Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag, 5. Mai 2020, im Rahmen einer Kranzniederlegung anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des KZ Mauthausen

profil-Morgenpost: Kein Funken Normalität

Zum heutigen 75. Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht und dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa finden sich im profil-Archiv etliche beeindruckende Geschichten über die Wirren der letzten Kriegstage.

Drucken

Schriftgröße

Philip Dulle

Das profil-Archiv erweist sich dieser Tage als einzigartige Schatztruhe. Zum heutigen 75. Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht und dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa finden sich da etliche beeindruckende Geschichten über die Wirren der letzten Kriegstage, erstaunliche Zeitdokumente und historische Vignetten.

Ein Auszug: Am 1. Mai melden die Radiosender im gesamten Deutschen Reich, Adolf Hitler sei im Kampf um Berlin gefallen. In Freistadt im Mühlviertel werden an diesem Tag acht Widerstandskämpfer erschossen, die seit Herbst 1944 inhaftiert waren. Bregenz wird nach kurzem Kampf von französischen Einheiten eingenommen, die von einem ortskundigen Führer zur Stadt gelotst worden sind.

In Wien bemüht man sich derweil um Normalität. Das Theater in der Josefstadt wird mit „Hofrat Geiger“ wiedereröffnet und die in die Volksoper übersiedelte Staatsoper startet die Saison mit Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“. Mit der Partie Wiener Sportklub gegen Vienna treffen wieder zwei Mannschaften der höchsten Fußball-Leistungsklasse aufeinander; das Freundschaftsspiel endet mit einem 3:2-Sieg des Sportklub.

Am 2. Mai besetzen amerikanische Truppen Hitlers Geburtsstadt Braunau, während die Briten in Triest einmarschieren. Am 5. Mai wird das Konzentrationslager Mauthausen von amerikanischen Truppen befreit, während um Stockerau, Hollabrunn und die Burg Kreuzenstein noch gekämpft wird. Britische Truppen besetzen Klagenfurt, um das sie sich mit jugoslawischen Partisanen einen regelrechten Wettlauf geliefert haben.

Am Abend des 8. Mai tritt der am Vortag vom Oberkommando der Wehrmacht in Reims vor den alliierten Streitkräften unterzeichnete bedingungslose Waffenstillstand in Kraft. Auf Betreiben der Sowjetunion wird die Zeremonie am 9. Mai in Berlin-Karlshorst wiederholt. Der Zweite Weltkrieg in Europa ist zu Ende. Er kostete 50 Millionen Menschen das Leben.

Ein Dreivierteljahrhundert später bleibt die Frage akut, wie eine Gesellschaft nach einer derartigen Katastrophe überhaupt weitermachen kann. Christa Zöchling, die für die kommenden profil-Ausgabe, die am Sonntag erscheint, über jene „Stunde Null“ schreibt, spricht im aktuellen Podcast mit der Historikerin Heidemarie Uhl über das große Schweigen nach der Befreiung, wie es den Menschen im Land erging – und warum man von der Judenvernichtung partout nichts wissen wollte.

Die deutsche Hauptstadt Berlin begeht am heutigen Jubiläumstag übrigens einmalig einen zusätzlichen gesetzlichen Feiertag. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre mit dem kommenden profil und unserem gesamten Podcast-Angebot.

Philip Dulle

P.S. Noch ein Hinweis in eigener Sache: Corona-bedingt war das profil E-Paper in den letzten Wochen gratis abrufbar. Ab nächster Woche kostet es wieder etwas. Es würde uns sehr freuen, wenn Sie uns trotzdem weiterhin lesen.

P.P.S. Gibt es etwas, das wir an der „Morgenpost“ verbessern können? Das Sie sich von einem Newsletter auf jeden Fall erwarten? Das Sie ärgert? Erfreut? Wenn ja, lassen Sie es uns unter der Adresse [email protected] wissen.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.