ÖVP-Abgeordneter Andreas Hanger: „Ich war früher ein Häferl“

Andreas Hanger, vom jahrelangen Hinterbänkler zum Verteidiger des Bundeskanzlers. Wer ist der Mann?

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Ein typischer Tag im neuen Leben des ÖVP-Abgeordneten Andreas Hanger kann so aussehen: abends im Oe24-Fernsehstudio dem NEOS-Politiker Helmut Brandstätter eine „schizophrene Persönlichkeit“ attestieren. Zu einer Pressekonferenz mit dem bezeichnenden Titel „Commerzialbank-Skandal: Neue Zusammenhänge im SPÖ-Insidernetzwerk“ einladen. Zwischendurch in einer Aussendung die „Doppelmoral der selbst ernannten Aufdecker“ geißeln.

Man merkt: Da ist ein Mann voll in Fahrt und teilt mit dem groben Bihänder lustvoll aus. Andreas Hanger ist der neue Bulldozer der ÖVP: Der 52-Jährige mit der markanten Igelfrisur rückt beherzt aus, um den Bundeskanzler zu verteidigen, wenn Herzerl-Chats die ÖVP-Spitze in Bedrängnis bringen und die Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft gegen amtierende und ehemalige ÖVP-Minister ermittelt. Das Spezielle daran: Normalerweise, wenn Parteigranden vom Bundeskanzler abwärts in Schwierigkeiten sind, rücken erfahrene Parteischwergewichte zur Verteidigung aus. Die türkise ÖVP hingegen schickt neuerdings Andreas Hanger in den Ring.

Das hat ihn selbst überrascht: Seit dem 2013 sitzt der Niederösterreicher im Parlament, jahrelang als eher unauffälliger Hinterbänkler, der nur absoluten Politfeinspitzen bekannt war. Ende März änderte sich das abrupt: Da suchte die ÖVP händeringend jemand, der Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel in der „ZIB 2“ bei Star-Anchor Armin Wolf verteidigt und energisch alle Vorwürfe gegen die ÖVP von sich weist.

Hanger: Ich habe ohne viel nachzudenken zugesagt. Zwei Tage davor hatte ich erst mein erstes Fernsehinterview gegeben. Vor Armin Wolf hatte ich großen Respekt, noch dazu ist im ORF die Technik ausgefallen, ich musste in einen schwarzen Bildschirm hineinreden. Wahrscheinlich werde ich auch in zehn Jahren noch von diesem Interview sprechen, weil es eine große Herausforderung war. Meine Mutter hat gemeint, ich hätte ein freundlicheres Gesicht machen sollen.

profil: Obwohl Sie Chats verteidigen mussten, die nicht zu verteidigen sind?

Hanger: Auch der Bundeskanzler hat gesagt, dass er diese WhatsApps nicht mehr schreiben würde. Uns Politikern wird manchmal vorgeworfen, dass wir zu abgeschliffen sind. Es ist okay, wenn Politiker manchmal Emotionen zeigen. Ich war früher ein richtiges Häferl. Ich würde schon dafür plädieren, dass auch Politiker Recht auf Privatsphäre haben. Solche privaten WhatsApp-Nachrichten wie „Ich liebe meinen Kanzler“ gehören nicht in den Untersuchungsausschuss. Damit wird nur die Politik beschädigt. Im U-Ausschuss geht es nicht um Aufklärung, sondern um politische Bühne, auf der skandalisiert wird.

Informell wird die ÖVP-Fraktion im Ibiza-Untersuchungsausschuss von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka angeführt, formell bisher vom Juristen und erfahrenen Mandatar Wolfgang Gerstl. Seit Ende März fällt Gerstl nach einem Skiunfall aus – seither führt Betriebswirt Hanger das Wort. Politik interessierte ihn immer, eine andere Partei als die ÖVP kam nie infrage: Er kommt aus dem Bezirk Amstetten, wo von 35 Gemeinden 32 einen ÖVP-Bürgermeister haben. Seine Eltern hatten ein Sägewerk, er ging zur Jungen ÖVP, in die Bezirkspartei, engagierte sich beim Roten Kreuz und in der Regionalentwicklung. Doch die politische Karriere ging nur zäh voran, im Parlament stand er als Bereichssprecher für das Ehrenamt nie in den ersten Reihen. Bei der Tochter klappte es schneller: Die 26-jährige Sabine Hanger ist ÖH-Vorsitzende und tritt im Mai als Spitzenkandidatin der ÖVP-nahen AG bei der Wahl zum Studierendenparlament an.

Hanger:  Ich bin stolz auf Sabine, wir sind teils unterschiedlicher Meinung. Ich lege viel Wert auf Tradition, Identität, Rituale, gemeinsames Feiern, ich trage auch gerne Tracht. Gleichzeitig ist mir ein offenes Weltbild wichtig, Modernität, Zukunftsthemen. Der CSU-Slogan „Laptop und Lederhose“ passt zu mir. In der ÖVP werden oft Wertefragen diskutiert, ich würde mich eher dem liberalen Flügel zuordnen. Ich bin etwa absolut dafür, dass der Staat die Ehe für alle aufgemacht hat. Nur die kirchliche Ehe soll Heterosexuellen vorbehalten sein. Ich bin für Modernität. Die Koalition mit den Grünen ist innovativ. Die FPÖ hingegen ist nicht regierungsfähig, das hat sie mehrmals bewiesen. 

Und Hanger will beweisen: Er ist mehr als der neue scharfe Angreifer.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin