Gift und Dosis: Regierungsstudie zu Glyphosat-Ausstieg verzögert sich

Glyphosat polarisiert weiter. Eine Regierungsstudie über das mögliche Aus für das Unkrautvernichtungsmittel wurde verschoben – wegen der EU-Wahl, glaubt Greenpeace.

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Die Fronten sind verhärtet, das beginnt schon bei der Begrifflichkeit: Glyphosat-Verfechter bezeichnen die chemische Verbindung konsequent als „Pflanzenschutzmittel“ – Gegner sprechen schlicht von „Pflanzengift“. Giftig ist das Mittel tatsächlich: Und zwar für alle Pflanzen, die Glyphosat über ihre Blätter aufnehmen. Sie sterben binnen kürzester Zeit ab. Die Landwirtschaft nutzt das Mittel, um großflächig Unkraut zu vernichten – vor der Saat. Das ist konkurrenzlos billig, aber nicht ganz unproblematisch.

Ruf nach Glyphosat-Verbot immer lauter

Rückstände des Herbizids landen im Grundwasser und in den fertig produzierten Lebensmitteln. Die entscheidenden Fragen: Wie giftig ist das für die Konsumenten – und wie schädlich für die Umwelt? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bewertet Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“. Es gibt Hunderte Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen, teils finanziert durch die Lobbys der Glyphosat-Hersteller. Die EU verlängerte die Zulassung für Glyphosat 2017 um fünf Jahre bis 2022. In Österreich wird der Ruf nach einem nationalen Verbot immer lauter.

Zum Regierungsantritt beauftragte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) die Universität für Bodenkultur (BOKU) mit einer nationalen Machbarkeitsstudie zum Glyphosat-Ausstieg – Pestizid-Alternativen und wirtschaftliche Folgen sollen erhoben werden. Ursprünglich waren die Ergebnisse für Ende 2018 vorgesehen, dann für März 2019 avisiert. Seit Kurzem findet sich auf der BOKU-Website allerdings der Hinweis, dass die Studie noch bis Juni 2019 läuft. Praktisch für die Regierungsparteien. „Ich gehe davon aus, dass die Studie bewusst verschleppt wird, weil insbesondere die ÖVP dieses Thema vor den Wahlen nicht haben will“, vermutet Greenpeace-Landwirtschaftssprecher Sebastian Theissing-Matei.

FPÖ enthält sich im EU-Parlament

Unabhängig von der österreichischen Ebene wird das neu zu wählende EU-Parlament mitentscheiden, ob die Zulassung für Glyphosat über 2022 hinaus verlängert wird. Die Umweltschutz-NGO Greenpeace befragte deshalb die österreichischen Spitzenkandidaten zur EU-Wahl zum Thema: Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ), Werner Kogler (Grüne) und Johannes Voggenhuber (1 Europa) sprechen sich für ein EU-weites Verbot von Glyphosat aus, Othmar Karas (ÖVP) und Claudia Gamon (NEOS) sind dagegen. Die Antwort offenbart eine von vielen Meinungsverschiedenheiten zwischen ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und Karas: Kurz versprach einen schrittweisen Glyphosat-Ausstieg.

Die Antwort von Vilimsky wiederum ist bemerkenswert, weil sie dem tatsächlichen Abstimmungsverhalten der FPÖ im Europäischen Parlament zu Glyphosat widerspricht: Bereits 2017 votierten die FPÖ-Abgeordneten gegen ein Auslaufen des Herbizids ab 2022. Bei einer Abstimmung im April dieses Jahres wurden vom Europaparlament strengere Transparenz-Standards für die Zulassung von Pestiziden beschlossen. Die FPÖ enthielt sich als einzige österreichische Delegation.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.