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Kickl: Wählen ihn ÖVP und SPÖ zum Nationalratspräsident?

Nach der Wahl droht Schwarz und Rot ein Problem. Eventuell müssen sie Herbert Kickl zum Nationalratspräsidenten wählen.

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Seit einiger Zeit laufen vertrauliche Annäherungsversuche zwischen gewichtigen Vertretern von ÖVP und SPÖ, um auszuloten, ob eine Zusammenarbeit nach der Nationalratswahl im Herbst möglich ist. Als Betreiber eines schwarz-roten beziehungsweise rot-schwarzen Revivals gilt auf ÖVP-Seite Kanzler Karl Nehammer höchstpersönlich. Auf SPÖ-Seite engagieren sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures. Noch geht es nicht um Inhalte, sondern um vertrauensbildende Maßnahmen, nachdem die Beziehung zwischen beiden Parteien in den vergangenen Jahren vergiftet war.

Doch der gemeinsame Gegner, Herbert Kickl, verbindet. In allen Umfragen liegt die FPÖ voran. Aus heutiger Sicht ist ihr der Sieg bei der Nationalratswahl kaum mehr zu nehmen. Und danach? Die SPÖ lehnt jede Zusammenarbeit ab. Karl Nehammer und alle anderen ÖVP-Spitzenvertreter wollen zumindest nicht mit Kickl kooperieren. Sollte der FPÖ-Chef etwa zugunsten der Salzburger Landesobfrau Marlene Svazek auf den Kanzlerposten verzichten, wäre Blau-Schwarz denkbar. Allerdings haben Kickl und die Seinen einen derartigen Verzicht kategorisch ausgeschlossen.

Dreierkoalition

Die Blauen rechnen derzeit fix mit einer Koalition aus ÖVP, SPÖ und – als Mehrheitsbeschaffer – einer dritten Partei, entweder den Grünen oder Neos. Allerdings könnten die Freiheitlichen den anderen Parteien das Leben erschweren. Wahltermin ist wahrscheinlich der 29. September. Laut Gesetz muss der neue Nationalrat innerhalb von 30 Tagen nach der Wahl zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten. Nach ihrer Angelobung wählen die Abgeordneten aus ihrer Mitte den neuen Präsidenten oder die neue Präsidentin. Diese Wahl gilt für die gesamte Gesetzgebungsperiode. Eine Abwahl ist nicht möglich. 

Nach jahrzehntelanger Praxis ist es üblich, dass die drei stimmenstärksten Klubs die drei Präsidenten in der Reihenfolge ihrer Mandatsstärke stellen. Es wäre also das – zwar nicht gesetzliche, aber jahrzehntelang gelebte – Vorrecht der FPÖ, einen Kandidaten für den Nationalratspräsidenten zu nominieren. Schlägt die FPÖ Herbert Kickl vor, bekommen alle anderen Parteien, vor allem ÖVP und SPÖ als größere Fraktionen, ein Problem. Wie sollte man einen Mann zum Nationalratspräsidenten wählen können, dem man die Eignung zum Kanzler abspricht? 

Die Macht des Präsidenten

Es ist ein einflussreiches Amt: Als Vorsitzender des Kollegiums der drei Präsidenten ist der Nationalratspräsident quasi zweithöchster Mann im Staat. Er beruft Sitzungen ein, vertritt den Nationalrat nach außen und ist Leiter der Parlamentsdirektion. In seiner Amtsführung sollte ein Nationalratspräsident ausgleichend wirken und alle Fraktionen gleich behandeln. Zusammengefasst: Für den Job des Nationalratspräsidenten eignet sich wohl keiner der 183 Abgeordneten weniger als der stets konfrontative FPÖ-Obmann.

Die anderen Parteien würden daher Kickl und die FPÖ wohl drängen, einen anderen, ausgleichenden blauen Kandidaten vorzuschlagen. Weigern sich die Freiheitlichen, stecken die übrigen Parteien im Dilemma. Wählen sie Kickl, kommt es einer politischen Unbedenklichkeitserklärung gleich. Wer dem Parlament vorsitzt, kann auch zum Regierungschef nicht ganz ungeeignet sein. Verweigern sie Kickls Wahl, kann sich der FPÖ-Chef als Märtyrer und Opfer des von ihm kritisierten „Systems“ darstellen, das die Spielregeln ändert, sobald ein Freiheitlicher vorn liegt. So oder so: Wirbel – und damit Kickls bevorzugter politischer Betriebszustand – ist garantiert.

 

 

 

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.