Stephanie Krisper

NEOS: Die BVT-Aufdeckerin Stephanie Krisper im Porträt

Auf der lauten Bühne der Parlaments gehört die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper zu den Leiseren. Warum fällt die BVT-Aufdeckerin trotzdem so oft auf?

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Da steht sie, ein wenig am Rand, und wartet, bis sie an der Reihe ist. Die Kameras laufen, Scheinwerfer und Mikrofone sind ausgerichtet. Peter Pilz, der "Aufdecker der Nation", schreitet ins Bild. Alle Augen sind auf ihn gerichtet. Das Pressegespräch kann beginnen.

Hätte Stephanie Krisper nicht auch manchmal Lust, so wirkungsvoll zu spät zu kommen? Vergangenen Mittwoch - die NEOS-Abgeordnete hat eben den zweiten Tag des BVT-Untersuchungsausschusses absolviert - sitzt sie in einem Lokal am Burgring, bestellt eine Quiche, dazu Aperol Spritz und lässt die Szene Revue passieren. Nein, darauf habe sie keine Lust, wirklich nicht.

Auf dem krachend laut bespielten politischen Parkett hebt sich die 38-jährige Wienerin durch ihren verbindlichen Ton und bürgerlich-wohlerzogenen Habitus ab. Das sind üblicherweise nicht die besten Voraussetzungen, um im Zentrum des Geschehens zu landen. Und doch ist Krisper eine der auffälligsten Erscheinungen des heimischen Parlaments, was ein wenig an dem Bauchladen liegt, mit dem sie im November des Vorjahres hier für die NEOS einzog: Einwanderung, Asyl, Integration, Außenpolitik, innere Sicherheit sind unter der schwarz-blauen Regierung vermintes Revier.

"Spießbürgerliche" Herkunft

Und nun vertritt Krisper die Pinken im BVT-Ausschuss, die einzige Frau in der stramm männlichen Riege der Fraktionsführer. Sie scheint sich selbst ein wenig zu wundern, dass es dazu kam. Krisper entstammt "spießbürgerlichen" Hietzinger Verhältnissen, wie sie selbst sagt. Für ihre Mutter, eine Pharmazeutin, hatten Mädchen vor allem "hübsch und brav" zu sein. Ihr Vater, ein Chirurg, der bis zum Umfallen arbeitete ("Der Körper war für ihn nur dazu da, seinen Kopf und die Chirurgenhände herumzutragen"), beschwor sie, bloß nicht Ärztin zu werden. Hätte sie seinen Rat in den Wind geschlagen, wäre sie "eher Kardiologin als Schönheitschirurgin geworden". Das Relevante und Dringliche zog sie an. Doch sie konnte kein Blut sehen.

So wurde sie Menschenrechtlerin. Es ist keine exakte Berufsbezeichnung, beschreibt ihre Passion aber treffend. Krisper studierte Jus, verfasste eine asylrechtliche Dissertation, hängte einen Post Doc am European Center for Human Rights and Democratization an, volontierte bei den Vereinten Nationen in Genf, fand es dort "zu abgehoben", arbeitete am Gerichtshof für Menschenrechte in Sarajevo und im Rebellengebiet von Sri Lanka, bevor sie bei der Rechtsberatung der Caritas landete, allerdings nicht in der Wohlfühlzone: "Ich schreibe keine Berufung für einen Kosovaren, der bei der Einvernahme sagt, er möchte arbeiten, wenn gleichzeitig wirklich arge Fälle anstehen."

Manfred Nowak, Menschenrechtler und UN-Sonderberichterstatter für Folter, warb sie ab. Nach jedem ihrer Kinder -sie sind inzwischen zweieinhalb, sechs und neun Jahre -kehrte sie zu ihm zurück. Sie ging ihm in der Volksanwaltschaft zur Hand, fädelte Besuche in Gefängnissen, Pflegeeinrichtungen und Kinderheimen ein, schrieb Berichte. 2015 holte er sie ans Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte. Noch heute spricht Nowak von ihr in den höchsten Tönen: "Brillant" sei sie, "schnell, perfekt organisiert".

