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„Du bist 1 Pimmel“

Mit diesen Worten beleidigte ein Twitter-Nutzer den SPD-Politiker Andy Grote. Die Folge: Hausdurchsuchung, Beschlagnahmungen und ein Paradebeispiel für den Streisand-Effekt.

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Das Internet ist ein wunderbarer – aber eben kein rechtsfreier – Ort. Twitter, wo sich hauptsächlich Politiker:innen und Journalist:innen tummeln, scheint ein besonders paradoxer Abgrund der Internet-Tiefen zu sein. Während dort die einen mit Klarnamen posten und die Welt verändern wollen, am liebsten von der Couch aus, verlieren sich andere in ironischen Insider-Witzen, die sie nicht einmal mehr selbst verstehen. Kommt es zur Konfrontation, kann alles passieren.

Virales Pimmelgate

Eine Hausdurchsuchung hätte der User „ZooStPauli“ wohl trotzdem nicht erwartet, als er „Du bist 1 Pimmel“ unter einen Beitrag von Hamburgs SPD-Innensenator Andy Grote kommentierte. Was er damit aussagen wollte, weiß wohl nur er selbst. Auch warum sich Grote dadurch so beleidigt gefühlt hat, ist unklar. Am Mittwochmorgen gegen 6.00 Uhr stand jedenfalls die Hamburger Polizei vor der Wohnungstür von „ZooStPauli“; sechs Beamte durchsuchten die Wohnung und beschlagnahmten mehrere elektronische Geräte des Mannes. Unter dem Hashtag #Pimmelgate wird seitdem die Sinnhaftigkeit dieser Polizeiaktion in Frage gestellt.

Etwas Ähnliches ist vor kurzem in Österreich passiert. Wolfgang P. schrieb Anfang März: „Die jetzige türkise Führung ist nur mehr korrupt und machtgeil. Und wenn mich der laptoplose Blümel klagt, diese Partei ist vergesslich oder korrupt.“ Kurz darauf bekam der pensionierte Informatiker tatsächlich eine Privatklage von Finanzminister Gernot Blümel. Wegen übler Nachrede verurteilte ihn das Straflandesgericht Wien zu einer Geldstrafe von 4200 Euro. Im gleichzeitig angestrebten zivilrechtlichen Verfahren vor dem Handelsgericht kam es zu einem anderen Ergebnis: Der Tweet sei ein „gerechtfertigtes Werturteil“ und den zugespitzten Äußerungen liege ein „hinreichendes Tatsachensubstrat“ zugrunde.

Gernot Blümel und Barbra Streisand

Schlaue Menschen kommentieren unter solchen Beiträgen dann oft, dass es hier zum sogenannten Streisand-Effekt kommt. Durch den Versuch unliebsame Informationen zu unterdrücken wird das Gegenteil erreicht, es entsteht eine öffentliche Aufmerksamkeit und die Verbreitung der Information steigert sich deutlich. Der Begriff geht auf die Sängerin und Schauspielerin Barbra Streisand zurück. 2003 verklagte sie einen Fotografen, weil auf Luftaufnahmen der Küste Kaliforniens ihr Haus zu sehen war. Dass es sich dabei um ihr Anwesen handelt, war bis dahin niemandem bekannt. Als Reaktion auf die Klage verbreitete sich das Foto aber lawinenartig im Internet. 

Besonders Blümel scheint diesen Mechanismus nicht zu verstehen. Vor knapp einem Jahr passierte ihm ein ähnlicher Fauxpas, als er einen kritischen Kommentar des Schriftstellers Robert Menasse auf seiner Facebook-Seite löschte und dies dann absurderweise mit wirren Anschuldigungen nationalsozialistischen Gedankenguts begründete. Aber wie Angela Merkel es schon einmal treffend formulierte: „Das Internet ist für uns alle Neuland“.

Einen schönen Freitag im Internet wünscht Ihnen,

Jakob Thaller

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