Gesundheitsninister Mückstein und Kanzler Schallenberg
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Der große Graben

Corona-Lockdown für Ungeimpfte, Tag zwei: Ein Spalt in der Gesellschaft, zwei Richtungen in der Bundesregierung und drei oder vier Hits für dunkle Stunden.

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Wenn es dunkel wird und unheimlich, dann beginne ich manchmal zu pfeifen. Mir ist schon klar, dass das nichts bringt, aber ich pfeife ja auch eher unbewusst als dass ich mich extra dazu entschließen würde. Ganz bewusst würde ich an dieser Stelle aber gerne ein Lied anstimmen, das Hoffnung oder zumindest gute Laune stiftet (rein vom Pfeifen her vielleicht: „Wind of Change?“), aber es fällt mir leider keines ein, das der Tragweite der Situation angemessen wäre: Seit etwas mehr als 24 Stunden befinden sich rund zwei Millionen Menschen in Österreich in einem Lockdown, der zirka 17 mehr oder weniger schlüssige Ausnahmeregelungen vorsieht, für deren Kontrolle ungefähr 30.000 Polizistinnen und Polizisten sowie jede Menge Gewerbetreibende zuständig wären, aber weil eine erhebliche Anzahl von Menschen in diesem Land die Wirksamkeit dieser Maßnahmen bezweifelt, erscheint uns das alles nur wie eine lässliche Übergangsphase (Nämlich zu einem Lockdown für alle. Insofern bietet sich als Finsternisvertreibungsvorlage vielleicht Raf Camoras „Blaues Licht“ an. Oder doch lieber die oberösterreichische Hymne „Kalender“ von Attwenger, deren zentrale Verszeile jedenfalls zeitlos gültig erscheint: „Man kunnt jetzt a nau weida dua, wer waß obs des jetzt bringt / Und I hob in Kalender gschaut, heit geht da Wind.“)

Schallenberg und Mückstein uneinig

Dass die Phase, in der wir uns gerade befinden, dunkel und unheimlich ist, liegt leider nicht nur an der Jahreszeit, am Wind oder den Sieben-Tage-Inzidenzen in Oberösterreich. Ein Spalt geht durch die Gesellschaft. Unter anderem verläuft er zwischen Kanzleramt und Gesundheitsministerium, beziehungsweise deren jeweiligen Hauptmietern Alexander Schallenberg und Wolfgang Mückstein, die sich in der Frage, wie man die laufende Pandemie am besten zu bekämpfen habe, gar nicht grün sind (türkis auch nicht). Wohin das führt, hat Eva Linsinger in ihrem aktuellen Leitartikel über die „Corona-Bananenrepublik Österreich“ sehr schön beschrieben:

„Monatelang versicherte uns die Regierungsspitze von Ex-Kanzler Sebastian Kurz abwärts, Österreich sei am besten und tollsten von allen Staaten durch die Krise gekommen. An prallem Selbstlob mangelte es nie, an ernsthaftem Corona-Krisen-Management ständig. Das Resultat der Superlativ-Politik in nüchternen Fakten: Die Intensivstationen sind heillos überfüllt, Krebs-Operationen werden verschoben. Beim chronisch überlasteten medizinischen Personal droht eine Burn-out- und Kündigungswelle. Die fünfstelligen Infektionszahlen klettern auf immer neue Rekordwerte. Das böse L-Wort vom Lockdown, x-mal ausgeschlossen, wird wieder bittere Realität. Österreich steht erneut auf der Liste der Hochrisikogebiete, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger kann getrost die zehn Millionen Euro teure Werbekampagne 'Winterliebe' einstampfen.“

Da fällt mir doch noch ein Lied ein. Es heißt Hit me Baby One more Time“ und stammt von der kürzlich aus ihrem ganz persönlichen Lockdown entlassenen Musikerin Britney Spears. Die zentrale Verszeile würde ich gerne Alexander Schallenberg widmen: „How was I supposed to know / That something wasn't right here?“

Wir wünschen Ihnen einen schönen Ohrwurm!

Sebastian Hofer

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Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.