Martin Schulz

Martin Schulz: "Was soll das?"

Der frühere SPD-Chef und Europapolitiker Martin Schulz über den EU-Vorsitz Österreichs, den "ideologischen Popanz" in der Flüchtlingskrise und die Bedrohung der EU durch Populisten.

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Dies ist ein Auszug aus dem profil-Interview mit Martin Schulz. Lesen Sie das vollständige Interview in der aktuellen profil-Printausgabe oder als E-Paper.

INTERVIEW: OTMAR LAHODYNSKY

profil: In Österreich macht der BND-Skandal Schlagzeilen. Wie beurteilen Sie die Abhöraktionen? Schulz: Wir wissen seit dem Ende des NSA-Untersuchungsausschusses sehr präzise, dass diese Geheimdienste ein Eigenleben entwickelt und sich der demokratischen Kontrolle entzogen haben. Und das ist ein Skandal.

profil: Was kann man dagegen unternehmen? Schulz: Wir werden ganz sicher in den Regierungen darauf achten müssen, dass die politische Aufsicht über die Geheimdienste konsequent angewendet wird. Man hat manchmal den Eindruck, dass sich Geheimdienste Freiräume schaffen, um sich der politischen Kontrolle zu entziehen. Ich empfinde es nicht als richtig, dass die Bundesrepublik Deutschland in Österreich spioniert. Wenn sich Demokratien untereinander ausspionieren - was soll das?

profil: Österreich übernimmt in zwei Wochen den EU-Vorsitz, und Bundeskanzler Sebastian Kurz will mit Italien und Bayern eine "Achse der Willigen" zur restriktiven Migrationspolitik schmieden. Was halten Sie davon? Schulz: Ich habe durchaus gute Erinnerungen an die Österreich-Präsidentschaft unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Jahr 2006. Schüssel legte damals als Bundeskanzler ein hohes diplomatisches Geschick an den Tag und brachte einen sehr komplizierten EU-Haushalt unter Dach und Fach. Das erwähne ich deshalb, weil es eine Regierung war, die unter intensiver Beobachtung stand. Deshalb glaube ich, dass Kurz sich an der damaligen österreichischen Präsidentschaft wird messen lassen müssen, die ebenfalls von einem ÖVP-Bundeskanzler geführt wurde in einer ähnlichen Konstellation wie heute. Was wir aber jetzt auch feststellen können, ist eine Radikalisierung in Sprache und Programmatik, die schon erstaunlich ist, sowohl bei Herrn Kurz als auch bei Herrn Strache.

Ein österreichischer Bundeskanzler hat es nicht nötig, sich da hineinziehen zu lassen.

profil: Bundeskanzler Kurz schmiedet gerade Allianzen mit Rechtspopulisten in anderen EU-Ländern. Schulz: Die Ratspräsidentschaft hat die Aufgabe einer Mittlerin, und deshalb wird Kurz sicher gemessen werden an den Erfolgen , die Schüssel seinerzeit insbesondere beim EU-Haushalt erzielt hat. Was die Flüchtlingspolitik betrifft, sollte Herr Kurz eines wissen: Bayern ist kein selbstständiger Staat, die bayerische Staatsregierung entscheidet nicht über die Außengrenzensicherung der Bundesrepublik. Entscheiden muss die Bundesregierung in Berlin und nicht die Staatsregierung in München. Die Bundesrepublik Deutschland weist übrigens schon heute nicht einreiseberechtigte Personen an den Grenzen ab, wie übrigens auch die österreichische Regierung. Hier wird ein Popanz aus ideologischen Gründen aufgebaut. Dahinter steckt der bayerische Landtagswahlkampf. Ein österreichischer Bundeskanzler hat es nicht nötig, sich da hineinziehen zu lassen.

profil: Kurz traf vergangene Woche die Regierungschefs der Visegrád-Staaten. Machen Sie sich Sorgen, dass er sich auf deren Seite schlägt? Schulz: Die Regierung Strache/Kurz in Wien hat eine ganz bestimmte Programmatik, die durch den Bundespräsidenten Van der Bellen eingegrenzt wurde, so wie seinerzeit Klestil die Schüssel/Haider Regierung eingrenzte. Wir erleben das also nicht zum ersten Mal in Österreich. Van der Bellen ist ein sehr proeuropäischer Bundespräsident. Insofern bin ich da gelassen. Es gibt auch große Teile in der ÖVP, die eine völlig andere Sichtweise in Bezug auf Europa haben. Ich denke zum Beispiel an Othmar Karas.

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