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Können Veganer Österreich verteidigen?

Beim Bundesheer geht es um die Wurst. Plus: Weltpolitik beim Grillen: Kohle oder Gas?

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Guten Morgen!

Gestern Abend berichtete das ORF-Politikmagazin „Report“ von einer erstaunlichen Begebenheit im österreichischen Bundesheer: Eine Initiative von Soldatinnen und Soldaten fordert – unter Bezugnahme auf Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention – ein fixes veganes Menü in sämtlichen Kantinen des Bundesheers. Veganismus sei, so die Proponenten des Soldat:innenbegehrens, eine von der Menschenrechtskonvention gedeckte Weltanschauung und als solche auch in Staatskantinen zu berücksichtigen, analog etwa zu den Speiseregeln für anerkannte religiöse Glaubensrichtungen.

Schon am Nachmittag vor Ausstrahlung des Beitrags war der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Michael Bauer, in Richtung Twitter ausgerückt, um die Dinge ins richtige Verhältnis zu setzen: „Weniger als 1% aller Angehörigen des Bundesheers sind Veganer. Das Bundesheer bietet jetzt schon täglich 3 Speisen an; eine davon fleischlos und unsere Hauptaufgabe ist die militärische Landesverteidigung“, schrieb Bauer, sprich: Sorry, aber wir haben wirklich andere Sorgen.

Dazu lässt sich dreierlei feststellen. Erstens: Ja, das stimmt wahrscheinlich. Zweitens: Andererseits. Drittens: Immerhin gibt das Verteidigungsministerium in eigener Sache Auskunft. Das Innenministerium ist diesbezüglich, wie meine Kollegin Edith Meinhart herausgefunden hat, ja deutlich weniger kooperativ. Aber zurück zu Punkt zwei: Die Neutralität wird wohl nicht am warmen Büffet verteidigt, und ein Soldat ist kein Beilagenesser (außer er gehört zum 1 Prozent). Andererseits verändert sich die Welt nun eben doch dauernd, und manchmal fangen auch große Veränderungen im Kleinen an. Das kann die Ernährungsumstellung beim Bundesheer sein oder die Straßenbahn in Wien-Hirschstetten. Die Revolution kommt ziemlich sicher, warum also nicht gleich aktiv mitmachen? Darüber zumindest nachzudenken, wäre aber wohl eine Aufgabe für die geistige Landesverteidigung. Wer auch immer dafür gerade zuständig sein mag.

Vielleicht ist es ja die grillende Bevölkerung? Immerhin handelt es sich offenbar um eine Art weltanschauliche Avantgarde der Nation. Schließlich debattieren Barbecue-Fans über alle ideologischen Lager hinweg schon seit Jahren eine Grundsatzfrage, die der Bundesregierung erst am vergangenen Wochenende sauer aufstieß: Kohle oder Gas? Im konkreten Fall geht es darum, dass die Regierung am Wochenende beschlossen hat, das steirische Kraftwerk Mellach angesichts ausbleibender russischer Gaslieferungen auf den Steinkohle-Betrieb umzurüsten. Und seither gehen die Wogen hoch (womit sich leider keine Wasserkraft erzeugen lässt). Wie die Regierung so zu ihren Kompromissen kommt, haben die Klubobleute von ÖVP und Grünen, August Wöginger und Sigrid Maurer, gerade im großen profil-Streitgespräch erläutert. Und wie man sich als guter Staatsbürger an der Energiewende beteiligt, verriet Arbeitsminister Kocher gestern bei einer Pressekonferenz: „Jeder kann sparen, etwa beim Autofahren oder der Klimaanlage.“ Womit wir wohl wieder in Hirschstetten wären.

Einen sparsamen Mittwoch wünscht Ihnen

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.