profil-Morgenpost: Bohnenkönigstage

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Edith Meinhart

Am 6. Jänner gab bei uns zu Hause immer einen Marmorgugelhupf, in dem sich etwas versteckte. Das war meist eine Kaffeebohne, in anderen Familien wurden Münzen oder, bei Kindern besonders beliebt, kleine Figuren mitgebacken. Wer in seinem Stück Kuchen etwas fand, durfte einen Tag lang „König” oder „Königin” spielen. Es kam mehr als einmal vor, dass die Eltern einschreiten mussten, weil eines der für kurze Zeit zu unerwarteter Herrschaft gelangten Kinder in eine Art Machtrausch verfiel und anfing, die unterlegenen Geschwister zu sekkieren.

Der Brauch wird übrigens schon in mittelalterlichen Quellen erwähnt und verbreitete sich über Frankreich, wo der Galette des Rois meist aus Hefeteig gemacht wird, bis nach Berlin, wo er mitunter als Pfannkuchen auf den Tisch kommt, in oberösterreichischen Haushalten war es eben ein Marmorgugelhupf.

Diese Bohnenkönigstage waren durchaus lehrreich, insofern, als man im Laufe der Jahre einmal oben und dann wieder unten landete, was zu den den aktuellen, politischen Verschiebungen führt. Die Türkisen hätten die Bohne gerne alleine gehabt, müssen sie aber mit den Grünen teilen, die SPÖ starrt verwirrt auf ihren Teller, als könnte sie ihr ungerechtes Schicksal noch nicht fassen, während die FPÖ wie ein renitentes Kind auf den ganzen Kuchen spuckt und politische Beobachter sich fragen: Was machen Sebastian Kurz und Werner Kogler mit ihrer Macht? Werden sie sich wie Erwachsene benehmen, oder wie Bohnenkönigskinder?

Die Regierung, die am heutigen Dienstag in der Präsidentschaftskanzlei angelobt wird, ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang, dem sich profil in seiner aktuellen Ausgabe auf 20 Seiten sehr ausführlich widmet. Der Philosoph Franz Schuh glaubt im profil-Interview übrigens nicht an eine türkis-grüne Erfolgsgeschichte – würde sie sich aber trotzdem wünschen.

Natürlich haben wir im Heft noch Platz für Wichtiges, Dramatisches und Explizites abseits der Causa Prima gelassen. Gernot Bauer und Rosemarie Schwaiger gingen der Frage nach, warum sich die über 50-Jährigen trotz Hochkonjunktur am Arbeitsmarkt schwer tun – wichtig! Christina Hiptmayr interviewte einen Spitzenmanager des französischen Alstom-Konzerns, der in einem US-Hochsicherheitsgefängnis landete und ein Buch über seine zwei Jahre in Gesellschaft von Serienmördern und Schwerverbrechern schrieb – dramatisch! Christoph Zotter war in Indien und brachte eine Reportage über das 1,3 Milliarden Einwohner-Land im eisernen Griff von Premier Narenda Modi mit – ernst, aber durchaus unterhaltsam! Und Angelika Hager führte mit der Theatermacherin und Performerin Grischka Voss ein ziemlich schamloses Gespräch. Darin verriet Voss unter anderen, dass sie ihren 13-jährigen Sohn ungern in ihr neues Stück „Bulletproof” lassen würde. Es geht darin nicht um Kinderkönigsspiele, sondern „schon ans Eingemachte”. So viel sei verraten.

Edith Meinhart

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Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges