Peter Pilz (l.) während einer PK nach Abschluss des Eurofighter-U-Ausschusses.

Nimmergrün: Populismus à la Peter Pilz

Endlich kann der Ex-Grüne Peter Pilz einmal zeigen, was er unter Populismus von links versteht. Dass er mit seiner Kandidatur die Chance auf Schwarz-Blau erhöht, kümmert den politischen Solisten herzlich wenig.

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Grinsend streunt Peter Pilz am Dienstag der Vorwoche durch die Wiener Hofburg. Vor der Tür, hinter der die letzte Sitzung des Eurofighter-Untersuchungsausschusses tagt, warten Journalisten, Fotografen, Fernsehteams - und Pilz selbst. Er darf nicht im Sitzungssaal sein, weil er nach seinem Abschied von den Grünen das Recht auf die Mitwirkung in parlamentarischen Ausschüssen verlor. Zwar hätten die verbliebenen Mitglieder den Ex-Grünen als Berater zur Sitzung zulassen können, doch sie wollten es nicht. Dadurch lässt ein Pilz sich natürlich nicht beirren. Nach etwas über einer Stunde geht die Tür zum Sitzungssaal auf. Darauf hat Pilz gelauert: Als sich die Ausschussmitglieder zur Pressekonferenz hinter Stehtischen auffädeln, stellt sich der Ex-Grüne demonstrativ daneben (Bild). Am nächsten Tag ist er in allen Medien vertreten, und zwar in seiner Lieblingsrolle: als Opfer des "Machtkartells aus SPÖ, ÖVP und FPÖ", die ihn "offensichtlich für gefährlich halten", wie er launig verkündet.

Die Kunst der Selbstvermarktung beherrschte Pilz, seit mittlerweile drei Jahrzehnten im Politikbetrieb unterwegs, schon immer. Von der Noricum-Affäre über die Kurdenmorde bis zum Baukartell - oft lenkte der inzwischen 63-jährige das Scheinwerferlicht auf Skandale und Missstände. Im Wahlkampf lenkt er es auf sich selbst. Mit seiner Liste will Pilz nun "einen linken Gegenpol zu Schwarz-Blau" bilden, wie er sagt. Dafür nimmt er in Kauf, seine Ex-Partei zu demolieren und die SPÖ Stimmen zu kosten - was Schwarz-Blau ein ganzes Stück wahrscheinlicher macht.

Ein reiner Egotrip also?

Auch draußen auf der Straße kann Pilz seine Stärken ausspielen. Im noblen Wiener Bezirk Döbling spaziert er durch einen Flohmarkt. In seiner Entourage tummeln sich junge, gestriegelte Bürgerliche mit Hemd und Sakko genauso wie Alt-68er in abgewetzten Jeansjacken. Pilz ist in allen Schichten bekannt - und populär. Die Menschen kommen auf ihn zu, und Pilz weiß, wie er sie packt: Er klopft Männern auf die Schultern und winkt Marktstandlern zu; einer alten Frau mit Mütze, die über steigende Betriebskosten im Gemeindebau klagt, hört er mit andächtiger Miene zu. Selbst der langgediente Döblinger ÖVP-Bezirksvorsteher Adi Tiller, den Pilz am Markt trifft, gesteht: "Es würde mir nicht schwer fallen, Sie zu wählen."

Mir schafft niemand etwas an!

"Das werden Ihnen die Grünen nie verzeihen!", ruft ein Mittdreißiger im Vorbeigehen und stört damit für einen Moment die Show. Pilz schenkt ihm keine Beachtung. Die wechselseitige Abneigung ist tatsächlich groß. Eine grüne Nationalrätin, die unweit des Pilz-Trosses Flyer verteilt, vergleicht ihren ehemaligen Klubkollegen mit US-Präsident Donald Trump. Im Pilz-Team finden sich etliche grüne Aussteiger, die offen über die Regierungskompromisse der Grünen schimpfen und sich über eine Landesparteichefin im Dienstwagen echauffieren. Wenn Pilz über seine frühere Partei spricht, klingt Verbitterung durch. Er sei im grünen Klub ermahnt worden, nicht mehr "Flüchtlingskrise" zu sagen, "weil die Flüchtlinge nichts dafür können". Der Steirer schimpft über die "Sprachpolizei" und schnaubt: "Mir schafft niemand etwas an!"

In unsicheren Zeiten entscheidet ein einziges Motiv über die Mehrheit: Sicherheit.

Immer wieder richtete der Querkopf seiner damaligen Partei öffentlich aus, warum es ganz dringend "linken Populismus" brauche. "In unsicheren Zeiten entscheidet ein einziges Motiv über die Mehrheit: Sicherheit. Die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit, also nach der Sicherheit im täglichen Leben, ist die Schlüsselfrage. Aber dieser Schlüssel passt erst in die zweite Tür", schrieb Pilz in seinen 99 Thesen, die er 2016 an den grünen Parteivorstand verschickte. "Auf der ersten Tür steht 'Ausländer' - ob es uns passt oder nicht."

Nun setzt Pilz seine Empfehlungen selbst um: Er fordert eine klare Kante gegen Islamismus und sichere Grenzen - bei gleichzeitiger Aufstockung der Entwicklungshilfe. ÖVP-Chef Kurz, dessen Steuerkonzept beträchtliche Entlastungen für Unternehmen vorsieht, verhöhnte Pilz als "Kandidaten der Konzerne", FPÖ-Obmann Strache forderte er per Videobotschaft zum Duell - und mutmaßte, der Blaue habe "die Hosen voll". Weil er nicht zu den TV-Duellen eingeladen wird, will Pilz im ORF nach der Wahl "radikal aufräumen".

Peter Pilz steht in der Cafeteria des Parlamentsprovisoriums, das für die Dauer der Umbauarbeiten in der Hofburg angesiedelt ist. Er trinkt Pepsi-Cola und sinniert über "neue Mehrheiten links der Mitte", "politische Hegemonie" und die Scottish National Party (SNP). Für Pilz, einst in einer marxistischen Studentengruppe sozialisiert, sind die linken Separatisten, die eine Loslösung von Großbritannien forcieren, "das derzeit spannendste politische Projekt in Europa". In wenigen Jahren stieg die SNP mit linken Positionen zur stärksten Kraft im schottischen Regionalparlament auf. Es ist diese Mischung aus nationalem Bewusstsein und Sozialpolitik, die Pilz auch in seinem neuen Buch "Heimat Österreich" propagiert. Eine Protestpartei links der Mitte sei möglich.

Wolfgang Zinggl, Peter Pilz, Daniela Holzinger-Vogtenhuber und Bruno Rossmann

In Umfragen liegt das Pilz-Projekt derzeit bei fünf Prozent. Aber hat es das Potenzial einer ernstzunehmenden Protestbewegung? Die Wahlplattform ist eine Mischung aus vergraulten Parteigängern und motivierten, aber unerfahrenen Quereinsteigern, die teilweise höchst widersprüchliche Positionen vertreten. Die Personen seien das Programm, steht auf der Website zu lesen, der Klubzwang gelte im Falle eines Einzugs in den Nationalrat nicht. Ob das gut gehen kann?

Stellen Sie sich ein Parlament ohne mich vor

Im stickigen Kellergeschoss eines Wiener Pakistani-Restaurants unweit der Hauptuniversität drängen sich rund 40 Interessierte. Alma Zadic, die Wiener Rechtsanwältin, die auf der Liste Pilz kandidiert, bittet die Anwesenden um Inputs zum Thema Integration. "Eigentlich wollte ich von euch wissen, was die Liste Pilz zu diesem Thema denkt", protestiert eine Frau. Zadic debattiert in der Folge bemüht, die Diskussion verläuft angeregt, bleibt aber oberflächlich. Konkrete Forderungen abseits der Marke Pilz? Fehlanzeige.

Zu Beginn des Wahlkampfs lud der für seine humoristischen Einlagen bekannte Pilz in ein Lokal in Graz, das ausgerechnet in der Grünen Gasse liegt. "Stellen Sie sich ein Parlament ohne mich vor", feixte er. Am wenigsten kann er sich das wohl selbst vorstellen.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.