Und sie verfügt über ein strapazierfähiges menschenrechtliches Rüstzeug. Schon eine Weile nagte an Krisper die Frage, wo sie damit "am meisten weiterbringt - schließlich steht man mit den Menschenrechten nie auf der Seite der Macht". Andererseits brauche es sie: "Sonst gibt es eine Herrschaft der Mehrheit." So gut wie alle, die je mit ihr zu tun hatten, schwören, dass sie sich nie in den Vordergrund drängt. NEOS-Gründer Matthias Strolz hält Krisper für eine "Idealistin durch und durch"; sie habe es nicht nötig, "ihren Narzissmus zu befriedigen, aber sie nimmt sich die große Bühne, wenn sie es für geboten hält".

Entwaffnende Offenheit

Woher nimmt die manchmal fast schüchtern wirkende Frau das dafür nötige Selbstbewusstsein? Krisper ist in diesem Punkt entwaffnend offen: Um Rednerpulte und Fernsehstudios würde sie einen weiten Bogen machen, ginge es nicht "um die Sache". Am liebsten feilt sie an Anfragen zur Qualität von Asylbescheiden, zur Anschaffung von Sturmgewehren für die Polizei, zur Grenzschutztruppe des Innenministers, zur FPÖ-Wahlbeobachtung in Kambodscha oder zur Abschiebung von Afghanen. Kritisieren, Mängel aufzeigen, den Finger auf grundrechtliche Wunden legen: Das lernte sie als Menschenrechtlerin - auch scharfes Formulieren. Andere lieben den Angriff per se, Krisper denkt die Dinge gern durch. Lässt die Regierung Moscheen zusperren, braucht sie Zeit, um eine Schlagzeile zu stanzen.

Irgendwann aber habe sich "die Ratio" gemeldet, eine Art innere Stimme. "Das kannst du auch", sagte sie. Warum sollte Krisper immer nur Expertise beisteuern, warum sie nicht selbst in der Öffentlichkeit vertreten? Sie ärgerte sich über die "laute, inhaltsleere Show" von Abgeordneten, über "hohles Gerede in TV-Runden". "Mach es besser", stichelte die Ratio. Auf einer Familienfeier erwähnte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger (ihr Mann ist ein Cousin von Krispers Mann) die bevorstehende Parteigründung. Da sprang ein Funke über.

2017 errangen die NEOS zwei Grundmandate in Wien. Krisper landete in der Politik. Ihr Mann, ein Cellist und Musikagent, hatte sie zur Kandidatur ermuntert, aber nicht ernsthaft mit Erfolg gerechnet. Noch heute lache er darüber, dass jemand wie sie bei Vorwahlen reüssieren könne, sagt Krisper: "Ich bin ja immer nur vom Boltzmann Institut zu den NEOS gehechelt, um meine Papiere abzuliefern. Zum Netzwerken und karriereförderlichen Biertrinken hatte ich nie Zeit."

Vergangenen Dienstag sagte ein Beamter der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität im BVT-Ausschuss aus; es ging um die ominöse Hausdurchsuchung. Was der Mann von sich gab, deckte sich nicht ganz mit den Aufzeichnungen in den Akten. Der Tonfall der Abgeordneten Jan Krainer (SPÖ) und Pilz (Liste Pilz) kippte ins Höhnische. Nicht so bei Krisper. "Ich war auch stinksauer", sagt sie hinterher. Man merkte es ihr jedoch nicht an. Macht sie das zu einer besseren Politikerin? Zu einer schlechteren?"Politik ist ein hartes Terrain", sagt sie: "Eigentlich bin ich dafür zu feinfühlig." Unerschütterlich ist nur ihr Glaube an die Kraft des Arguments. Und der Glaube versetzt bekanntlich Berge.

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges