Klima

Klimaökonom Steininger: „Ab 2025 keine neuen Verbrenner mehr zulassen“

Pendlerpauschale für SUV-Fahrer, autofreie Innenstädte: Der Klimaökonom Karl Steininger erklärt, welche Tabuthemen die Regierung anpacken muss, um die Treibhausgase zu halbieren.

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Das Pendlerpauschale steht als klimaschädliche Subvention in der Kritik. Sollte man es abschaffen?
Steininger
Nicht ganz. Am besten wäre es, das Autofahren nur noch für den Weg bis zu den nächsten öffentlichen Verkehrsmitteln zu fördern und ab dort die Tickets für die Öffis zu subventionieren. Im Wesentlichen wäre das das Klimaticket. Das hätte neben CO2-Einsparungen einen weiteren Vorteil: Das Pendlerpauschale würde sozial gerechter. Denn am meisten wird in Mödling, einem der reichsten Bezirke Österreichs, ausbezahlt. Weil dort die Wohlhabenden mit ihren SUV in die Bundeshauptstadt pendeln. Es ist also nicht primär die Krankenschwester aus dem Waldviertel, die immer wieder als typische Pendlerin hervorgezaubert wird. De facto wird das Pauschale viel stärker durch eine höhere Einkommensklasse genützt.
Wie lange werden wir noch Autos mit Verbrennungsmotoren fahren können?
Steininger
Ein Fahrzeug ist in Österreich durchschnittlich 15 Jahre in Betrieb. Wenn wir 2040 im Verkehr keine Treibhausgase mehr emittieren wollen, dann wäre es klug, bereits ab 2025 keine Neuwagen mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Das Problem: Es ist nicht klar, ob das EU-rechtskonform wäre, denn die EU will ein Verbrenner-Aus ja erst ab 2035. Man könnte es aber über die Normverbrauchsabgabe lösen, die man in den nächsten Jahren deutlich ansteigen lassen könnte. Sodass es wirklich extrem teuer wird, sich einen Verbrenner anzuschaffen.
Der Vorschlag „Tempo 100 auf Autobahnen“ sorgt regelmäßig für ein Aufheulen. Würde ein Minimalkonsens, wie zum Beispiel 90 Kilometer pro Stunde auf Landstraßen, 30 im Ortsgebiet auf Nebenstraßen, etwas bringen? Oder ist das Augenauswischerei?
Steininger
Natürlich bringt es am meisten, wenn die Geschwindigkeit auf allen Straßen reduziert wird. So könnten wir zehn Prozent Emissionen einsparen. Vor allem die Landstraßen sind ein großer Hebel. Auch in Bezug auf die Sicherheit, denn auf den Landstraßen passieren die meisten Unfälle.
Wie viel ließe sich mit einem autofreien Tag pro Monat einsparen?
Steininger
Sehr, sehr wenig. Als man in den 1970er-Jahren einen autofreien Tag pro Woche eingeführt hat, haben sich viele Haushalte einfach ein zweites Auto angeschafft. In Summe wurde dann sogar mehr gefahren. Außerdem darf man die Emissionen bei der Herstellung nicht vergessen. Wir hätten also dann mit sehr viel Emissionen Fahrzeuge produziert, die wir noch weniger nutzen.
Wie sind denn Maßnahmen wie Citymaut oder autofreie Innenstädte zu bewerten?
Steininger
Ich halte autofreie Innenstädte für eine sehr sinnvolle Maßnahme, die zeigt, dass wir Lebensraum zurückgewinnen können. Für die Klimaanpassung brauchen wir außerdem mehr Grünräume. Schneller umzusetzen als eine Citymaut sind flächendeckend höhere Parkgebühren. Wien hat das sehr gut gemacht, indem es die Parkflächen bis in die Randbezirke hinaus kostenpflichtig gemacht hat. Das hat deutliche Veränderungen im Pendlerverkehr hervorgerufen, es gibt viel weniger Einfahrten in die Stadt.

Es gibt wenig andere, dermaßen wirkungsvolle Maßnahmen, als wie den Bürgermeistern die Flächenwidmung zu entziehen.

Schon bei der Einführung der CO2-Steuer wurde kritisiert, dass sie mit 30 Euro pro Tonne zu niedrig sei. Der Klimarat forderte, dass sie bis 2025 auf 120 Euro steigen sollte. Welche Höhe wäre sinnvoll?
Steininger
Wir wissen aus dem Verhalten der Menschen, dass es eine Mindestbepreisung braucht, um eine deutliche Wirkung zu erzeugen. Man hat es bei der Finanzkrise ab 2008 gesehen, wo es zu einer Anhebung des Treibstoffpreises im Bereich von 20, 30 Cent pro Liter gekommen ist. Da haben die Menschen Fahrgemeinschaften gebildet oder sind auf den öffentlichen Verkehr umgestiegen. Die 30 Euro je Tonne, die wir im Oktober eingeführt haben, bedeuten acht Cent mehr pro Liter Benzin oder neun Cent beim Diesel. Die bewirken relativ wenig. Daher brauchen wir eine viel höhere Besteuerung, etwa in der Dimension, wie sie der Klimarat vorgeschlagen hat. Inzwischen gab es als Folge des Ukraine-Krieges einen viel höheren Benzinpreis. Gemeinsam mit der CO2-Steuer hat das dazu geführt, dass im vergangenen Jahr zweieinhalb Prozent weniger Treibstoff getankt wurden. Das heißt: Ja, Preis wirkt. Wenn sich die Preise jetzt wieder stabilisieren, ist es umso wichtiger, wieder nachzusteuern und die CO2-Preise ansteigen zu lassen.
Aufgrund der Zersiedelung sind viele Menschen auf dem Land auf das Auto angewiesen.
Steininger
Wir müssen den Zugang zu Gütern, Personen und Dienstleistungen ohne motorisierten Verkehr möglich machen. Dazu müssen wir in der Raumordnung die Kompetenzen ändern. Zurzeit sind die Bürgermeister die erste Bauinstanz. Diese widmen um, wenn es um zwei, drei Wählerstimmen geht. Das sind strukturelle Fehler, die in Österreich passiert sind, und die gilt es, dringend zu ändern.
Ist es realistisch, den Bürgermeistern die Flächenwidmung zu entziehen? Das birgt enorme politische Sprengkraft.
Steininger
Es gibt wenig andere, dermaßen wirkungsvolle Maßnahmen. Es ist kein leichtes Unterfangen, aber wenn wir bei Verkehr, Emissionen, Biodiversität wirklich zukunftsfähig werden wollen, dann führt daran kein Weg vorbei. Und einige Bürgermeister würden sich auch wünschen, wenn das von Beamten auf Bezirksebene entschieden würde.
Das Gegenargument lautet, Bürgermeister würden die lokalen Gegebenheiten am besten kennen.
Steininger
Eine kluge Bezirksverwaltung kann sehr wohl Argumente berücksichtigen, die von Bürgermeistern oder aus der Gemeinde kommen. Das ist eine Frage des Verfahrens, dass man sicherstellt, dass solche Argumente am Tisch liegen.

