Eveline Steinberger-Kern, Bundeskanzler Christian Kern, Doris Schmidauer und Alexander Van der Bellen

Opernball 2017: Trauerwalzer

Opernball 2017: Trauerwalzer

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Ob Christian Kern ein lateinamerikanisches Becken hat oder Alexander Van der Bellen beim Tanz hüftsteif wirkt, werden wir erst beim Opernball 2018 erfahren. Vergangenen Donnerstag betraten Bundespräsident und Bundeskanzler nicht einmal das Tanzparkett in der Wiener Staatsoper, und auch ihre Logen blieben von ihnen unbenutzt. Beiden war anzumerken, dass sie es wegen des Todes von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser vorgezogen hätten, gar nicht auf dem Ball zu erscheinen. „Auf denn zum Feste, froh soll es werden“ wie in Mozarts Don Giovanni hieß es an diesem Abend nur im Opernballbüchlein. Aber der Ball ist fast ein Staatsakt und verlangt ein Protokoll. Zumindest der Eröffnung mussten das neu gewählte Staatsoberhaupt und der fast neue Regierungschef beiwohnen. Dann verließen beide die Staatsoper.

Speed-Dating-Veranstaltung mit Frackzwang.

Ihre eigentliche Arbeit hätte da erst begonnen. Für die Spitzenrepräsentanten der Republik ist der Opernball eine Speed-Dating-Veranstaltung mit Frackzwang, vor allem beim ersten Mal. Doch auf ihre zehnminütigen Kennenlerngespräche mit dem neuen Staatsoberhaupt mussten die Wirtschaftskapitäne verzichten.

Belohnung oder Strafe?

Im Wahlkampf hatte Norbert Hofer Alexander Van der Bellen regelmäßig vorgehalten, der Kandidat der „Hautevolee“ zu sein. Beim Rundblick aus der Mittelloge während der Balleröffnung konnte der neue Präsident sich erstmals einen Überblick über seine Oberschichtbürger verschaffen. Ob ihm gefiel, was er sah? Dass der Opernballbesuch Teil seiner Jobdescription ist, dürfte er möglichst lange verdrängt haben. Zu Beginn des Wahlkampfs vor genau einem Jahr sagte Van der Bellen, man „müsste erst klären, ob es Belohnung oder Strafe ist, auf den Ball zu gehen“. Am Ende des Wahlkampfs im Dezember war der frühere Grünen-Chef immerhin schon so weit, einen Wunschgast für die Präsidentenloge nennen zu können: den nächsten deutschen Bundespräsidenten, Frank-Walter Steinmeier. Im Februar 2003 war die Teilnahme am Staatsgschnas für Van der Bellen so unvorstellbar wie atomgetriebene Tierversuchsfabriken: „Auf dem Opernball wird man mich nie sehen. Allein der Gedanke an den beengenden Frack und die vielen Leuten jagt mir schon die Schauer über den Rücken.“ Ein Ballbesuch war damals insofern denkmöglich, als Van der Bellen gerade mit Wolfgang Schüssel über eine schwarz-grüne Koalition verhandelte. Doch mit dem ersten grünen Vizekanzler wurde es dann bekanntlich nichts.

Als Bundeskanzler war Christian Kern ein Opernball-Neuling. Als Topmanager besuchte er gern gehobene Tanzveranstaltungen. Wenn es um Bälle gehe, meinte er einmal, sei Wien tatsächlich „der Nabel der Welt“. Für Kerns Karriere waren Ballnächte förderlich. Als der damalige ÖBB-Chef im Februar 2015 bei der Grazer Opernredoute Gast von SPÖ-Landeshauptmanns Franz Voves war und beim Opernball kurz darauf in Michael Häupls Loge saß, wurde dies rasch so interpretiert, wie es sich ein Jahr später mit der Ablöse von Werner Faymann auch bewahrheitete.

The Right Honourable The Lord Pröll

Kerns Koalitionspartner harrten vergangenen Donnerstag länger am Ball aus als Bundespräsident und Kanzler. Reinhold Mitterlehner hatte vermutlich den höchstrangigen, wenn auch hierzulande nicht wahlberechtigten Repräsentanten der Hautevolee zu Gast: The Right Honourable The Lord Price, so die korrekte Anrede. Mr. Mark Price (so die republikanische Anrede) ist britischer Handelsminister. Offenbar wollte Lord Price Fragen zum Brexit aus dem Weg gehen – man sah ihn mehr auf der Tanzfläche als in der Loge seines Gastgebers. Als Überraschungsgast stellte sich bei Mitterlehner The Right Honourable The Lord Pröll ein. Vor wenigen Wochen noch galt es als ausgemacht, dass der niederösterreichische Landeshauptmann länger im Amt bleiben wird als der Vizekanzler. Dann kam es anders. Vielleicht unterhielten sich die beiden am Opernball gerade deswegen so gut miteinander.

Für die SPÖ hielt Kanzleramtsminister Thomas Drozda die Stellung. Auch er hatte einen Ehrengast aus einer Erbmonarchie mitgebracht: Regierungsrätin Aurelia Frick aus Liechtenstein. Frick ist eine Ämterkumuliererin. Im Fürstentum dient sie als Ministerin für Äußeres, Bildung und Kultur. Sie macht also kostengünstig die Jobs von Drozda, Sonja Hammerschmid und Sebastian Kurz in einem. So viel Einsatz will belohnt sein. Donnerstagvormittag verlieh Mitterlehner Frick das Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich, das die Regierungsrätin wenige Stunden später bereits stolz an der Schärpe über ihrem grünen Ballkleid trug. Mehr strahlte an diesem Abend nur ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka, nicht aus Vorfreude auf den – wie er ihn jetzt schon nennt – „Darabos“-Untersuchungsausschuss zu den Eurofightern, sondern aus privaten Gründen: Sein Sohn eröffnete den Opernball im Jungherrenkomitee.

Doch auch die ÖVP-besetzten Logen leerten sich früher als gewöhnlich; der Tod der Regierungskollegin hatte auch die schwarzen Minister schockiert. Die Frage, welche Figur der neue Bundespräsident mit grünen Wurzeln auf dem Staatsball machen würde, blieb an diesem Abend in ÖVP-Reihen unbeantwortet. Van der Bellens Vorgänger hatte anfangs ebenfalls leicht allergisch auf Oper, Frack und „Alles Walzer“ reagiert. In einem der letzten Interviews vor dem Ende seiner Amtszeit sagte Heinz Fischer allerdings: „Der Opernball ist eine schöne und eindrucksvolle Veranstaltung. Das haben auch alle unsere ausländischen Gäste so empfunden. Ich habe den Ball schätzen gelernt.“

Dieser Artikel stammt aus dem profil Nr. 9 vom 27.2.2017. Das aktuelle profil können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist Innenpolitik-Redakteur.