Dossier: Klima

Klimaschutz: Mehr ist nicht genug

Klimamaßnahmen spielen bei den Bundesausgaben ab 2023 eine größere Rolle als je zuvor. Reicht das?

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Es ist ein abgedroschener Spruch: "Das Budget", so heißt es, sei "die in Zahlen gegossene Politik". Tatsächlich entscheidet die Höhe der Mittel darüber, ob und wie politische Projekte umgesetzt werden können. Mitte Oktober stellte Finanzminister Magnus Brunner seinen Budgetentwurf für 2023 vor, jetzt wurde dieser im Nationalrat fixiert. Grob geschätzt sind 7,3 Milliarden von insgesamt 115,1 Milliarden Euro für Klimaschutz und Klimaanpassung reserviert, das sind um 1,6 Milliarden mehr als 2022 - und mehr als je zuvor. Aber reicht diese Summe, um der größten Krise unserer Zeit zu begegnen?

Die Expertinnen und Experten sind sich einig. Mehr Geld für den Klimaschutz ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Christoph Badelt von der Wirtschaftsuniversität Wien lobte kürzlich die "Klimaoffensive", Margit Schratzenstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut das "Nichthinausschieben der CO2 Bepreisung". Die Probleme stecken jedoch im Detail. Georg Feigl ist Wirtschaftswissenschafter bei der Arbeiterkammer und hat das Budget einer akribischen Analyse unterzogen. Im aktuellen Tauwetter-Podcast erklärt er, warum die Gemeinden zu kurz kommen, der Verkehr Österreichs größtes Klima-Problem bleiben wird-und wo eine Überförderung droht.

Mammutaufgabe Verkehr

Der Verkehr ist eine der größten Klima-Baustellen in Österreich: Fast 30 Prozent der Treibhausgase entstehen durch Verbrennungsmotoren. Um das zu ändern, führt kein Weg am Ausbau des öffentlichen Verkehrs vorbei. Das hat die Regierung zwar erkannt und mit dem Klimaticket sowie Geldern für den Ausbau des Schienennetzes erste wichtige Schritte gesetzt. Mit 4,4 Milliarden Euro ist die Bahn der größte Posten im Klimabudget. Wo es aber auch nächstes Jahr haken wird, ist die berühmte letzte Meile. Wie kommt man ohne Auto vom Bahnhof nach Hause? Wie zur Arbeit in die Nachbargemeinde? Zu lösen ist dieses Problem nur auf kommunaler Ebene. 500 Millionen Euro fließen 2023 an Städte und Gemeinden-allerdings als einmalige Investition. Um Öffis und Radwege auf dem Land tatsächlich attraktiv zu machen, bräuchte man auch in den Folgejahren eine Finanzierung. Die für die Stadtregionalbahnen veranschlagten 50 Millionen sind laut Experten ebenfalls viel zu wenig. Damit lassen sich nur wenige zusätzliche Straßenbahnkilometer bauen.

"Die Gemeinden haben eine Schlüsselrolle, kommen aber zu kurz." Georg Feigl, Ökonom

Beim Güterverkehr lässt der Staat hingegen viel Geld liegen. Eine flächendeckende Lkw-Maut, die den EU-rechtlichen Spielraum voll ausschöpft, könne jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag in Österreichs Staatskassen spülen, so Wirtschaftswissenschafter Feigl in seiner Budgetanalyse. "Rund 70 Prozent des hochrangigen Straßennetzes fallen in die Kategorie Bergregion, für die die Zuschläge deutlich erhöht werden können." Damit würde der Anreiz automatisch größer, Güter auf der Schiene statt auf der Straße zu transportieren.

Achtung: Überförderungsgefahr!

Nach der Bahn bekommt die Industrie den zweitgrößten Brocken: 5,7 Milliarden Euro sollen bis 2030 in einen Fördertopf fließen, um die heimischen Unternehmen bei der ökologischen Umrüstung zu unterstützen. Das klingt gut, es gibt aber eine Unschärfe: Ein Plan, wie die Gelder genau verteilt werden sollen, existiert noch nicht. Je unkonkreter Unterstützungsgelder ausgeschüttet werden, desto größer ist die Gefahr der Überförderung-jüngstes Beispiel dafür sind die vom Rechnungshof scharf kritisierten Corona-Hilfen. Zudem drohen sogenannte Mitnahmeeffekte, also Förderungen, die gerne mitgenommen werden, obwohl sich eine Investition auch selbst rechnen würden. Es kann nicht im Sinne des Staates sein, Investitionen zu fördern, die sowieso getätigt worden wären.

Chronisch unterfinanziert: Städte und Gemeinden

Die Kommunen werden nicht nur bei der letzten Meile die Hauptrolle spielen. Schulen, Ämter, Bauhöfe, Schwimmbäder-viele Gebäude im Besitz der Gemeinden stammen aus den 1970er-Jahren oder sind noch älter, ein Großteil davon gehört dringend thermisch saniert. "Sollen diese Gebäude CO2-neutral werden, muss man Geld in die Hand nehmen. Allein können die Gemeinden das nicht stemmen", sagt Georg Feigl.

Ein weiteres Problem kann ebenfalls nur in den Kommunen gelöst werden: der Flächenfraß. Österreich liegt europaweit im Spitzenfeld, wenn es um das Zubetonieren von Böden geht. Seit Jahren fordern Expertinnen und Experten, das Bauen auf der grünen Wiese einzudämmen, weil es wesentlich zur Bildung von Hitzeinseln und Überschwemmungen beiträgt. Das werde ohne Rückwidmungen von Bauland nicht zu schaffen sein, sagte Karoline Mitterer vom KDZ Zentrum für Verwaltungsforschung vergangene Woche bei einer Pressekonferenz. "Der Besitzer muss für den Wertverlust entschädigt werden, was für die Gemeinden schwer leistbar ist."

Tatsächlich besserte Finanzminister Brunner vergangene Woche nach und verkündete "eine Milliarde für die Städte und Gemeinden".Im Klartext heißt das: Es bleibt bei den für 2023 versprochenen 500 Millionen, 2024 sollen noch einmal 500 Millionen fließen. Allerdings sind Letztere nicht ausschließlich für klimarelevante Ausgaben reserviert. Im Gegensatz zur Industrie, die bis 2030 vorausplanen kann, fehlt den Gemeinden weiterhin eine längerfristige Perspektive für den Klimaschutz.

Der Bund ein Vorreiter? Nicht wirklich

Eigentlich sollte der Staat mit gutem Beispiel vorangehen, sprich: vor allem auch bei sich selbst ansetzen. Das tut er nur unzureichend. Ein Beispiel: Drei Prozent der eigenen Gebäude sollten laut Energieeffizienzgesetz jedes Jahr thermisch saniert werden-tatsächlich schafft der Bund nur etwa die Hälfte. "Die Verantwortung wird dabei gerne an ausgegliederte Immobiliengesellschaften wie die Bundesimmobiliengesellschaft delegiert, wo dann allerdings prioritär Budget-und Ertragsziele dominieren, nicht der Beitrag zum Klimaschutz",kritisiert Feigl. Die tatsächlichen Klimamaßnahmen von staatsnahen Betrieben wie BIG, Verbund oder Bundesforsten würden zudem nicht ausreichend transparent gemacht und seien schwer zu überprüfen.

Ein weiteres Versäumnis: Der Bund wäre ein hervorragender Sonnenstrom-Produzent, viele der Gebäude in Staatsbesitz sind geeignet für Photovoltaik und Solarthermie. Tatsächlich geht die Zahl der Solaranlagen auf Bundesdächern aber gegen null.

Franziska   Dzugan

Franziska Dzugan

schreibt für das Wissenschaftsressort und ist Moderatorin von tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise.