Das Ende des 2. Weltkriegs in Österreich

Das Ende des Zweiten Weltkriegs: Ein Propagandist macht Mut

Zeitgeschichte. profil-Serie Teil I: ein Propagandist macht Mut

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In den Wiener Rosenhügelstudios dreht Willi Forst den Film "Wiener Mädln“ ab, in dem er selbst den Walzerkomponisten Carl Michael Ziehrer verkörpert. Die Dreharbeiten werden wegen der Fliegerangriffe immer wieder unterbrochen. Der ebenfalls mitwirkende Curd Jürgens (Foto) erinnerte sich später in seinen Memoiren, Forst habe den Schauspielern Pfeiferln in den Luftschutzkeller mitgegeben, damit sie sich im Fall der Verschüttung bemerkbar machen können. Hans Moser sei im Keller oft eingeschlafen, erinnerte sich Jürgens. Dieser letzte noch in der NS-Zeit gedrehte Film wurde erst nach Kriegsende fertiggestellt und kam 1949 in die Kinos.

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Die Rote Armee schneidet in einer Offensive Ostpreußen vom Rest des Reiches ab. Die deutsche Bevölkerung flieht zum Teil über die zugefrorene Ostsee nach Westen.

Seit Dezember tobt der Kampf um Budapest. Die Rote Armee hat inzwischen den gesamten Ostteil der Stadt erobert, gnadenlos wird um jedes Haus gerungen.

Die Zeitungen stellen die Lage völlig anders dar: "Neue Erfolge unserer SS-Verbände: Zuversichtliche Stimmung in Budapest“, schreibt der "Völkische Beobachter“: "Die Vernichtung der feindlichen Kräftegruppen ist in vollem Gang.“ Das "Znaimer Tagblatt“ titelt: "Das Heldentum der deutschen Einzelkämpfer überwindet die bolschewistische Masse.“

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Die Propagandisten müssen vorbauen. Fritz Stüber, "Schriftleiter“ (also Chefredakteur) des "Neuen Wiener Tagblatts“, schreibt eine Serie "Wehrhaftes Wien“, die sich mit zurückgeschlagenen Angriffen aus dem Osten beschäftigt, etwa durch die Türken oder etwas später durch die Kuruzzen aus dem Ungarischen Tiefland. Der Burschenschafter Stüber war bereits 1932 der NSDAP beigetreten und leitete ab 1938 das "Tagblatt“, in dem er sich bis zuletzt als Autor von Durchhalteartikeln hervortat. 1948 wurde er für drei Monate interniert, 1949 war er einer der Gründer der FPÖ-Vorgängerpartei VdU. Noch im gleichen Jahr zog Stüber in den Nationalrat ein. 1955 stimmte er als einziger Abgeordneter nicht für die Ratifizierung des Staatsvertrags, weil dieser den Anschluss an Deutschland untersagte. 1956 schied Stüber aus dem Nationalrat aus und gründete den rechtsradikalen "Eckartsboten“, den er bis zu seinem Tod 1978 leitete. Ein Versammlungslokal von Rechtsextremisten in Wien-Ottakring trägt bis heute seinen Namen: "Dr.-Fritz-Stüber-Heim“.

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Der Krieg frisst die Kinder. Die Industriellenfamilie Schoeller aus Wien-Döbling (Bankhaus Schoeller, Leipnik-Lundenburger, Schoeller-Bleckmann Metallwerke) meldet in einer Anzeige im "Völkischen Beobachter“ den Tod ihres Sohnes Rütger von Schoeller: "Er starb im Alter von 19 Jahren im Westen den Heldentod.“ Rütgers um fünf Jahre älterer Bruder Philipp von Schoeller steht als Rittmeister in einem Kosakenreiterregiment ebenfalls an der Front. Philipp von Schoeller überlebt den Krieg, übernimmt 1950 das Unternehmen und wird in den 1980er-Jahren Vizepräsident der Industriellenvereinigung. Er stirbt 2008.

Die andere Seite des Heldentods zeigt die Sterbeanzeige eines Vaters: "Mein einziger Sohn, der Erbe all meiner Hoffnungen, Helmuth Wilhelm fiel im blühenden Alter von 21 Jahren. Er folgt damit seiner Mutter nach vier Monaten in die Ewigkeit. In tiefstem Schmerz. Hans Wilhelm.“

Mitte Jänner werden alle männlichen Jugendlichen des Jahrgangs 1929 einberufen und auf den Fronteinsatz vorbereitet. Eine Befreiung von dieser Einberufung wird nur im Fall einer ernsten Erkrankung gewährt.

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Tägliche Pflichteinschaltung in allen Zeitungen: "Bis 21. Jänner verdunkeln wir von 17 bis 7 Uhr.“

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Der Klagenfurter AC gewinnt gegen den Erzrivalen Villach im Eishockey 11:0. Der 27-jährige Sepp "Bubi“ Bradl aus Mühlbach am Hochkönig siegt bei den Nordischen Meisterschaften des Gaues Salzburg. Ein anderer Salzburger, der Arbeiter Ferdinand Lang, wird am selben Tag im Wiener Landesgericht enthauptet. Lang hatte "Feindsender“ abgehört: "Er verbreitete die feindlichen Hetz- und Lügennachrichten unter seinen Arbeitskameraden und versuchte ihren Glauben an den Endsieg zu erschüttern“, schreibt das "Wiener Tagblatt“.

Noch 16 Wochen bis zum Ende des Weltkriegs in Europa.