FPÖ-Historiker Lothar Höbelt

profil-Morgenpost: Sturmhaube oder Schlafrock?

Was Gespräche mit dem recht rechten Historiker Lothar Höbelt von solchen mit linksradikalen Demonstranten unterscheidet.

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Guten Morgen!

Das Lässige am Journalistenberuf ist ja, dass man (entsprechende Bereitschaft vorausgesetzt) jederzeit mit Leuten reden kann, die komplett anders ticken als man selbst. Wenn sie auch noch ein gewisses Maß an Verhaltensorginalität aufweisen – umso besser.

Eine dieser Unterhaltungen – sie fand vor ungefähr einem Jahr statt – ist mir besonders lebhaft in Erinnerung. Gesprächspartner war der FPÖ-nahe Historiker Lothar Höbelt, der sich selbst als „ja wirklich ein reaktionärer Knochen“ bezeichnet. Zeit (ein nicht allzu späten Vormittag) und Ort (die Wohnung Höbelts in einem gutbürgerlichen Wiener Bezirk) ließen es dem Hausherren angemessen erscheinen, in Schlafrock und Pyjamas zu öffnen und diese Adjustierung auch beizubehalten. Im Arbeitszimmer türmten sich die Bücher, der Kaffee war chefarztpflichtig und der Besucherstuhl so durchgesessen, dass man natürlich darüber phantasieren konnte, welche Ärsche er wohl schon vor dem meinigen ausgehalten haben mochte – allesamt Umstände, die den Termin über den Inhalt (der hier nicht verraten wird, weil die Geschichte, um die es damals ging, leider nie über das Recherchestadium hinausgekommen ist) hinaus interessant machte.

Vergangene Woche statteten meine Kollegen Christina Pausackl und Thomas Hoisl Höbelt einen Besuch ab. Die Situation in der Wohnung war, soweit die beiden sie schildern, die gleiche wie vor einem Jahr (das Zeitkontinuum, das Höbel bewohnt, ist zäh), der Rechts-Gelehrte hatte inzwischen aber Tagesbekleidung angelegt, und es ging um ein anderes, neueres Thema: Zum Teil gewaltsame Protestaktionen gegen Höbelt an der Universität Wien, die in den vergangenen Wochen in ein – so Pausackl und Hoisl – „Spektakel zwischen linksradikalen Aktivisten und rechtsextremen Identitären“ ausgeartet sind.

Zu Letzteren fällt mir momentan nichts ein, Vorletztere sind zumindest kleidungstechnisch einen Gedanken wert. Dass sie vorzugsweise vermummt auftreten, zeugt ihrer eigenen Einschätzung nach nämlich auch von Stilbewusstsein: „Natürlich geht es auch um eine gewisse Ästhetik“, sagt eine autonome Aktivistin in der Reportage, was mir umgehend wieder den morgendlichen Anblick Höbelts in vergleichsweise positive Erinnerung rief. Wenn Sie mich nämlich jetzt ganz offen fragen, mit wem ich im Zweifelsfall lieber rede – mit jemandem, der eine schwarze Sturmhaube auf dem Kopf trägt oder mit jemandem im Schlafrock – dann muss ich ehrlich sagen: Mit Letzterem, unbeschadet jeder Ideologie.

Einen schönen Tag mit vielen interessanten Gesprächen!

Martin Staudinger

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