 1991 wurde sie auf dem Bundesparteitag bei der Wahl ins Parteipräsidium von 30 Prozent der Delegierten gestrichen, weil die Sozialistischen Frauen unter ihrer Führung auf den Kandidatenlisten eine Frauenquote von 40 Prozent statt 25 durchsetzen wollten. Und 1995 musste sie als Ministerin gehen, obwohl und nachdem sie ihr angedrohtes Veto zum frauenfeindlichen Sparpaket der Regierung Vranitzky zurückgezogen hatte. Parteisoldatin wurde sie genannt, weil sie öffentliches Schmutzwäschewaschen danach verweigerte. Aber für Menschen wie Dohnal war die Partei weit mehr als nur die Summe ihrer aktuellen Mitglieder, sie war ihr, was Konservativen die Abstammung ist: Wurzel, Herkunft, Zuhause. Ohne die SPÖ hätten es Kinder aus armen Verhältnissen wie Dohnal (oder wie Fred Sinowatz) nicht geschafft, zu einem Leben zu kommen, in dem ihre Intelligenz zählte und ihre Begabungen Früchte trugen.

Als die junge Johanna Dohnal in die Politik einstieg, bestimmten Männer noch per Gesetz als Oberhaupt die Geschicke ihrer Ehefrauen und Kinder. Seither hat sich eine Menge geändert, aber nicht von selbst, sondern durch zähes politisches Ringen; wer sich auf Dohnals Homepage anschaut, wie viele Initiativen, Aktionen und Maßnahmen auf ihr Konto gehen, bekommt eine Ahnung von der Beharrlichkeit und der Frustrationstoleranz, die nötig waren, um halbwegs geschlechtergerechten Verhältnissen näherzukommen.

Wir verdanken ihr viel, sagen heute auch solche, die sich diese Einsicht lange versagt haben, ob aus Feigheit, Faulheit oder Verbohrtheit. Später Erkenntnisgewinn. Bringen wird er nur etwas, wenn Dohnals Erbinnen jetzt nicht bequem zuwarten, bis sie wieder einmal einer viel verdanken können, sobald gesichert ist, dass ihnen das eh bei niemandem mehr schadet.