Karl Steininger

Klimaökonom am Wegener-Center der Karl-Franzens-Universität Graz

Welche Maßnahmen muss die Regierung dringend in den Plan packen, der im Juni nach Brüssel geschickt werden soll?
Steininger
Neben dem Sorgenkind Verkehr geht es sehr stark um die Raumwärme. Es braucht dringend das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das von der Regierung im Ministerrat verabschiedet wurde, aber noch nicht vom Parlament beschlossen ist. Die Bundesländer, welche die Bauordnungskompetenz innehaben, können momentan nur für Neubauten Vorgaben zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen machen, nicht aber für bestehende Gebäude. Das würde erst ein Bundesgesetz ermöglichen.
Wie steht Österreich aktuell da bei den Emissionen? Geht die Tendenz in die richtige Richtung?
Steininger
Wir stehen im Wesentlichen auf dem gleichen Emissionsniveau wie vor 30 Jahren. Für 2022 erwarten wir zwar einen Rückgang auf das Niveau des Pandemie-Jahres 2020, bedingt durch die Preissteigerungen bei den fossilen Brennstoffen. Die strukturellen Änderungen in der Wirtschaft fehlen aber. Da sieht man: Ein Absenken um die Hälfte ist gewaltig viel.
Was wird es Österreich kosten, wenn die Ziele nicht erreicht werden?
Steininger
Der Rechnungshof geht davon aus, dass es um die neun Milliarden Euro sein werden – wenn wir auf dem jetzigen Pfad bleiben. Konkret heißt das, wir müssten von anderen Ländern, die ihre Ziele übererfüllen, Emissionsrechte kaufen. Das Problem: Es ist zunehmend unwahrscheinlich, dass es genug Länder gibt, die Überschüsse machen. Insofern wird es sehr spannend werden, wie sich die EU hier verhält. Aber ich denke, es wird letztlich in irgendeiner Weise Zahlungen geben.
Welche Länder haben ihre Hausaufgaben gemacht?
Steininger
Die nordischen Länder sind sehr weit. Schweden hat sehr früh einen CO2-Preis eingeführt, der derzeit bei über 120 Euro pro Tonne liegt. Dänemark etwa schreitet beim Ausbau der erneuerbaren Energie voran.
Wie realistisch ist es, dass die von Ihnen genannten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden?
Steininger
Meine primäre Hoffnung liegt auf der EU. Wir haben seit dem Beitritt die Impulse im Umwelt- und Klimaschutz letztendlich immer aus der EU bekommen. Dann werden sich auch die Letzten bewegen müssen. Österreich ist ein Exportland. Wir verlieren an Wettbewerbsstärke, wenn wir rückwärtsgewandte Politik betreiben. Ich hoffe, dass sich auch in einer wirtschaftsorientierten Partei in Zukunft diese Stimmen viel stärker durchsetzen werden, als sie das heute tun.
Woran liegt es denn, dass sich diese Stimmen in der ÖVP so wenig durchsetzen?
Steininger
Ich glaube, weil Klimaschutz Veränderung heißt. Und Veränderung birgt für manche Unsicherheit. Insofern wird vor allem in den Kammern mehr auf die Stimmen gehört, die gegenwärtige Zustände, Machtstrukturen und Einfluss bewahren wollen. Großkonzerne sind da weitgehend anders. Sie sehen, dass sie langfristig wirtschaftlich nur überleben können, wenn sie wirklich zukunftsfit sind. Es geht auch darum, für die Industrie erneuerbare Energie bereitzustellen. Und Maßnahmen zu setzen, die ihr den Umstieg ermöglichen. Aber da braucht es noch ganz viel Sicherheit bei der Infrastruktur, an Verfügbarkeit von erneuerbarer Energie, an den richtigen Orten und in den richtigen Mengen.
Wie lassen sich die Bremser ins Boot holen?
Steininger
Indem wir dieses Zukunftsbild klarer zeigen: Wenn Unternehmen weiter auf fossile Businessmodelle bauen, dann werden sie letztlich auch als Fossilien aussterben. Die Regierung ist gut beraten, dieses Sterben nicht noch zu verlängern.

Dies ist die gekürzte Fassung der aktuellen Tauwetter-Folge.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

ist Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast (@profil_Klima).