Pflegerin schwarz beschäftigt: Agentur muss 8000 Euro zahlen

Eine 24-Stunden-Betreuerin stürzt - und erfährt im Spital, dass sie monatelang schwarz gearbeitet hat. Nun muss ihre Agentur 8000 Euro zahlen. Ein Signal für die Branche?

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Aus der Mücke soll bloß kein Elefant werden. Thomas Kloiber, Inhaber der steirischen Agentur „Leben in Würde“, spricht von einem „Einzelfall, der in dieser Form in unserer langjährigen Branchenerfahrung noch nicht vorgekommen ist.“ Gemeint ist ein gerichtlicher Zahlungsbefehl, der sein Unternehmen verpflichtet, einer kroatischen 24-Stunden-Betreuerin rund 8000 Euro zurückzuzahlen und sie rückwirkend bei der Sozialversicherung anzumelden.

Die Vorgeschichte: Im Herbst 2020 heuerte Jasna B.* bei „Leben in Würde“ an. Geschäftszweck des Unternehmens ist die Vermittlung von 24-Stunden-Kräften an Familien. Die Kroatin ist Mitte 50 und spricht kaum Deutsch. Man habe ihr mehrere Schriftstücke auf Deutsch zur Unterschrift vorgelegt, eine Kopie habe sie nicht erhalten, sagt ihr Anwalt, der Arbeitsrechtler Michael Haider. Er geht davon aus, dass es sich um „eine Art Inkassovollmacht und einen Vermittlungsvertrag“ gehandelt hat und Frau B. als „Scheinselbständige“ tätig wurde.

„Sie sind ja gar nicht versichert“

Die Stunde der Wahrheit schlug im Krankenhaus. Neun Monate lang hatte sich Jasna B. um eine Kärntnerin gekümmert. Sie hatte für die Frau gekocht, sie gepflegt und gewaschen, hatte das Haus geputzt, den Rasen gemäht, sich um den Garten gekümmert. Was eben so anfiel. Als die Klientin ins Spital muss, begleitet Jasna B. sie. Hier passiert es: Die Kroatin stürzt über eine Treppe, bricht sich Hüfte und Oberschenkel – und hört den behandelnden Arzt sagen: „Sie sind ja gar nicht versichert.“

Das war im April des vergangenen Jahres. Seither weiß die Kroatin, dass die Agentur „Leben in Würde“ sie nie bei der Sozialversicherung angemeldet hat. Die Agentur organisierte die Transporte von und nach Kroatien, besorgte die bei der Grenze benötigten Covid-Dokumente und bezahlte die 24-Stunden-Kraft für ihre wochenweisen „Radldienste“ in bar. Nur die Sozialversicherungsnummer bekam Jasna B. nie. „Immer wenn sie danach gefragt hat, wurde sie vertröstet. Die Frau hat monatelang schwarz gearbeitet, ohne es zu wissen“, sagt Andreja Grabovac, die sich bei der gewerkschaftsnahen Initiative „vidaflex“ um die kroatischen 24 Stunden-Kräfte in Österreich kümmert.

Schokolade statt Sozialversicherung

Vom Spital aus versuchte die verletzte Kroatin, ihren Arbeitgeber zu erreichen. Das Spital stellte schließlich den Kontakt her. Wenige Tage später bekam B. zwei Tafeln Schokolade per Post ans Krankenbett geliefert.  Die 24-Stunden-Betreuerin wurde operiert und verließ zwei Wochen später das Spital. Der Vater des Agenturbetreibers brachte sie zu einer Sammeltransportstelle. Von dort ging es mit dem Kleinbus nach Kroatien. „Danach hat die Frau nichts mehr von ihrem Arbeitgeber gehört“, schildert Grabovac. Die Causa aber war nicht zu Ende. Im Auftrag von „vidaflex“ machte Rechtsanwalt Haider beim Arbeits- und Sozialgericht Entgeltfortzahlung sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld geltend.

Fall könnte Signalwirkung haben

An dieser Stelle könnte sich die sprichwörtliche Mücke doch noch zu etwas Größerem auswachsen. Vom zuständigen Gericht in Graz erging ein Zahlungsbefehl, den die beklagte Agentur nicht beeinspruchte. „Damit hat sie das Dienstverhältnis der betroffenen 24-Stunden-Betreuerin anerkannt“, erklärt Haider. Weil seine Mandantin auch Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis einforderte, eignet sich das Schriftstück zugleich als Mitteilung an die Gesundheitskasse, wonach „in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis vorgelegen ist“ (Haider). Das könnte Signalwirkung für die Branche haben.

Agenturbetreiber Kloiber sieht es anders: Man habe in der Causa eine Mahnklage erhalten, „die von unserer Seite leider nicht fristgerecht beantwortet wurde“. Mangels Einspruch enstand daraus ein Zahlungsbefehl, dem man nachgekommen sei. Man halte allerdings „ausdrücklich fest, dass unser Unternehmen in der Zusammenarbeit mit Frau B. korrekt gehandelt hat.“ Für die Agentur sei die Sache damit erledigt, „wir werden keine weiteren Schritte setzen, da es sich um einen Einzelfall und lediglich um ein Fristversäumnis unsererseits handelt“.

*Name der Redaktion bekannt

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

ist seit 1998 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges